Kommentar: Apple verliert den Kurs im Mac-Bereich
In den 90er Jahren krankte Apples Produktportfolio nicht nur an teilweise diskutabler Qualität, sondern vor allem auch an einem unüberschaubaren Wirrwarr verschiedener Baureihen und Modelle, die sich teils nur marginal unterschieden. Theoretisch hätte damit natürlich jeder exakt den passenden Mac kaufen können, intensives Produktstudium vorausgesetzt, für normale Anwender hingegen war kaum zu übersehen, welcher Mac den nun der richtige sei. Einer der ersten Schritte, die Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple durchsetzte, war eine radikale Vereinfachung des Sortiments - ein Kahlschlag durch die Mac-Baureihen, sozusagen. Als Leitmotiv präsentierte Jobs die vier Quadranten. Aufgeteilt in mobile Macs und Desktop-Macs sowie für professionelle Anwender und für den Heimnutzer. Gefüllt wurden die Sektoren mit iBook, PowerBook, iMac und Power Mac.
13", 13", 13" und 13". Und 12".Spätestens mit dem gestrigen Abend wurde klar, dass es keine Pläne gibt, eine ähnlich klar zu überblickende Struktur zu schaffen. Anstatt aufzuräumen, hat Apple ein beispiellos konfuses Sortiment geschaffen. Dem regelmäßigen Leser einer Newsseite mag noch einleuchten, was denn nun die Unterschiede der zahlreichen Notebooks mit gleicher Display-Größe sind - doch auch hier bedarf es einiges an Produktstudium. Wer ein 13"-Notebook möchte, kann nun wählen aus MacBook Air 13", MacBook Pro 13" (alt), MacBook Pro 13" (neu, aber weniger Anschlüsse und Ausstattung) und MacBook Pro 13" (neu und mit Touch Bar). Dazu kommt dann noch eine Variante mit etwas kleinerem Display, nämlich das MacBook. Wer die unzähligen Baureihen einer Notebook-Serie bei PC-Herstellern belächelt, kann inzwischen bei einem Blick auf Apples Produktseiten ebenfalls den Kopf schütteln.
Einsteiger-Baureihe?Das MacBook Air 13" mit inzwischen ziemlich alter Hardware als Einstiegs-Angebot zu positionieren, dies für 1099 bzw. 1399 Euro, ist kein attraktives Angebot für das untere Ende der Mac-Palette, sondern schlicht unverschämt. Kunden erhalten ein nicht aktualisiertes Produkt, das seit mehr als eineinhalb Jahren unverändert angeboten wird. Für 999 Euro wäre dies vielleicht noch ok, aber keinesfalls für 1399. Ganz offensichtlich ist Apple der Meinung, oder hat erkannt, dass Kunden dennoch zum Mac greifen werden. Für die eigene Marge ist dies vorteilhaft, spart sich Apple doch teure Weiterentwicklung und kann alte Hardware weiterhin zu sehr teuren Preisen vertreiben.
Desktop-Bereich: Klarer, aber richtig altWer gerne einen Desktop-Mac kaufen möchte, hat die Wahl zwischen drei Baureihen, die noch weitgehend klar positioniert sind. Als günstigster Mac steht der Mac mini (uralt) bereit, als leistungsfähiges Gerät mit integriertem hochwertigen Display der iMac (vor einem Jahr aktualisiert), wer sehr viel Leistung benötigt, greift zum Mac Pro (steinalt). Um die eingangs genannte Kritik aufzugreifen, stimmt bei den Desktop-Macs die Ausrichtung noch und die wenigsten Kunden dürften Probleme haben, sich für das passende Modell zu entscheiden. Dass es allerdings teils eindeutig veraltete Hardware zu horrenden Preisen gibt, ist ein anderer Punkt.
Der Erfolg gibt Apple RechtEgal wie scharf man die Kritik formuliert, Apples Quartalsergebnisse sprechen eine andere Sprache. Zwar gingen die Zahlen im Laufe des Jahres deutlich zurück, noch immer setzt Apple aber fast fünf Millionen Macs pro Quartal ab. Vermutlich lägen diese Zahlen nicht wesentlich höher, würde Apple wieder auf den früheren Takt von kleineren Upgrades alle sechs Monate wechseln. Der gefühlte Skandal, in sehr teuren Computern nicht einmal aktuelle Hardware zu erhalten, ist für normale Kunden keiner.
Aus diesem Grund macht sich auch immer stärker eine gewisse Wahrnehmungsdiskrepanz deutlich: Während in Mac-Foren rund um die Welt immer mehr enttäuschte, alteingesessene Mac-Nutzer ihrem Frust Luft machen, kommt diese Einschätzung bei Normalanwendern nicht an. Ob dies langfristig so bleibt, sei aber einmal dahingestellt. Ebenfalls oft in Foren zu hören ist, dass im Bekanntenkreis seltener empfohlen wird, doch auf jeden Fall einen Mac zu kaufen. Die früher als "Missionare" belächelten, extrem überzeugten Mac-Nutzer werden seltener. Langfristig kann dies zu einem Problem werden, denn begeisterte Nutzer waren lange Zeit wesentlicher Teil der Marketing-Maschinerie.