Kommentar: Warum Apple-Events früher spannender waren. Oder sich zumindest so anfühlten.
Es ist eine Grundeigenart des Menschen, die etwas weiter zurückliegende Vergangenheit zu verklären und sich vorrangig an die guten Dinge zu erinnern - wobei das "Heute" zwangsläufig in ein paar Jahren ebenfalls zur "guten alten Zeit" erhoben wird. Ein Blick auf das Stimmungsbild in den zahlreichen Mac-Foren lässt den Eindruck entstehen, als herrsche rund um Apples Großereignisse sehr viel weniger Begeisterung, als es noch vor zehn oder fünfzehn Jahre der Fall war. Gleichzeitig lässt sich aber feststellen, dass Apple-Events längst schon nicht mehr nur eingefleischte Apple-Fans in ihren Bann ziehen, sondern stattdessen nahezu jedes Nachrichtenmagazin detailliert über Apple-Gerüchte berichtet. Auch ohne ein Fachmagazin zu lesen ist den meisten ziemlich genau bekannt, was Apple wohl vorstellt.
Die gute alte Zeit?Redaktionsintern haben wir genau diese Diskussion geführt. In den fast 15 Jahren, die es MacTechNews nun schon gibt, fanden zahlreiche wegweisende und einschneidende Ereignisse statt. Die MacWorld San Francisco 2003 mit Safari, WWDC 2003 mit dem neuen Power Mac G5 und Mac OS X Panther, die WWDC 2005 mit Ankündigung des Intel-Umstiegs... oder die MacWorld San Francisco 2007 mit dem ersten iPhone. In den letzten Jahren hingegen war der Markt bei weitem nicht mehr so beweglich wie damals. Es kommt erwartungsgemäß jedes Jahr ein neues iPhone, die Mac-Modellzyklen werden immer länger und auch bei OS X fallen die großen Sprünge aus, immerhin muss jedes Jahr eine weitere Version präsentiert werden. Aus diesem Grund fallen auch die Erwartungen bezüglich der Ankündigungen auf einem Apple-Event immer geringer aus.
Es gab damals einfach mehr zu tunDie Aussage, vor zehn bis fünfzehn Jahren habe Apple noch regelmäßig größere Sprünge verkünden können, ist sicherlich richtig. Dafür war aber auch der simple Fakt verantwortlich, wie viele massive Baustellen es zu beseitigen gab. Die ersten Versionen von Mac OS X waren noch so unfertig, dass wegweisende Neuerungen schlichtweg erforderlich waren. So konnten Nutzer beispielsweise am Anfang nicht einmal CDs brennen. Auch die allgemeine Geschwindigkeit des Systems fiel bis zur Einführung von Quartz Extreme schmerzhaft aus. Apple konnte in rascher Folge wichtige neue Funktionen präsentieren - musste es aber auch, denn im Gegensatz zu heute waren Systeme und Produkte weitaus unfertiger.
Apple war ein Underdog, die Apple-Welt eine verschworene GemeinschaftApple-Geräte sind heutzutage allerorts zu sehen. Das war in den Jahren vor dem iPod-Boom noch vollständig anders. Apple konnte Ende der 90er Jahre gerade einmal so der Pleite entkommen - die letzten getreuen Kunden verstanden sich als eingeschworene Gesellschaft. Alleine schon deswegen fieberte man mit, was der sympathische kleine Underdog aus Cupertino wohl gegen den bösen, alles dominierenden Riesen aus Redmond ins Feld führen würde. Jede noch so kleine Neuerung wurde gefeiert - ebenfalls ein Grund dafür, warum frühere Events gerne als spannender in Erinnerung blieben.
Steve Jobs war ein Meister der PräsentationAuch wenn Tim Cook sicherlich einen sehr guten Job als CEO macht - ein Präsentationsgenie wie Steve Jobs ist er sicherlich nicht. Das "Reality Distortion Field" rund um Steve Jobs zog Zuschauer in den Bann und es war nahezu egal, was Jobs ankündigt, es hörte sich wie die wichtigste Revolution aller Zeiten an. Jobs konnte sprichwörtlich einem verdurstenden Mann in der Wüste Sand verkaufen. Dieser Unterschied in den Präsentationen fällt normalen Nutzern vermutlich gar nicht auf. Apple-Fans hingen zu Jobs-Zeiten hingegen besonders gebannt dem ehemaligen CEO an den Lippen.
Diversifizierung = mehr uninteressante SachenIn den Anfangstagen von MacTechNews stellte Apple den Mac her. Und damals nur den Mac. Wer sich dafür interessierte, den betrafen auch alle Neuerungen aus dem Hause Apple. Dann kam der iPod. Dann das iPhone. Dann das iPad. Dann die Apple Watch. Irgendwann wohl das Apple-Auto. Mit jeder neuen Produktkategorie halten aber auch zwangsläufig Neuerungen Einzug, die nicht jeden interessieren. Sprich: Immer häufiger kommt das Gefühl auf, Apple widme sich nicht mehr mit voller Energie den Sachen, die man selbst am liebsten unter Hochdruck weiterentwickelt sähe. "Vernachlässigung einer Produktkategorie" ist spätestens seit dem Erfolgszug des iPods ein häufig geäußerter Kritikpunkt in den Foren. Wer sich heutzutage nur für den Mac interessiert, muss auf einer Keynote zum größten Teil Mac-fremde Themen verfolgen. Der Eindruck, es sei weniger spannend, kommt dabei automatisch.
Fazit... der RedaktionsdiskussionApple-Events waren vor einem Jahrzehnt noch ein größeres Erlebnis als heute. Ob dies allerdings Apples Schuld ist, sei einmal dahingestellt. Die Erwartungshaltung an Apple ist heutzutage so groß, dass komplett unfertige Lösungen nicht mehr auf den Markt gebracht werden können - und man es ebenso wenig als Innovation feiern würde, wenn massive Schwächen endlich beseitigt werden. Durch ganz neue Produkte und überraschende Neuerungen könnte Apple es allerdings dennoch schaffen, wieder die alte Faszination aufkommen zu lassen. Fragt sich nur, ob der heutige IT-Markt nicht so ausentwickelt ist, dass dafür kaum noch die Möglichkeit besteht. Eine Sache sollte man aber nicht vergessen: Auch damals gab es sterbenslangweilige Events, man denke nur an die Präsentation von "The Daily", Apples Bildungs-Event für Schulbücher, die Einführung des iMacs im Jahr 2004 oder Apple Expos in Paris, die weitgehend eine Wiederholung bekannter Dinge waren.