Kommentar zur Mac-Pro-Ankündigung: Eine neue Marketing-Strategie?
Heute Nachmittag ließen Phil Schiller und Craig Federighi eine PR-Bombe platzen: Ja, der Mac Pro erhält ein vollständiges Redesign. Ja, er wird noch diese Woche wenigstens ein kleines Hardware-Update erhalten. Ja, Apple steigt wieder in den Monitormarkt ein. Und ja, 2017 gibt es neue iMacs. Der Pressetermin klang wie ein mit konkreten Ankündigungen unterfüttertes Statement: Ja, der Mac hat hier noch eine Zukunft.
Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Vorgehen vollkommen untypisch für den Konzern ist. Vorankündigungen und Einblicke in die Pipeline waren geradezu unmöglich, Gerüchte wurden niemals bestätigt oder dementiert. Warum hat Apple die Marketing-Strategie nun so radikal geändert? Ein Erklärungsansatz.
Image-Schaden durch enttäuschende EventsDas Jahr 2016 sah insgesamt vier groß gefeierte Apple-Events: Im März stellte Apple iPhone SE und iPad Pro 9,7’’ vor, im Sommer folgte die WWDC und im Herbst dann das iPhone-Event und die Keynote für das MacBook Pro mit Touch Bar. Insbesondere an dem ersten und letzten dieser Termine lässt sich ein großes Dilemma für Apple ablesen: iPhone SE, iPad Pro 9,7’’ und MacBook Pro 2016 verkaufen sich allesamt gut, die Produkte sind beliebt. Doch bei beiden Events zeigte sich die Apple-Welt enttäuscht bis schockiert (auch die MTN-Umfragen zur Zufriedenheit mit den Events fielen niemals zuvor schlechter aus). Der Grund: Wieder keine iMacs! Wieder kein Mac Pro! Wieder kein Mac mini! Hat Apple überhaupt noch Interesse am Mac oder an den sogenannten »Pro-Usern«?
Der Mac Pro steht bis heute in der 2013er Ausstattung zum unveränderten Preis von mindestens 3.300 Euro im Store. Die Verärgerung der Kunden über derart hohe Geldforderungen für jahrealte Hardware wuchs. Viele waren sich sicher: Beim Mac Pro kommt nichts mehr, die schlachten nur noch die Überreste des einstigen Vorzeige-Macs aus. Nicht nur Abwanderungsbewegungen ließen sich an Marktzahlen messen, sondern insbesondere auch eine chronisch schlechte Stimmung bei den eigentlich sehr treuen Fans. Konnte man den Mac überhaupt noch seinen Freunden empfehlen?
Finanzielle Bedeutung des Macs gesunkenDas Image des Konzerns litt vor allem an der Unsicherheit, ob sich Apple überhaupt noch in den Feldern Mühe gab, die den Mac-Fans wichtig waren. Die heutige Ankündigung wirkte infolgedessen sofort wie Balsam für die Betroffenen, auch in den Kommentaren auf MacTechNews waren Kommentare wie »DAS ist das Apple, das wir aus der Vergangenheit so lieben« und »Friedensangebot« zu lesen.
Natürlich hat eine solche Ankündigung auch eine nicht zu unterschätzende Schattenseite. Wenn ich weiß, dass bald neue iMacs kommen, dann greife ich eher nicht zur aktuellen Generation. Vor 15 Jahren, als der Mac noch das alleinige Standbein Apples war, wäre dies ein Totschlagargument gewesen. Verspätungen und zu frühe Ankündigungen konnten das gesamte Geschäftsergebnis ruinieren. Heutzutage stellt der Mac nur noch eine vergleichsweise kleine Sparte im Apple-Portfolio ein. Innerhalb der Mac-Sparte ist wiederum der Desktop-Bereich nur mit etwa 20 Prozent vertreten. Die finanziellen Verluste durch Kaufzurückhaltung bei Produktankündigungen hält sich also in Grenzen. Womöglich war die simple Rechnung »Verluste durch Image-Schaden > Verluste durch Kaufzurückhaltung« einer der ausschlaggebenden Gründe für die heutige Presseveranstaltung. Bei delikateren Produkten wie etwa den MacBooks oder gar dem iPhone dürfen wir mit dieser Offenheit hingegen wohl nicht rechnen.