Ein 10faches Hurra für Apples Laptop-Wasserschutz
Das Ganze ist mir zwar schon vor einiger Zeit passiert, aber ich will es trotzdem nicht verheimlichen.
Folgendes Setting: Der Schreibtisch ist L-förmig, hat Standardhöhe, ist ca 70 cm tief und steht mit dem Rücken zur Wand. Genau im Winkel des L´s steht ein 19" Monitor und links davon ein selbstgebastelter Ständer für mein MacBook, darauf natürlich das MacBook. Direkt daran schließt sich ein Brett an, dass ich in der Absicht ein Regal zu konstruieren an die Wand geschraubt hatte. Darauf stehen einige Atlanten, Wörterbücher und anderer Krimskrams. Und eine Flasche Wasser.
Den Schreibtisch benutze ich natürlich nicht nur zum Arbeiten, aber an diesem Tag war ich gerade dabei meiner Abschlussarbeit die Kanten abzufeilen und die schlechtesten Formulierungen auszumerzen. Den Blick auf einen ganz besonders miserablen Satz geheftet, hebe ich meinen linken Arm und will nach dem Duden greifen. Die Finger umschließen das wuchtige Buch, der Arm bewegt sich rückwärts und das Ding gleitet aus der Bücherreihe. Und hinterlässt eine Lücke. Unmittelbar darauf stürzt das gesamte Arrangement wütend in sich zusammen. Die Atlanten kippen in die Lücke, stoßen dabei an das nächste Buch, drücken es zur Seite. Unerbittlich und erbarmungslos klabautern die Bücher wie eine Bande Betrunkener nach dem Apnoetauchen seitwärts, bis sie schließlich gegen die Wasserflasche stießen und sie umwarfen. Nun, Flaschen haben Deckel und hätte ich diese Flasche nach dem Trinken wieder verschlossen, wäre rein gar nichts geschehen. Aber das tat ich nicht und so ergoss sich der gesamte Inhalt fröhlich über die Tastatur meines MacBooks.
Mein Adrenalinspiegel befand sich schlagartig auf dem Maximum. Ich stieß mich aus dem Stuhl, brachte mich in eine aufrechte Position, versteifte mich und glotzte den Wasserschwall an. Das ist nicht wahr. Nein. Kann nicht sein. Nö. Mir passiert so etwas nicht. Und weil mir so etwas nicht passiert, muss die Realität hier einen Fehler machen. Ätsch.
Plötzlich schaltete sich das MacBook aus und riss meine Gedanken zurück in die Realität. Hektisch zerrte ich alle Kabel aus den Buchsen und schleuderte das Gerät um die eigene Achse, in der Hoffnung das Wasser heraus schütteln zu können. Anschließend griff ich nach dem Set kleiner Schraubenzieher, das jeder ordentliche Nerd auf dem Schreibtisch oder zumindest in einer Schublade hat, und drehte jede einzelne Schraube aus dem Gehäuse. Ich zerlegte das Gerät so weit, dass ich nur mit einem Lötkolben noch mehr Bauteile voneinander hätte trennen können.
Dann baute ich eine wilde Konstruktion aus einem Stuhl, einem Fön und etwas Klebeband. Das was vom MacBook übrig war, lag auf dem Stuhl und der Fön blies warme Luft darüber. Ich zitterte. Meine Gedanken sprangen von der verlorenen Abschlussarbeit zu den Nachtschichten in der Druckerei, die nötig waren um das Gerät zu finanzieren, von dort aus zu dem zynisch lachenden Prüfungsamtangestellten der Uni, der mir erklärt ich wäre heute schon der neunte, der mit dieser bescheuerten Ausrede den Abgabetermin verschieben möchte.
Überhaupt nicht dachte ich an das Time-Machine Backup, dass seelig auf der Platte unter dem Tisch schlummerte und erst recht kam mir nicht der Gedanke, dass mein herzallerliebstes MacBook die Augen noch einmal aufschlagen könnte und mich anstrahlt.
Ungefähr sechs Stunden lief ich nervöse Kerben in das Linoleum und schließlich schraube ich das Gerät wieder zusammen. Einfach so. Ich nahm den Schraubenzieher, probierte welche Schraube in welches Loch passte und nach erstaunlich kurzer Zeit stand ich ein wenig schwankend vor dem Gerät, dass aussah, als wäre nichts geschehen.
Ich drückte den Knopf.
Jeder von uns kennt den Mac-typischen Startsound, der ertönt wenn das Gerät eingeschaltet wird. Und fast jeder wird sich noch daran erinnern, wie es war, als er zum erstem Mal diesen Ton hörte. Erhebend und ein wenig befriedigend bestätigt er uns, das wir uns absolut richtig entschieden haben. "Ich", so scheint er zu sagen, "werde dein Freund sein. So lange Strom durch meine Dioden fließt werde ich mein Bestes tun um dich zu unterstützen." Ein bescheidenes und doch so reiches Geräusch.
Ich drückte also den Knopf. Was ich dann hörte lässt sich im Grunde nicht beschreiben.
Fanfarengleich und triumphierend schmetterte mir das Gerät den Startsound entgegen. Es klang für mich wie alle verdammten Opern zusammen - in Ultra-Dolby-3D-Surround-wasweisich.
"Ich bin noch da", rief es, "verlass dich auf mich."
Ich quiekte. Es ist mir ein wenig peinlich, aber ich quiekte tatsächlich und kicherte unbeherrscht. Der Apfel erschien, dann das kleine Rädchen darunter. Es drehte sich einige Male und schließlich floppte der Schreibtisch auf, im Dock sprangen die Symbole auf und ab, als jubilierten sie mit mir und schließlich öffnete sich Pages. Der Cursor blinkte geduldig dort wo ich ihn hinterlassen hatte und er schien mich aufzufordern wieder an die Arbeit zu gehen.
Dazu war ich überhaupt nicht in der Lage. Stattdessen tätschelte ich an dem Gerät herum, prüfte ob es irgendwo zu warm war, oder zu feucht, oder sonst irgendeine Unregelmäßigkeit vorlag. Alles war in bester Ordnung. Fassungslos und mit dem Hochgefühl des absoluten Glücks nahm ich endlich zur Kenntnis, dass mein MacBook absolut fehlerfrei funktionierte. Es war ein großartiges Gefühl.
Ich bin fest davon überzeugt, dass irgendein Schutzsystem das Gerät gerettet hat. Aber es ist mir total egal. Ich weis nur eins: Es funktioniert und ich kann mich darauf verlassen. Und das ist grandios.
Heute schreibe ich diese Zeilen in einem ganz ähnlichen Setting wie damals, nur das Regal ist weg und die Bücher stehen hinter mir. Und falls die Flasche meint sie müsse umfallen, dann wird der Boden eben ein wenig nass.