1 1/2 Monate mit dem iPad. Ein Erfahrungsbericht.
Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass ich kein iPad kaufen würde. Mir war offen gestanden nicht klar, wozu ich - neben iMac, MacBook und iPhone - auch noch ein iPad brauche.
Dummerweise war ich Anfang April in Las Vegas. Und zufällig im Apple Store. Und nach kurzer Zeit kam ich mit 499,- $ weniger, dafür aber dem 16GB WiFi Gerät aus dem Store wieder heraus.
Ganz klar: das iPad ist ein Gerät, was man eigentlich nicht braucht, aber unbedingt haben möchte. Wer sich überlegt, ob das iPad in die hauseigene IT-Landschaft passt, der mag meine ganz persönlichen Erfahrungen aus den letzten 1 1/2 Monaten hilfreich finden. Wie gesagt, das sind ganz subjektive, persönliche Erfahrungen.
In Las Vegas sollte ich auf einer Konferenz einen Vortrag halten. Ich hatte 2/3 davon mit Keynote fertig gestellt, hatte aber keine Lust, bei dem guten Wetter im Zimmer zu hocken. Also zunächst mal iWork auf dem iPad installiert, die Präsentation per iTunes überspielt (musste allerdings 30 Minuten googeln, um rauszufinden, wie das geht) und mich dann in einen Liegestuhl an den Pool gelegt. Das hatte was. Und ich hatte Gelegenheit, gleich produktiv mit dem neuen Gerät loszulegen.
Mein Verhältnis zu den iWork-Programmen auf dem iPad ist - wie soll ich sagen - gespalten. Einerseits finde ich es grandios, wie man die Bedienung umgesetzt hat. Intuitiv, schnell, funktional - muss man mal gesehen haben. Andererseits haben die Applikationen noch jede Menge Optimierungspotential. Das fängt damit an, dass Keynote nicht wirklich identisch auf dem Mac und dem iPad ist. Es gibt bspw. keine Gruppierungen von Elementen. Und wenn die vorher animiert waren, sind sie es danach nicht mehr. Es fehlen auch immer Schriften, so dass man immer eine Präsentation nachbearbeiten muss. Und man kann nicht einfach mal eine Version vom Mac auf das iPad spielen, dort bearbeiten und dann wieder auf dem Mac weiter bearbeiten, weil dann doch eine Menge zerschossen ist. Man muss schon ganz leicht gestört - oder sagen wir: sehr enthusiastisch - sein, um den Mehraufwand in Kauf zu nehmen (ich gehöre leider in diese Kategorie). Aber egal: Ich habe den Vortrag auf dem iPad vorgeführt (VGA-Adapter: 29,- , es hat wunderbar geklappt und wenn schon die Teilnehmer sich nicht mehr genau an den Inhalt meiner Präsentation erinnern werden: Danach kannte mich dort jeder.
Ähnliches gilt für Pages. Über weite Strecken genial, aber keine echte Kompatibilität zu Mac-Version, keine Bearbeitung von Formatvorlagen, kein Drucken. Was wirklich dämlich ist, da das iPad eigentlich der ideale Computer für meine Eltern wäre, wenn man aus Safari und Pages drucken könnte. Numbers finde ich persönlich am besten. Ich habe die gesamte Statistik unserer Disc-Golf Runde auf 7 Seiten komplett auf dem iPad erstellt und dort alle Daten eingegeben. Und auf iWork.com veröffentlicht. Aber dass man von Numbers auf dem iPad nicht nach Excel exportieren kann, ist dann doch etwas irritierend.
Dennoch: Ein guter Anfang, alles ist Software und Apple wird da ganz sicher nachlegen. In 1-2 Jahren werden die Programme bestimmt auch für die breite Masse brauchbar sein. Hoffentlich.
Viele sind der Meinung, dass das iPad vor allem zum Konsumieren von Inhalten geeignet. ist. Das ist bestimmt nicht falsch, wird dem Gerät aber nicht ganz gerecht. Wenn ich bei Kunden bin (ich bin Consultant in der IT-Branche, falls ich das noch nicht erwähnt habe), dann mache ich mir lieber auf dem iPad Notizen als auf dem MacBook. Das stört auf dem Tisch viel weniger und errichtet keine Barriere zwischen mir und meinem Gesprächspartner. Und wenn mir der Gesprächsstoff ausgeht, kann ich immer noch das iPad rumgeben.
Trotzdem liegen die Stärken natürlich grade im Bereich surfen, lesen, spielen und Videos schauen. Ich lese grade „Off Armageddon Reef“ von David Weber. 800 Seiten (in der Taschenbuchausgabe), also eher keine Kurzgeschichte. Ich wollte einfach mal sehen, ob es das bringt oder nicht. Auch hier ein klares sowohl als auch. Macht auf jeden Fall mehr Spaß, als ich dachte. Mich persönlich stört es nicht allzu sehr, dass es ein LCD-Bildschirm ist. Die Schrift ist prima, man kann aus 5 verschiedenen Schrifttypen wählen, vergrößern und verkleinern, Lesezeichen setzen und was ich wirklich prima finde: Man hat ein englisches Wörterbuch dabei. Ich kann schon mal ein Buch auf englisch lesen, aber mein Wortschatz hat Grenzen. Und hier: Einfach Wort antippen und man bekommt eine (englische) Erklärung. I love it. Aber das Gerät ist dann doch etwas schwerer als ein Buch, d.h.: über längere Zeit in der Hand halten ist nicht. Aber im Bett, auf dem Sofa, im Zug oder Flugzeug findet man immer eine akzeptable Position.
Kommen wir zu den Nachteilen. Mein Favorit in dieser Kategorie: das spiegelnde Display. Kein Problem in geschlossenen Räumen oder bei bewölktem Himmel. Aber bei strahlendem Sonnenschein oder hellen Punktleuchten in Decken verwandelt sich das iPad in einen Spiegel. Und dann macht es deutlich weniger Spaß, trotz des wirklich hellen Displays. Und in die Badewanne habe ich es auch nicht mitgenommen.
Surfen, Emails - das macht auf dem Sofa sogar mehr Spaß als an meinem 27“ iMac. Videos sind fantastisch - ich sehe grade Lost auf dem iPad (obwohl Charlie grade gestorben ist am Ende der Staffel 3, aber das nur nebenbei). Nachteil: Siehe den Abschnitt mit dem spiegelnden Display.
Ich habe ein paar Applikationen geladen, hier sind meine Highlights:
GoodReader: Zugriff auf die Daten von MobileMe und DropBox - ein MustHave.
Clinometer: Die perfekte Wasserwaage, noch besser zum Angeben
Marvel: Für alle Comic Fans
Real Racing HD: Schon prima auf dem iPhone, noch besser auf dem iPad
Harbor Master HD: So etwas wie Flight Control mit Schiffen, kostenlos
Pinball HD: 3 Flipper, die richtig Spaß machen
Scrabble: Scrabble? Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mal dafür Geld ausgebe. Macht aber mehr Spaß, als das Brettspiel. Kann auch gegen den Computer spielen, ist aber der Hit gegen „echte“ Gegner. Der Score wird automatisch gezählt (das habe ich immer gehasst) und die gelegten Worte werden mit dem eingebauten Wörterbuch abgeglichen (endlich keine Diskussionen mehr...). Und man kann sich kostenlos auf das iPhone oder iPod Touch das „Tile Rack“ laden, das simuliert dieses Plastikding, auf dem man die Buchstaben anordnet.
Zum Schluss noch ein Tipp: Plant unbedingt den Kauf einer Hülle mit ein. Ich hatte in Las Vegas keine mehr bekommen (ich wollte die Apple-Hülle haben), und habe jetzt schon einen dicken Kratzer drin - keine Ahnung, wie das passiert ist.
Trotz aller Kritik: Ich würde das iPad nicht mehr hergeben. Man kann viel an der Software optimieren, aber die Hardware ist schon für die Version 1.0 ziemlich gelungen. Die Akkulaufzeit ist wirklich so gut wie immer behauptet wird. Aber warum es unbedingt ein spiegelndes Display sein musste...
Aber man hat irgendwie das Gefühl: Hey, genau so werden Computer in Zukunft aussehen. Nicht für alle Anwendungszwecke, aber dass die Apple-Aktie deswegen nachgibt, erwarte ich persönlich nicht.