Mobile Datendienste boomen weltweit. Spätestens seit dem iPhone ist das mobile Surfen demokratisiert worden. Erschwinglich, intuitiv bedienbar und jedem zugänglich der ein geeignetes Endgerät besitzt – und das muss kein iPhone sein.
Heute surfen bereits 10 Millionen Handy Besitzer in Deutschland mobil im Netz. Das sind rund 17% aller Handy-Besitzer.
4 Millionen Smartphone Nutzer greifen regelmäßig auf Apps zu, und werden bis Ende des Jahres 755 Millionen Apps heruntergeladen haben.
Das Gesamtübertragungsvolumen mobiler Datendienste wird in 2010 121 Millionen Gigabyte entsprechen. Das ist fast dreimal so viel wie im Vorjahr und das zehnfache wie im Jahr 2008!
Auf der Handyrechnung macht sich das mobile Surfen ebenfalls bemerkbar – und damit auch bei den Umsätzen der Mobilfunkanbieter.
So beträgt der Anteil der mobilen Internetnutzung in 2010 bereits 16% am Gesamtumsatz der Mobilfunkanbieter. Gemessen an den Non-Voice Umsätzen (29%) ist das erstmals mehr als die SMS (13%) zu den Umsätzen beisteuert.
In Summe verdienen die Mobilfunanbieter damit 3,86 Milliarden Euro mit allein mit dem Bereitstellen von mobilen Datendiensten. Umsätze aus Content und Diensten sind darin nicht enthalten.
Aber was die wesentlichen Gründen für diesen Boom? Drei Ursachen sollen hier besonders hervorgehoben werden:
1. Schnellere ÜbertragungstechnologienKein Geheimnis: Das schnelle Laden von Inhalten macht das Surfen unterwegs überhaupt erst attraktiv. Hohe Verbindungsgeschwindigkeiten sind seit den Mobilfunkstandards der dritten Generation (3G, in Europa in Form von UMTS) verfügbar geworden.
Der Mobilfunkstandard der 2. Generation (2G, eingeführt 1992) war noch primär für die reine Sprachübermittlung ausgelegt. Dies zeigte sich an den sehr geringen Datenübertragungsraten sowie an der zeitbasierten Abrechnung für die Nutzung mobiler Datendienste. So hätte beispielsweise das Herunterladen von Musikstücken eine Ladezeit von über 15 Minuten pro Lied erforderte und Kosten von über 25 Euro verursacht.
Im Jahre 2000 folgte eine Weiterentwicklung des 2G Standards in Form eines neuen Standards für die Datenübertragung. Der GPRS Standard als auch der EDGE Standard setzen auf eine paketvermittelte Datenübertragung. Neben mehr Geschwindigkeit bedeutet dies die Ermöglichung von volumenbasierter Abrechnung von Datendiensten – eine wichtige Grundlage der heute gängigen Tarife.
Der 3G Standard bringt in Bezug auf die Datenübertragung nochmals einen erheblichen Geschwindig-keitszuwachs. Die höheren Datenübertragungsraten ermöglichen Geschwindigkeiten, die annähernd denen von Breitbandverbindungen entsprechen.
2. Neue EndgeräteJa, man könnte dieses Thema eigentlich auch mit dem namen „iPhone“ abhaken. Doch Smartphones gab es auch schon vor dem iPhone, und erst recht nach dem iPhone.
Diese neue Gattung mobiler Endgeräte ist konsequent für den mobilen Zugriff auf Datendienste entwickelt worden. Zudem sind die Endgeräte gleichzeitig wesentliche Treiber der Datendienste, wie das Beispiel des iPhones verdeutlicht: Gemessen am Datenvolumen lag im November 2009 der Marktanteil des iPhones weltweit bei 55% (AdMob). Der hohe Anteil an der mobilen Internet-Nutzung ist dabei vor dem Hintergrund zu sehen, als dass der Marktanteil des iPhones gemesen an der Stückzahl weltweit im 2. Quartal 2009 bei nur 2% lag. Es wird also deutlich, dass die Nutzung der Datendienste von der Verfügbarkeit geeigneter Endgeräte abhängt.
Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der Smartphones an den Mobiltelefonverkäufen in Zukunft stark ansteigen wird. Laut einer Studie von TNS Infratest (2010) planen rund 45% aller Deutschen den Kauf eines neuen Mobiltelefons in 2010. Die Absatzzahlen der Smartphones werden Prognosen zu Folge in 2010 um 46% auf 8,2 Millionen Stück wachsen (Bitkom 2010).
Damit werden immer mehr Mobilfunknutzer über ein Endgerät verfügen, dass die Nutzung mobiler Datendienste ermöglicht bzw. deutlich erleichtert.
3. Günstigere TarifeEin weiterer Faktor für die Akzeptanz mobiler Datendienste ist die Entwicklung der Tarife: Die Preise für mobile Datendienste sind seit Einführung des UMTS Dienstes kontinuierlich gesunken. So betrug der durchschnittliche Preis für einen Megabyte Datentransfer im Jahr 2009 10 Cent, im Jahr 2007 waren es noch rund 40 Cent.
Neben den Abrechnungsmodellen nach Volumen oder Zeit dominiert zunehmend das Flatrate Modell, bei dem eine nutzungsunabhängige Pauschale zu entrichten ist. Dies macht die Kosten für die Nutzer transparent, Kostenfallen und böse Überraschungen können so weitestgehend vermieden werden.
Es sei denn, man surft im Ausland…
Abschließend soll kurz beleuchtet werden, welche Folgen der Boom des mobilen Internets für die Branche hat. Hier können natürlich nur einige wenige Dinge benannt werden, die besonders relevant sind.
1. Neuverteilung der WertschöpfungVor dem Zeitalter der Smartphones gab es praktisch keine massentaugliche Möglichkeit, das Internet mobil zu nutzen. Stattdessen gab es WAP.
WAP war und ist eine Art „Mini-Internet“, dass typischerweise vom Mobilfunkbetreiber angebotene Inhalte bietet. Das Geschäftsmodell war ein Walled-Garden: Die Nutzer konnten nur vom Portal des Providers (T-Zones, iMode,…) auf ausgewählte Dienste und Inhalte zugreifen. Alles andere, was außerhalb dieses Walled-Gardens lag, war nicht erreichbar. Die Mobilfunkanbieter kontrollierten also das gesamte Angebot:
Mit den weiter oben beschriebenen Entwicklungen wurde das Internet mobil nutzbar. Die Folge: Die Platzhirsche des Netzes und digitalen Content-Businesses strömen in die mobile Wertschöpfungskette und machen den Mobilfunkern die Hoheit über die mobilen Services streitig. Apple verfügt beispielsweise durch iTunes sogar über eine direkte Kundenbeziehung zu seinen iPhone Nutzern und bietet zahlreiche Inhalte zum Kauf an. Apple schneidet sich damit ein gehöriges Stück von der Wertschöpfung mobiler Datendienste heraus.
Google dagegen bietet mit seinen VoIP Diensten sogar eine direktes Konkurrenzprodukt zum Kerngeschäft der Mobilfunkanbieter an. Und Apple legt mit seinem Video-Telefoniedienst nach.
2. Mobilfunkanbieter verlieren an BedeutungDie Mobilfunkanbieter werden durch den Eintritt zahlreicher neuer Anbieter von Diensten und Inhalten zunehmend austauschbar. Welche SIM-Karte im Smartphone steckt, ist für die Nutzung von mobilen Diensten paraktisch belanglos geworden.
Daher droht den Mobilfunkanbietern die Rolle von mobilen Internetserviceprovidern (ISPs) zu zufallen: Austauschbar, primär durch den Preis zu unterscheiden. Damit wiederholt sich im mobilen Netz die Geschichte von AOL: Das einstige Tor zum Internet mit einem eigenen Angebot an Inhalten und Services wurde von der Vielfalt des Netzes und den unzähligen Anbietern vom Markt gefegt.
3. Das Ende der Flatrates?Es wurde schon angedeutet: Durch den Boom der mobilen Datendienste ist die Auslastung der mobilen Netze in die Höhe geschnellt. Seit der Einführung des iPhones kam es bei AT&T in den USA beispielsweise wiederholt zu Netzzusammenbrüchen wegen Überlastung.
In den USA beanspruchten mobile Datendienste im Jahr 2008 bereits fast 70% der Übertragungskapazitäten, steuerten allerdings nur 14% des Umsatzes bei.
Die Mobilfunkanbieter werden schon in naher Zukunft gezwungen sein, ihre Netze auszubauen und in neue Technologien wie LTE zu investieren, um die Nachfrage nach schnellen mobilen Breitbandverbindungen zu befriedigen.
Doch die Umsatz-Kosten-Schere macht das wenig attraktiv. Daher ist mittelfristig ein Ende der Flatrate-Party abzusehen. In Zukunft werden mobile Datentarife nicht nur nach einem bestimmten Volumen gedrosselt, sondern es wird auch eine Differezierung bei den Geschwindigkeiten geben. Vodafone hat hier mit seinen neuen Tarifen (ab 1.12.2010) die Voreiterrolle übernommen.
Andere werden sicherlich folgen.
Die zukünftige Rolle der Mobilfunkanbieter wird und ist schon jetzt eine andere als in der Vergangenheit. Die Wahl des Netzbetreibers spielt nur noch eine untergeordnete Rolle und wird auch bei mobilen Datendiensten stark vom Preis beeinflusst. Schaffen die Mobilfunkanbieter es nicht, sich durch exklusive Inhalte oder Endgeräte zu differenzieren, werden sie wie einst AOL, drastisch an Bedeutung verlieren und wie ein ISP nur noch für das reine Zugangsgeschäft zuständig sein (Bit Pipe).Blog des Autors
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