Nur noch einmal links abbiegen, dann habe ich es geschafft. Ich werde zwischen den beiden Pfosten, wo wir uns verabredet haben, langsamer, steige ab meinem geliebten, vielleicht 50 Jahre alten Damenvelo und verstecke es im nächsten Gebüsch. Dann warte ich. Ich warte auf eine mit Reitstiefeln bekleidete und 50 Fr. tragende Klassenkameradin von mir. Die Reitstiefel, beziehungsweise das Reiten, ist ihr Hobby. Die 50 Franken sind wegen - und darum geht es hier - unserem Film. Meine Klassenkameradin ist nämlich die Finanzverwalterin unseres Filmes, und sie übergibt mir gerade ⅙ unserer bisherigen Sponsoren-Einnahmen. So komme ich wieder zurück zu meinem eigentlichen Thema: Nachdem bange 10 Minuten verstrichen sind, tauchte Sie endlich auf, gab mir das Geld und husch - war sie wieder weg.
Deshalb nahm auch ich mein so geliebtes Damenvelo und fuhr zur Post. Dort kam ich etwas ausser Puste an und ging zum Schalter, wo eine etwas pummelige, dafür aber ausgesprochen nett ausschauende Frau auf Kundschaft wartete. Ich muss zugeben, ich fühle mich schon nicht schlecht, als ich ein Couvert, Format C5, Vorfrankiert und mit Sichtfenster bestellte. Und als mich die Frau mit dem Post-Logo auf dem Arbeitspullover nach der Anzahl der Vorfrankierten, mit Sichtfenster bestückten C5-Couverts fragte, und ich mit Einundzwanzig antwortete, wuchs ich bestimmt um 10 cm.
Nach dem ich schweren Herzens fast 30 Franken für diese Couverts ausgab,
fuhr ich schnell nach Hause.
Ich setzte mich vor unseren Schnittcomputer, ein iMac Alu 24“, ausgestattet mit Final Cut, wo ich nach anstrengenden Dreharbeiten unseren Film schneide. Diesmal aber hatte ich kein neues Videomaterial, sondern diese 21 Couverts, für die 21 Briefe bestimmt sind.
Deshalb öffne ich Pages, mit samt dem ersten dieser Briefe. Ich bin angespannt und verkrampft, als ich den Brief zum hunderttausendsten Mal durchlese, bevor ich die Tasten Befehl und P drücke. Der Drucker springt an, „saugt“ das Papier ein und Druckt darauf den 1. Sponsorenbrief, einer von 21, die ich zusammen mit meinem Kollegen innerhalb von 5 Nachmittagen schrieb, danach von einer Praktikantin (nochmals Dank an Sie, Frau Bassler) korrigiert wurden, und schliesslich ausgedruckt werden.
Ich glaube, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich fühlte, als ich das aus dem Drucker gekommene Stück Papier nehme, und es zum Couvert trage. Ich hätte einen Mac Pro mit 30“ Cinema Display weniger sorgfältig getragen, als dieses Stück Papier. Denn ich weiss: Wenn uns Pirando, unser erster Sponsor und unsere erste Präsentationsmöglichkeit absagt, dann ist es aus mit unserem neuen Spielfilm.
Ich stecke den Brief in das Couvert, ärgere mich über die bescheuert kindisch aussehende Briefmarke darauf, und schwinge mich so sorgfältig wie schon lange nicht mehr auf meinen Drahtesel, und fahre zur Post. Es ist genau 6 ab 6 (18.06 Uhr) als ich dort ankomme. Auf dem Weg traf ich übrigens noch den Gemeindepräsidenten, und etwas vorher baute ich fast einen Unfall, da bei meinem 50-Jährigen Velo die Bremsen zwar quietschten und schrieen wie ein Krokodil mit Zahnschmerzen, dafür aber so gut bremsten wie eine Lokomotive, die auf Butter fuhr.
Ich nehme das Couvert unter meiner Jacke hervor, öffnete die Klappe vor dem Briefkasten, der mir vorkam wie ein hungriges Biest: Es will deinen Brief, und wenn es ihn einmal hat, dann gibt es kein Zurück und Aber mehr.
Und dann tat ich etwas, was ich schon lange nicht mehr tat. Ich betete. Ich betete die Zeilen, die ich noch vom Religionsunterricht gelernt habe: Unser Vater im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden…
Danach warf ich den Brief ein, schraubte noch kurz an den Bremsen herum und stieg dann, voller Zuversicht, auf mein Damenvelo.
Ein Tag später:
Meine Zuversicht hat sich nicht getäuscht. Um 17.26 flattert eine Mail in meinen digitalen Eingang:
Lieber Jann, liebes Felben-Film Team
Vielen Dank für eure Informationen zum eurem neusten Filmprojekt. Der Titel "Prüfung! oder wie man reich werden (könnte)" klingt vielversprechend. Zu eurer Anfrage haben wir einen guten und eine schlechten Bescheid.
Zuerst das Negative: Leider können wir euch nicht mit Geldbeiträgen unterstützen.
Nun das Positive: Wir sind sehr interessiert, euch bei den Dreharbeiten zu besuchen und darüber im Pirando zu berichten. Natürlich steht es euch offen, regelmässig in einem Blog über euren Film zu berichten. Mit diesen beiden Aktionen könntet ihr doch immerhin auch eine gewisse Öffentlichkeit erreichen.
Also, meldet euch bitte bei uns, falls euer Projekt zustande kommt und/oder bloggt fleissig auf drspirando.ch.
Wir wünschen Euch viel Glück und Erfolg!
Ich wahr echt glücklich, rief meinen Kollegen an, machte Luftsprünge und ich schickte drei neue Briefe ab: Einen an die Polizei, einen an die SBB und den letzten an einen Spital in unsrer nähe.
Wie die Rückmeldung auf diese Briefe und auf weitere ausfallen, wieso wir zur Zeit nicht filmen können und trotzdem Film-Stress haben und was wir sonst noch zu meistern haben, das erfahrt ihr im nächsten Teil.
Nun aber trotzdem noch etwas: Die Story, eine etwas radikal verkürzte Version unseres Drehbuches:
Es fängt alles damit an, dass die Clique „Check“ einen Schulhausschlüssel finden, mit dem sie jederzeit ins Schulhaus kommen. Und so entdecken sie dann auch den längst vergessenen Zivilschutzkeller, welcher genau unter dem Neubau der Schule liegt.
Doch auch wenn kein Mitglied der „Check“ es ahnt, es gibt jemand, der genau weiss, dass die Clique einen Schulhausschlüssel besitzt: Die zwei gefährlichen Schläger Tim und Tschaggo.
Als dann der Klassenlehrer eine schwierige Aufnahmeprüfung für die Sek E ankündigt, wird es gefährlich: Tschaggo und Tim stellen die Aussenseiterin Julia an, den Schulhausschlüssel von der „Check“ zu klauen, damit sie ins Schulhaus eindringen und die Prüfungslösungen klauen können.
Doch das kriegt die „Check“ mit und versucht, in einer nächtlichen Aktion die beiden zu erwischen. Werden sie es schaffen? In all diese Aufregung kommt dann auch noch Liebe, Hass und vor allem ein schrecklicher Unfall ins Spiel.
Für alle die jetzt mehr wissen wollen: Besucht mal die Seite