Spieglein, Spieglein an der Wand
Vor mir steht ein iMac der allerletzten G5-Generation. Das war die Generation, die völlig überraschend nur ein paar Monate gebaut wurde, weil sie - wiederum sehr überraschend - auf der Keynote im Januar 2006 durch den ersten Intel-iMac ersetzt wurde. Und ich hatte meinen iMac ausgerechnet zu Weihnachten 2005 gekauft, also knapp drei Wochen vor dem überraschenden Ende des PowerPC-Prozessors im Mac.
Wer je vor einem Intel-iMac gesessen hat, der weiß, daß dieser deutlich geschmeidiger zu Werke geht, als der G5-iMac, dessen einer CPU-Kern ständig überfordert scheint. Deswegen war ich - dieses Mal wenig überraschend - ziemlich verärgert, daß ich den iMac zum falschen Zeitpunkt gekauft hatte. In wenigen Wochen schreiben wir nun das Jahr 2008 und es wäre vertretbar den G5-iMac auf's Altenteil zu schicken. Mein Problem ist nur: Apple will mich nicht als Kunden haben, denn alle Geräte - bis auf die MacBook Pros - sind verspiegelt. Das will ich mir und meinen Augen nicht zumuten, ansonsten hätte ich mir vermutlich schon dieses Jahr einen Nachfolger für den schnarchnasigen G5-iMac gesucht.
Daß Apple von diesem eigenartigen Spiegeltrip wieder runterkommt, ist mittelfristig leider nicht zu hoffen, denn glaubt man den Gerüchten, gefällt Steve Jobs diese Eigenschaft, über die man in der Anfangszeit der Computerei schon mächtig geschimpft hatte. Bis die entspiegelten Displays für jedermann erschwinglich wurden. Heute dagegen gefällt sich die moderne Konsumentenwelt darin, sich überall in den Gegenständen wiedererkennen zu können. Ob das eine tiefenpsychologische Komponente besitzt? Wäre vielleicht interessant darüber nachzudenken.
Da ich über das Alter der Eitelkeit schon hinweg bin - zumindest über manche Eitelkeiten -, gefällt es mir überhaupt nicht, wenn ich mich im Monitor ständig selbst wiederfinde. Ein spiegelnder Monitor kommt mir daher nie, nie, niemals ins Haus. Punkt. Und wenn Steve Jobs auf offener Bühne seinen Rollkragenpulli aufißt, bei mir beißt er damit auf Granit.
Was tun? Guter Rat ist bekanntlich teuer. Dieses Mal könnte er für Apple teuer werden. Na ja, nicht wirklich teuer, wenn man es finanziell sieht. Sie könnten einen Kunden verlieren. Ich hoffe zwar weiterhin auf einen starken Erfolg von Apple, finanziell gesehen, da ich selbst Aktien von ihnen besitze. Allerdings beginne ich - langsam zwar und der Erfolg ist nicht gewiss - mich von Apple als Kunde zu emanzipieren.
Dabei war ich mehrere Jahre sehr glücklicher und zufriedener Mac-Anwender. Seit 2001 um genau zu sein. In der Zeit davor hatte ich mehrere Generationen von selbstzusammengestellten PCs mit Windows verschlissen. Die Ärgerlichkeiten und Probleme mit diesen Windows-Rechnern wurden immer größer, die Zeit die sie in Anspruch nahmen, um überhaupt zu laufen, wuchs immer mehr. 2001 war die Frustschwelle überschritten, denn mit OS X war endlich ein Mac-Betriebssystem erschienen, das modern war, unter der Haube schlug ein Unix-Herz, und bezahlbar waren die Preise nun auch geworden - obwohl das iBook damals verglichen mit heute sehr teuer war: umgerechnet 2250 Euro hatte ich dafür bezahlt. Zur Alternative war der Mac allerdings erst durch OS X geworden, denn der Umstieg auf das antiquierte MacOS früherer Tage wäre für mich nie in Betracht gekommen.
Das erste Erfolgserlebnis dieses Impulskaufs hatte ich mit dem Videoschnitt. Ein Urlaubsvideo schlummerte schon ein paar Jahre im Regal, weil die Windows-Software so viel Masochismus verlangte, wie ich aufzubringen nicht bereit war. Mit eher verhaltener Hoffnung verband ich den Camcorder mit meinem iBook ... und fand mich eine halbe Stunde später schon mitten im Schneiden wieder. iMovie war für mich die Einstiegsdroge zum Mac, denn die leichte Bedienbarkeit hat mich einfach mitgerissen.
Danach folgte ein PowerMac G4, der schönste den es gab, wie ich finde: einen Quicksilver. Mit zwei Prozessoren, die mit 800 MHz ihre Arbeit verrichteten. 2005 dann der iMac, 2006 ein MacBook Pro mit 17" als Ablösung für das iBook, das fortan nur noch zum Surfen auf dem Sofa diente. Von 10.1 bis 10.4 wurde das OSX-System immer runder, angenehmer. Ab 2007 wird meine Zustimmung zu Apples Mac-Plattform etwas verhaltener: die Spiegel halten Einzug, OS X.5 erblickt das Licht der Welt und trübt meine Stimmung. Denn erstmals mit 10.5 geht mir das "Du hast Probleme mit Windows? Du Armer, ich habe einen Mac, da passiert sowas nicht." nicht mehr so leicht über die Lippen. Mein 10.5 zickt. Was OS X noch nie getan hat, jetzt mit 10.5 tut es auch das. Manche Programme funktionieren nicht mehr und verlangen nach teuren Auffrischungen, manche laufen nicht mehr und werden es auch nie mehr, da es keine neueren Versionen mehr geben wird. Manche Programme laufen, aber benehmen sich eigenartig. EyeTV zum Beispiel stellt ab und zu die Wiedergabe des Tons ein. OmniWeb öffnet bei aktiviertem "Spaces" mal ein Fenster hier, mal ein Dialogfenster dort. Und Apple gefällt sich zum ersten Mal seit ich OS X kenne darin, die Oberfläche zu verschlechtern, anstatt sie zu verbessern. Spiegelnde Oberfläche im Pseudo-3D-Dock, transparente Menüleiste, nicht unterscheidbare Ordnersymbole ... damit kommt keine große Freude auf.
Erschwerend kommt noch hinzu, daß ich mich seit ein paar Monaten beruflich verstärkt (wieder) mit Linux - genauer gesagt: Debian GNU/Linux - befasse und es schätzen gelernt habe. Zumindest für reine Server-Anwendungen. Die Crux an den diversen Linux-Distributionen ist nicht die Tauglichkeit für Serveranwendungen, sondern auf dem gemeinen Desktop. Jahre sind ins Land gegangen, aber auf dem Desktop hechelten die Linuxe immer Windows hinterher, ohne es je einzuholen. Der Abstand ist inzwischen allerdings geringer geworden. Zumindest rein optisch. Immer noch ist beim Desktop-Linux zuviel Hintergrundwissen und Handbuchstudium nötig, um es für Normalnutzer attraktiv zu machen.
Trotzdem: ich habe mir vor ein paar Wochen zum allerersten Mal einen Rechner gekauft, auf dem kein Apple-Logo prangt. Keinen Ersatz für meinen iMac. Soweit bin ich noch nicht. Noch nicht. Es ist ein kleines schnuckliges Gerätchen, ein Thin-Client von Gigabyte, mit Flash-Speicher als Festplattenersatz und einem Debian 4.0 als Betriebssystem. Gekostet hat es mich weniger als die Hälfte eines Mac mini - der zugegebenermaßen in einer anderen Klasse spielt, aber für meinen Zweck ist der Thin-Client genau das richtige Gerät. In den nächsten Monaten werde ich nun Debian bzw. seinen Bruder Ubuntu im Desktopeinsatz genauer unter die Lupe nehmen. Und falls Apple weiterhin nur Spiegel produziert ... werde ich im kommenden Jahr eine Entscheidung fällen müssen.
Spieglein, Spieglein an der Wand ...