"Schaaaaatziiiiii? Wohin fahren wir dieses Jahr in Urlaub?"
Uff. Da waren sie wieder, meine drei Probleme. Urlaub. Das Unwort. Das jährliche Unereignis. Das 'Un-' überhaupt.
Schon die Suche nach dem Urlaubsort ist die Hölle (und in der Hölle ist es wenigstens warm. Garantiert. Ohne die Notwendigkeit, eine Regenversicherung abzuschließen. Oder eine Reiserücktrittsversicherung. Oder Gepäckversicherung, Auslandskrankenversicherung, Flugausfallversicherung, Haftpflicht, Insassen-, und was weiss ich noch).
Wir wälzen Kataloge, rufen hunderte von Internetseiten auf, fragen Bekannte, sichten alte Fotos. Auf dem Wohnzimmertisch stapeln sich Prospekte: Costa Brava, Umbrien, England, CenterParcs, Roompotparks, Sun Parcs, Campingplätze. Fährenabfahrzeiten und -preise.
"In Mallorca war es doch sooo schön warm, und in Tossa war das Wasser und der Strand sooo schön. Oder in Ungarn war es immer über 40 Grad, und das Essen war suuuper preiswert."
Einige Großstädte standen schon als erledigt auf unserer Liste: London, Paris, Barcelona, Amsterdam, Berlin, Budapest, Rom, Kopenhagen, Bratislava, Wien, Sydney, Brüssel.
Wir zogen es immer vor, mit dem Auto zu reisen, um am Zielort flexibel zu sein. Lediglich in Mallorca und Australien nahmen wir uns einen Mietwagen, weil man da nicht ganz so gut mit dem Auto hinkommt. Daher schauen wir bei möglichen Zielen immer zuerst nach Appartements, so konnte zumindest bei der Verpflegung wenig schief gehen.
Sicher, es gibt noch viele Ziele, die man anfahren kann, aber die Zeit wurde knapp. Selbst die Last-Minute-Angebote waren schon vorbei. Doch da - in einem Roompotpark in der Nähe von Den Haag war noch ein Bungalow frei. Für ein Schweinegeld: knapp 1200 Euro für eine Woche. Na ja, die Zeit drängte, und so haben wir das eingeklickert. Ein wenig in der Nordsee schwimmen, und hoffen, dass es keine großen Aufstände gibt, weil der Gerichtshof einen elf Jahre lang gesuchten Mann just in der Zeit vorführte, als wir dort hin wollten.
Für die genannten 1200 Euro kann man ja wenigstens ein komfortables Leben führen, weil alle wichtigen Dinge im Haus vorhanden sind: Geschirrspüler, Mikrowelle, deutsches Fernsehen, und vor allem: WLAN.
Doch dann, kurz nach der Ankunft, ging es los. Es ging los, wie es immer losgeht. Zunächst ganz harmlos: Stehen vor der Rezeption in der langen Schlange all derer, die auch in ihre Bungalows wollen. Gut. Nur ca. 20 Minuten warten und wir hatten unsere Keycard. Das Ding öffnet digital Schranken, und auch die Haustür. Dachten wir. Das digitale Bungalowschloss will uns aber nicht rein lassen. Also zurück zur Rezeption und Keycard getauscht. Die Dinger sind so empfindlich, dass sogar Handies den Magnetstreifen löschen können. Was zur Folge hatte, dass wir von nun an jeden Tag zweimal in der Rezeption auftauchten. Aber egal, ist ja Urlaub. Und Urlaub ist schön.
Wir hatten ein Sieben-Personen-Haus gebucht. Geschirr und Bestecke würden also ausreichen ... es hat tatsächlich gereicht, weil wir nur zu fünft gekommen waren; die fünf Messer, sechs Gabeln und fünf Löffel zauberten ein zufriedenes Lächeln auf unser Gesicht. Was machte es da schon, dass die Pfanne nur für drei Personen ausgelegt war, und es keine tiefen Teller gab. Immerhin waren alle sieben Gartenstühle auf der Terrasse vorhanden! Die konnten wir aber leider während des siebentägigen Regens nicht ausreichend nutzen.
Das deutsche TV beschränkte sich auf ARD, ZDF, WDR, RTL und SAT1 - macht ja nichts, wir wollten ja nicht in die Röhre schauen, sondern Urlaub machen. Und Urlaub ist schön, wie wir wissen.
Und außerdem hatten wir ja WLAN. Immerhin 221 kbit/s Download. Das ist deutlich mehr als mein erster Akustikkoppler in den 80ern hergab. Zattoo funktioniert natürlich nicht in Holland. Wäre aber auch egal bei diesen Download-Raten. Die es natürlich nur in bestimmten Winkeln des Hauses gab.
Es sah manchmal schon merkwürdig aus, wenn aus einer Ecke unter dem Vorhang nur die Füße hervorlugten und der Rest des Körpers zusammen mit dem Macbook nicht sichtbar sind, weil nur dort der Empfang machmal ganz passabel ist. Das andere Book oben im ersten Stock diente per iTunes eh nur noch zur musikalischen Untermalung - Netz nicht vorhanden. Das dritte Book hatte in der Nähe des Kamins immerhin zwei magere Striche auf der Airport-Anzeige. Das reichte gerade aus, um den Wetterbericht und die Tidenstände gelegentlich zu prüfen: Hochwasser war morgens um 11, wenn wir noch in der Schlange vor dem Brötchenstand im parkeigenen Supermarkt warteten, und abends nochmal um 18 Uhr, wenn wir in der Schlange vor der Rezeption standen, um unsere Keycard noch rechtzeitig vor Toreschluss reaktiviert zu kriegen. Aber egal, es ist doch Urlaub, und Urlaub ist ...
Wir konnten ja genug Wasser in der Dusche kriegen. Sogar mehr als wir wollten, denn die Duschtür hatte ein großes Loch, so dass das Wasser regelmäßig den ganzen Raum überschwemmte, der ebenerdig ins Schlafzimmer überging, und somit ... aber lassen wir das.
Gut war, dass im gesamten Haus Sparleuchten installiert waren. Zwei Watt oder so. Dass nicht nur wir dauernd irgendwo gegen getickt sind, weil man nichts sehen konnte, erkannte man an den Blutspuren an allen Ecken und Kanten in den Zimmern. Nein, Spaß - den Weg konnte man gerade noch erkennen. Wenngleich das auch hüpfend relativ schwierig ist: die Häuser sind nicht unterkellert, so sind die Fliesen so kalt, dass wir schon hüpfen mussten. Aber im Urlaub schadet ein wenig Sport ja nicht.
Mangels Schwimmgenusses klapperten wir also die Gegend ab. Es gibt extrem viele Alleen in Den Haag. Das fand auch der Navi, der mangels GPS-Signal dauernd so lustige Kommandos wie "bitte wenden sie jetzt" oder "in 100 m links abbiegen", und gleich drauf: "in 100 m rechts abbiegen" gab. Wir sind trotzdem angekommen. Irgendwo. Und dort gab es auch Frites. Weil es überall in Holland Frites gibt. Selbst wenn die Strassen menschenleer und nicht mal Gebäude in Reichweite sind: Frites sind schon da. Und die muss man auch wieder loswerden. Kein Problem: unser Haus hatte ja auch eine Toilette. Etwa 80 cm breit und ebenso tief. Manche von uns fanden es lustig, wenn man sich die Hose schon im Flur runterziehen musste, weil das kleine Handwaschbecken die nutzbare Breite auf 60 cm reduzierte. Aber es ist ja Urlaub. Und im Urlaub nimmt man manches hin. Ist ja die wichtigste und schönste Zeit im Jahr.
Blöderweise hatte ich auch noch die iPhone-Kopfhörer zuhause liegen gelassen, so konnte ich in den wenigen regenfreien Minuten am Strand zwar Aurora Feint spielen, aber schöner wäre es schon, wenn ich auch ein wenig Musik hätte hören können. Also auf nach Den Haag, und die Shops abgeklappert. Irgendwo hatte tatsächlich einer den Adapter (für schlappe 7,99 Euro) um auch normale Kopfhörer anschließen zu können. Die Stadt stieg damit um glatte drei Punkte in meiner persönlichen Bewertung, denn ich konnte jetzt wenigstens musikhörenderweise in der Schlange stehen um die Keycard neu programmieren zu lassen.
Was machte es da noch aus, das die Apple-Aktien auch schon auf die 100-€-Grenze abwärts marschierten ...
Was also ist Urlaub? Wenn man sich über Jahre hinweg ein gemütliches Heim geschaffen hat, dieses oder jenes Bett und Sofa ausprobiert und gekauft hat, Geschirr, Besteck und all die anderen kleinen schönen Dinge im Leben nach und nach installiert hat, und sich dann richtig wohl fühlt, dann neigt der Mensch dazu, zu vergessen, wie angenehm das Leben sein kann.
Wenn man sich dann im Urlaub eine geballte Ladung Ärger, Unmut, Unbequemlichkeit und Langeweile geholt hat, weiß man erst wieder, wie schön das selbst gebastelte Heim ist.
Heute ist der Tag der Rückreise. Es geht zurück in den langweiligen Alltag. Und endlich wieder mit knapp 16.000 kbit/s.