Nachdem die diesjährige Macworld eine mittlere Enttäuschung war (zu diesem einleitenden Satz bitte nicht 90% der Kommentare) konnte man sich ja in Ruhe auf die CES konzentrieren. Netterweise hat Palm mit der neuen WebOS Plattform auch gleich noch was Nettes vorgestellt, denn das iPhone hat jetzt tatsächlich Konkurrenz.
Zwar beschweren sich schon einige 'echte Fanboys', dass sowieso alles von Apple kopiert worden wäre, man einfach noch nicht genug vom Gerät gesehen hätte oder Palm schlicht nicht die Marktgröße besitze eine neue Plattform zu promoten. Im Übrigen alles Argumente, die damals von denselben Leuten FÜR das iPhone genutzt wurden. Im Folgenden möchte ich mich zum einen auf die von mir genannten 3 Kernkritiken eingehen, diesen aber eine kurze Abhandlung über die Innovationen voran schicken.
WebOSPalm nutzt statt Windows Mobile oder PalmOS nun ein neues, speziell entwickeltes Betriebsystem namens WebOS ein. Dieses vermutlich im Kern auf Linux basierende System bietet zwei (werbewirksame) Hauptkomponenten; Synergy, ein Datensammlungsdienst und Cards, das Benutzerinterface. Fangen wir an mit dem tiefer im System liegenden Synergy, welches einige neue Ansätze beinhaltet. Aus der Technischen Sicht ist Synergy einfach ein abstraktes Dateisystem. statt sich Gedanken machen zu müssen welche Daten wann wohin gespeichert werden müssen, kann man durch ein einfaches Interface Daten auf dem Gerät, sowie Daten im Internet bei verschiedenen Anbietern gleichwertig behandeln. Die gezeigten beispiele umfassten vor allem das Kontakmanagement, so kann Synergy das Facebook (amerikanisches meinVZ)-Bild mit den bei Google Mail gespeicherten Kontaktdaten und der im Telefonbuch stehenden Adresse verbinden. Klingt ganz nett aber was ist wirklich cool an der ganzen Idee? Microsoft und Apple, ohne das Wort zu nutzen, vertreten die Digital Hub Strategie, d.h. das digitale Leben dreht sich um den Heimcomputer, welcher synchron mit allen anschließbaren Geräten bleibt. Also beispielsweise die Bilder von der Kamera holt, auf der Festplatte speichert und verwaltet, sowie Tools zum editieren bietet. Das iPhone funktioniert prinzipiell ganz genauso, nicht so Synergy auf dem Pre. Stattdessen ist Synergy ein digitaler Sammler, man verwaltet nicht weiter stumpf verschiedene Konten, die man miteinander Synchron hält, sondern ein eine über mehrere Services gespannte Information. Ein interessantes Versprechen, welches den digitalen Hub raus aus dem Arbeitszimmer (Windows Home Server lässt grüßen) rein das Internet befördert. Jetzt hat Apple natürlich diese Problem erkannt, aber mit MobileMe nur einen Bezahlservice veröffentlicht, der viele aus diversen Gründen abschreckt. Zum einen ist ein großer Teil der Funktionen kostenlos erhältlich, zum anderen schreckt doch das Sammeln aller Informationen an einem Ort einige Leute ab. Synergy bringt hier einen neuen Trend und ist dafür jede Vorschusslohrbeeren Wert.
Auf der anderen Seite nutzt Palm eine überarbeitete und raffiniertere iPhonebedienung ein. Moderne Betriebsysteme (ja, auch Windows 7) nutzen den Desktop nicht weiter als App-Launcher, zu viele Applikationen sind mittlerweile auf dem typischen Win/Mac installiert, stattdessen wird der Desktop immer mehr zu einem Ort für Multitasking Expose und das mir nicht einfallende Win7 pedant lassen grüßen. Palm geht hier einen ähnlichen Weg, nachdem Apple gezeigt hat, dass man aufpassen sollte nicht zu viele Funktionen in ein Programm zu integrieren ist der Desktop zwar weiterhin auf nur eine Funktion begrenzt, diesmal aber Multitasking. Gerade hier fühlt sich das aktuelle iPhone etwas 'Last-Gen' an. Der 'App-Launcher', also Apples Desktop ist ein separates als Programmgelöst. Vor allem aber kann man durch alle offenen Programme in einem CoverFlow ähnlichen Interface gehen, ohne wie bei WinMo einen Taskmanager benutzen zu müssen. Palm schein also nicht nur einen Prozessor zu verbauen, der durchaus mehrere Anwendungen erlaubt, sondern vor allem ein Interface gefunden zu haben, dass Apple aller Ehren macht.
Die neue Oberfläche läuft jetzt aber nicht auf einem (für Linux üblichen) Fenstermanager mit Grafkbibliothek sondern in einem vermutlichen Webkit basierten Browser Interface. WebOS'Applikationen werden Ausschließlich in HTML, CSS und JavaScript geschrieben. Techniken also, über die nun jeder schon mal geschimpft hat. Was viele nicht verstehen ist, dass Palm hier anders als Apple den Entwicklern ein hier Mojo zur Verfügung stellt. Also das WebOS Framework Mojo bietet den Programmierern die Möglichkeit auf viele Funktionen des Betriebsystems zuzugreifen, so kann man Telefonate starten oder auch SMS schreiben oder auf den Kalender zugreifen (die letzten beiden gehen in übrigen auch mit Cocoa Touch auf dem iPhone nicht). Viele verstehen nicht wie einfache Webtechniken komplexe Anwendungen ermöglichen sollen. Zwar zeigt uns MobileMe oder auch GoogleDocs schon seit längerem das Gegenteil... aber gut. Warum aber setzt Palm auf die so negativ konnotierten Techniken wie HTML, JS oder CSS? Browser sind über die letzten Jahre nicht nur in ihren Funktionen umfangreicher oder in ihrer Ausführung schneller geworden sondern auch deutlich sicherer, keine Andere Programmumgebung ist so gut Abgesichert wie eine Webseite. Wer sichere Programmausführung haben will (Es ist in erster Linie ein Telefon) braucht eine Interpretierte Sprache und eine gute (!!!) Laufzeitumgebung. Java hat sich durch seine ausufernden Funktionen und/oder unzureichende Mobile Edition selbst disqualifiziert und Server-Script Sprachen haben keine Ausgabemechanismen. Wenn man länger darüber nachdenkt hatte sich Palm nur zwischen einem Browser und Flash zu entscheiden, und weil wir es hier nicht mit dem AdobePhone zu tun haben, sehen wir eine freie und unabhängige Umgebung. Aber die Wahl der Programmiersprache sagt erstmal nichts über die prinzipielle Mächtigkeit der daraus entstehenden Programme aus.
Die GegenkritikHaben die bei Apple kopiert? Alter Schwede, ja! Aber warum sollte in der Computerindustrie eine gute Idee auf einen Hersteller begrenzt sein? Mal Ehrlich, Apple hat auch sehr viel Zeit mit WinMo und PalmOS Geräten verbracht um deren Schwächen zu finden, genauso wie Palm auf die Newton Erfahrung aufgebaut hat. Wichtig ist, dass Palm das erste Gerät liefert, das iPhoneOS wirklich sinnvoll erweitert! Synergy und das Interface bauen sinnvoll auf die iPhone lehren auf und verwässern dabei keinen der Grundgedanken die Apple richtig gedacht hat. Im Übrigen müssen wir uns keine Sorgen um das iPhone machen, wenn nötig haben die sehr schnell ein iPhoneOS 3.0. Palm zeigt aber einer ganzen Gruppe von Verfolgern, dass es eben nicht reicht ein Keyboard an das iPhone dranzukleben, es als innovativ zu verkaufen und dann über Apples Marketing zu schimpfen. Genauso scheint man hier gelernt zu haben, dass es eben nicht reicht eine schöne fingertouch Oberfläche über einen Stift PDA zu kleben. Das alles sollte der Apple Fanboy doch begrüßen, schließlich wollen wir doch alle einen (von Apple dominierten) vor Innovation strotzenden Markt.
Wollte ich im Februar 2007 ein iPhone kaufen? Und ob! Obwohl ich das Gerät nicht in der Hand gehalten hatte, für viel zu teuer hielt und nicht wusste was mir das mobile Internet bringen könnte wollte ich eins haben. So ging es vielen! Der Trick ist, dass ich auch nach Marktstart noch eins haben wollte und mir dann schlussendlich kaufte. Wir haben vom iPhone zum damaligen Zeitpunkt kaum mehr Demos gesehen als vom Pre bisher, aber ist das schlimm? Viele Hersteller wollen dringend Geräte mit Windows Mobile 6.5 bauen, davon haben wir noch gar nichts gesehen, das G1 zeigten uns auch das erste Mal wie Android wirklich arbeitet (und das bei einem OpenSource Projekt!) Es schein einfach üblich zu sein nicht bei einer Präsentation die komplette Katze aus dem Sack zu lassen, nur kurz zwei Pfoten zu zeigen. Dafür kann man das Gerät kaum meiden.
Kann Palm das Pre überhaupt promoten? Wie wär’s mit, kann ein Musikplayer und Heimcomputer Produzent ein Telefon auf den Markt bringen? Letzteres hat sich mit 'Ja' schon selbst beantwortet, ersteres wird sich zeigen müssen. Allerdings ist Palm kein unbekannter im Enterprise Markt. Das Pre hat seine Position als iPhone Konkurrent allerdings auch durch die Tatsache gefunden mit 'Sprint' einen exklusiven Vertreiber in den USA gefunden zu haben. Wer zu Sprint will, aber ein iPhone haben möchte findet hier einen halbwegs ebenwürdigen Konkurrenten. Allein das sichert zwar keinen Marktanteil aber sehr gute Werbung, und schließlich ist Marketing doch alles.
Abschließend möchte ich mich nicht für oder gegen das Pre aussprechen, ich hoffe nur vielleicht den einen oder anderen auf die nächsten Wochen und Monate im Mobile bereich eingestimmt zu haben und eventuell die Spannung auf zukünftige Produkte wieder gehoben zu haben. Wir könnten hier ein erstes echtes Jahr mit iPhonekonkurenz erleben.