iPhone als Webcam: Monitorhalterung selbst gebautHält magnetisch und lädt induktivWer von der Qualität gängiger Webcams frustriert ist und einen Mac nutzt, möchte spätestens seit der neuen MacOS-Version Ventura bestimmt ausprobieren, wie sich ein iPhone als Webcam schlägt, denn dessen Nutzung ist in Ventura ja eingebaut. Vorab sei verraten: Das iPhone bietet auch im Vergleich mit teuren Webcams ein hervorragendes Bild. Fehlt nur die passende Halterung für den Monitor.Ausprobiert ist die Sache schnell: Man muss nur ein geeignetes iPhone in die Nähe eines Macs unter Ventura bringen und schon wird es von Videofonie-Apps wie FaceTime oder Skype als neue Webcam aufgeführt, die sich auch sofort auswählen und nutzen lässt. Schon lange stellt sich ja die Frage, warum jedes popelige Smartphone eine bessere Kamera eingebaut hat als teure Webcams, die weit über 100 € kosten. Als ich die ersten Bilder meines als Webcam fungierenden iPhones gesehen hatte, war ich von der Bildqualität schwer beeindruckt, dass ich das sofort so haben wollte. Also sollte zukünftig mein iPhone die klassische Webcam ersetzen. Doch leichter gewünscht als getan.
AusgangssituationMan kann mir wirklich nicht vorwerfen, dass ich mir keine Mühe gegeben und es nicht ernsthaft mit „richtigen Webcams“ versucht hätte. Im Laufe der Corona-Lockdown-Jahre habe ich bestimmt ein Dutzend Webcams von Nonames über Modelle von Microsoft und Logitech bis hin zu Elgato ausprobiert. Sicherlich fallen schon manche preiswerte Exemplare - speziell von Logitech - in die Kategorie brauchbar. Sogar die Mikrofone waren akzeptabel. Aber wirklich gut war in meinen Augen keine einzige Webcam. War die Schärfe akzeptabel wie z.B. bei Elgatos Facecam, so war mindestens die zugehörige Treibersoftware lahm, inkonsistent und mit störenden kleinen Bugs durchsetzt, die mir die alltägliche Nutzung zunehmend vergällten. Und ich konnte immer weniger einsehen, dass der Markt keine wirklich gute Webcam auf den Markt bringt, wo doch selbst gute, für Smartphones vorgesehene kleine Kameramodule z.B. von Sony oder Samsung für einige zig Euros zu haben sind.
Es gibt zwar einige Softwarelösungen, dank derer man gängige Smartphones an PCs oder Macs als Webcam betreiben kann, und ich habe Einige schon vor dem Erscheinen von Ventura ausprobiert, war aber durch deren Beschränkungen nicht wirklich zufrieden. Ich habe mir sogar einen Hardware-Grabber besorgt, mit dem ich das Bild meiner spiegellosen Systemkamera als Webcam nutzen kann. Das funktionierte prächtig und das Bild war makellos. Und obwohl die von mir ausprobierte Olympus dank Four-Thirds-Sensor und kompaktem 3-x-Zoomobjektiv nicht sehr tief baut, wäre die Anbringung oben hinter dem Monitor mechanisch nicht nur anspruchsvoll und aufwändig gewesen, sondern auch völlig unpraktisch. Mein großer 4K-Monitor hätte weiter weg von der Dachschräge gemusst und eben mal schnell die Kamera abmontieren, um ein paar Bilder zu schießen, wäre sehr umständlich gewesen. Also wurde diese optisch gute aber mechanisch fragwürdige Lösung schon vor Längerem verworfen.
Insofern war ich froh, dass das neue Feature von MacOS 13 tatsächlich optisch taugt. Mechanisch blieb das Problem einer geeigneten Halterung. Ich wunderte mich, dass die Industrie diese Lücke so lange nicht füllte. Klar waren im Internet schnell Vorlagen für Halterungen zu finden, die man per 3D-Drucker selbst herstellen kann. Doch auch die waren unflexibel und erfüllten nicht das, was möglich ist. Belkin, der bekannte Hersteller von Zubehör hat kürzlich eine iPhone-Halterung für Monitore und Laptops vorgestellt
, die in die richtige Richtung geht und bei der das iPhone magnetisch hält – also leicht abnehmbar und drehbar ist, doch hat die Sache einen kleinen Haken: Nutzt man ein iPhone als Webcam, braucht es ordentlich Strom. Nach meinen Messungen zieht z.B. ein iPhone 13 pro dabei gut 0,25 A aus einer USB-Buchse. Nach einigen Stunden Videobetrieb würde daher das Bild bei Skype & Co. die Grätsche machen, da der Akku leergelaufen wäre. Man müsste es also per Kabel während des Betriebs als Webcam laden, was das Entfernen/Anbringen trotz magnetischer Befestigung zur Steckerfummelei macht. Das hätte ich gerne vermieden.
Nachdem dann meine Freundin Alexandra meinte: „Du bist doch sonst nicht um technische Lösungen verlegen!“, war mein Ehrgeiz angestachelt, denn diese kleine Spitze konnte ich nicht auf mir sitzen lassen…
DIYNach kurzem Überlegen merkte ich, dass eine halbwegs praktikable Selbstbaulösung einfacher ist, als ich mir zunächst denken konnte. Einige Wochen zuvor hatte ich meinen alten Prius III durch ein neues Autoradio auf „Wireless Carplay“ umgestellt. Bei diesem Auto ist dort, wo bei normalen Fahrzeugen Tacho und Drehzahlmesser sitzen, nur graues Plastik zu sehen. Es war mir sofort klar, wie hier „true wireless“ zu realisieren ist: Man klebe einfach ein passendes Magsafe-kompatibles, induktives Ladepad an diese Stelle (Bild 1a), das für unter 20 € erhältlich ist. Eine quadratische Version fixiert die Position des Smartphones besser als ein rundes Ladepad. Verfügt ein modernes iPhone über die für Magsafe erforderlichen Magnete, hält es so sehr sicher auch in Kurven und bei Erschütterungen (Bild 1b) und wird gleichzeitig geladen.
Das funktioniert gut beim iPhone 12, 13 und 14 ohne Hülle. Bei allen anderen, induktiv ladbaren iPhone-Modellen und wenn man sein neueres iPhone gerne unzerkratzt mag, gibt es einen einfachen Trick: Man nehme eine passende Hülle mit einem an der richtigen Stelle eingebauten Metallring, dann hält jedes Smartphone magnetisch an einem Magsafe-kompatiblen Ladegerät. Bild 2 zeigt die Rückseite meines iPhone 13 pro in solch einer Hülle. Falls man für sein Modell keine passende Hülle mit Metallring findet oder andere Hüllen als die üblichen transparenten mag, kann man sich auch mit Metallringen zum Aufkleben behelfen.
Von hier zur Grundkonstruktion einer einfachen, aber sehr praktikablen Monitorhalterung war es nur ein kleiner Schritt. Gebraucht würde lediglich ein Stück Alublech, das man zu einer Art Haken biegen müsse. Darauf klebe man dann ein induktives Ladepad und fertig, erklärte ich Alexandra. Ein Stück dünne Plexiglasplatte wäre noch einfacher, da man es mit Wärme biegen könne, wie sie als Chemikerin sicherlich wisse. „Dann mach!“ war ihre Antwort. Nachfolgend sehen Sie das Resultat dieser kleinen Unterhaltung.
PlexiglasAufgrund der von mir behaupteten Einfachheit orderte ich zwei Streifen Plexiglas mit dem Abmessungen 7 x 19 cm und 2 mm Stärke. Ein Streifen sollte als Reserve dienen. Diese Abmessungen reichen für Smartphones aller Größen, also auch für ein iPhone Max. Bei kleineren Exemplaren mit 6,1“-Display kann man den Streifen gut 2 cm kürzer bestellen. Zu den Maßen: Für Magsafe-kompatible Ladepads muss man etwa 6 cm Breite rechnen. Die Länge ergibt sich aus der Länge, die das iPhone „nach unten“ über das Ladepad übersteht, wenn man dieses oben an der Monitorkante befestigt. Hinzu kommen noch die Dicke des Monitors (bei meinem Exemplar: 2,5 cm) und gut 2 cm für die vordere Hakenkante, die später auf 5 mm gekürzt wird. Bild 3 zeigt einen Streifen, wie er bei mir aus dem Briefumschlag kam.
Da mein Bildschirm 2,5 cm tief ist, suchte ich mir eine kurze Holzlatte mit 25 mm Dicke und faste die Kanten an, um eine Biegung mit brauchbarem Radius zu erzielen. Plexiglas braucht zur leichten Verformung etwa 150 bis 160 °C. So ganz genau kommt es darauf aber nicht an, weshalb es jede Heißluftpistole tut, deren Temperatur einstellbar ist. Ich habe meine mit Hilfe eines Thermoelements kalibriert, das einem meiner Digital-Multimeter beilag. Zum Biegen habe ich die 2 cm für die vordere Hakenkante zusammen mit der Holzlatte in den etwa 100 Jahre alten Schraubstock meines Urgroßvaters eingespannt (Bild 4a). Wie man sieht, kann ein Kunststoffbacken Beschädigungen der Plexiglasoberfläche verhindern. Etwa 1 cm über der Biegekante legte ich eine zweite Holzlatte vor die Plexiglasplatte und erhitzte mit der anderen Hand langsam, mit Hin-und-her-Bewegungen die für Heißluft zugängliche Biegekante. Ab einem bestimmten Punkt wird das Material weich und man kann es leicht um 90 ° biegen (Bild 4b). Nach 20 bis 30 Sekunden ist es so weit abgekühlt, dass die Biegung stabil bleibt. Jetzt spannt man Holzlatte und gebogenes Plexiglas um 180 ° gedreht ein und macht eine zweite Biegung. Das Resultat sieht aus wie in Bild 4C: Ein Plexiglashaken hängt genau passend auf der Holzlatte.
Nach Entfernen der Holzlatte kann man den vorderen Rand des Hakens auf etwa 5 mm kürzen (siehe Pfeil in Bild 5), damit er später nicht über den Rand des Bildschirms ragt.
Jetzt fehlten noch zwei Dinge bis zur Fertigstellung: Unten in die Mitte, etwa 1,5 cm vom unteren Rand habe ich eine M4-Einpressmutter in das Plexiglas geklebt. Hierzu braucht es eine Bohrung mit 5,8 mm, aber dafür muss man ab 3 mm vorsichtig, also um jeweils 0,5 mm gesteigert weiter aufbohren, denn Plexiglas ist recht spröde. Bild 6a zeigt die Mutter von oben und Bild 6b von der Seite. Ich habe die Klebung mit Kunstharz vorgenommen, das schnell unter UV-Licht aushärtet. Zweikomponentenkleber oder Schraubmuttern und andere Durchmesser tun es aber auch. In diese Mutter kommt dann eine Schraube (Bild 6c) mit aufgeklebtem Kunststoff-Kratzschutz, die mit einer Kontermutter auf den richtigen Abstand eingestellt werden kann. Anschließend wurde oben mit Hilfe eines zweiseitigen Klebepads von 3M das Ladepad aufgeklebt und die vordere Kante des Hakens mit einem flachen Gummiband rutschfest gemacht.
Bild 7 zeigt das Ergebnis von hinten und von einer Seite.
BetriebMan muss jetzt nur noch das iPhone aufklacken und schon ist die selbstgebaute Halterung für Monitore fertig. Bild 8a zeigt mein iPhone mit Halterung von vorne – die Kameras müssen zum User zeigen. In Bild 8b ist die Konstruktion von einer Seite zu sehen.
Bild 9 zeigt das iPhone mit Halterung oben auf meinem Monitor. Dank der Schraube kann der Anstellwinkel so eingestellt werden, dass die Monitorneigung kompensiert wird und das eigene Gesicht genau in der Mitte des Bilds platziert ist.
Bild 10 zeigt die Webcam in Betrieb: Ein Beleg für die Behauptung, dass die Bildqualität wirklich gut ist. Übrigens braucht auch ein ungeübter Handwerker für diese Halterung keinen Nachmittag. Die Halterung mag nicht gerade tres chique sein, aber dafür ist sie unauffällig, sehr praktisch, lädt das iPhone und man kann dieses wirklich sehr einfach entfernen oder anbringen.
Um ein iPhone als Webcam einsetzen zu können, muss man seinen Mac nicht nur unter MacOS 13+ betreiben, sondern ein iPhone der Typen XR, XS, SE 2020, 11, 12, 13 oder 14 unter iOS 16+ verwenden. Alle diese Modelle können induktiv geladen werden. Die magnetische Befestigung via Magsafe klappt nur bei den Modellen 12 bis 14 direkt, Die anderen Modelle benötigen entsprechend ausgerüstete Hüllen.
Der Zugriff auf die Einstellmöglichkeiten ist sehr einfach. Ist das iPhone gekoppelt, erreicht man die Einstellungen via Kontrollzentrum mit einem Klick auf „Videoeffekte“ (Bild 11). Dort kann man einen Folgemodus aktivieren, bei dem das Gesicht (in Grenzen) immer im Bild bleibt, oder aber die Portraitfunktion, bei der der Hintergrund unscharf wird. Gefallen hat mir das „Studiolicht“, bei der die Ausleuchtung das Gesicht betont. Den Schreibtischmodus finde ich eine nette Idee, die aber in der Praxis nicht so gut funktioniert wie gedacht.
Insgesamt finde ich die Integration des iPhone als Webcam sehr gut gelungen. Ich habe mir mittlerweile sogar ein gebrauchtes iPhone XS als Immer-dran-Webcam besorgt, da selbst dessen Bildqualität besser ist als bei guten Webcams. Ein großer Vorteil ist, dass ich dank magnetischer Befestigung die iPhone-Webcam jederzeit abnehmen kann und im Laufe einer Video-Konferenz etwas Spezielles genau zeigen kann und dann die iPWcam wieder an ihren Platz klacken lassen kann. Für den Ton habe ich sowieso ein externes Mikrofon in Betrieb. Aus meiner Sicht gibt es lediglich zu bemängeln, dass Apple den Android-Smartphones keine Chance gibt. Hier geht wohl die Protektion des eigenen Ökosystems über den Nutzen der Kunden, die mit einem preiswerten Android-Smartphone als Webcam gut bedient wären.