10 Jahre Siri – ein Hoffnungsträger, der lange enttäuschte
Steve Jobs war vor einem Jahrzehnt dagegen, Apples kommenden Sprachassistenten mit dem norwegischen Vornahmen "Siri" zu versehen. Die App hatte es unter derselben Bezeichnung schon seit Anfang 2010 im App Store gegeben, bis Apple 200 Millionen Dollar für die Übernahme ausgab. Wie sich der Mitgründer erinnert, gab es vor allem einen Grund, warum besagter Name trotz der von Jobs geäußerten Bedenken blieb: Der Apple-CEO hatte schlicht keine bessere Idee, wie man den digitalen Assistenten titulieren könnte. Erstmals gezeigt hatte Apple die Technologie auf dem Oktober-Event 2011, Tim Cooks erster Keynote. Die beiden Siri-Gründer blieben indes nicht lange im Unternehmen, Dag Kittlaus ging noch im Monat der Apple-Präsentation, Adam Cheyer folgte ein Jahr später.
2011: Siri erstaunt. Ebenfalls 2011: Siri enttäuschtDie Leistungsfähigkeit von Siri erstaunte zunächst. Anders als vergleichbare Systeme zur Sprachbedienung beherrschte Siri Kontext-Erfassung und musste nicht nur auf feste Formulierungen lauschen. "Muss ich mich morgen warm anziehen?" oder "Brauche ich morgen einen Regenmantel?" führen demnach zum selben Ergebnis wie "Wetter, morgen, Mainz". Auch Rückbezug auf vorherige Antworten sollte Siri beherrschen. Dazu kam eine große Fülle sorgfältig formulierter, mal lustiger, mal launischer Repliken, für deren Ausarbeitung Apple ein großes Content-Team beschäftigte. Siri dominierte daher die Schlagzeilen, denn es galt einen gewaltigen Schatz an Spaßantworten zu entdecken
In der Praxis folgte jedoch rasch die Ernüchterung, denn die beeindruckende Bühnenshow konnte Siri nur selten im Alltag unter Beweis stellen. Schnell stellte sich heraus, dass auch Siri meist überfordert war, gingen Sprachbefehle über "Zwei-Wort"-Anfragen hinaus. Apple verlor viel Zeit und musste beobachten, wie die Konkurrenz schnellere Fortschritte hinlegte und Siri zunehmend als dümmsten Sprachassistenten erschienen ließen.
"Witzig" klappte lange besser als "hilfreich"
Infrastruktur war mies umgesetztDie zunächst eingesetzte, technische Infrastruktur war miserabel und skalierte schlecht – der Masse an Nutzern konnte das System nicht standhalten. Apples größter Fehler in jener Zeit war, den Unterbau eben nicht komplett neu zu gestalten, sondern den alten Zustand zu übernehmen und jahrelang durchzuschleifen. Erst 2015/2016 setzte Apple massiv darauf, Forschung im Bereich Künstlicher Intelligenz voranzutreiben, zahlreiche hochspezialisierte Unternehmen aufzukaufen und zudem Siri auf neue technische Beine zu stellen.
Amazon führt Apple die Defizite vor AugenDer Umbesinnung war ein Ereignis vorausgegangen, das man als "Amazon-Schock" bezeichnen kann. 2014 hatte Amazon nämlich das erste Echo-System vorgestellt und erwischte Apple kalt – denn Alexa zeigte, was wirklich machbar gewesen wäre. Dazu kam ausgeprägte interne Misskommunikation, denn die Zusammenlegung verschiedener Teams aus den Bereichen KI und Sprachsteuerung sollte erst Jahre später erfolgen. So erfuhr das Siri-Team lange überhaupt nichts von Apples Plänen, einen intelligenten Lautsprecher zu entwickeln. Dementsprechend mies lief auch die weitere Entwicklung. Einer der maßgeblichen Gründe für das Scheitern des ersten HomePods ist, wie wenig intelligent der angebliche "Smart Speaker" zunächst war – Apple wusste sehr gut um diesen Umstand und vermarktete den HomePod auch gar nicht erst als Siri-Speaker.
2021: Alles wurde besser, der Ruf litt dennoch dauerhaftZehn Jahre später hat sich die Situation deutlich verbessert. Siri gilt zwar weiterhin nicht als fähigster Sprachassistent, allerdings hinkt das System der Konkurrenz zumindest nicht mehr Jahre hinterher.
Vergleichstests ergeben seit zwei bis drei Jahren, wie stark Apple aufholte und sich nicht mehr generell mit Siri verstecken muss. Eines hat sich aber nicht geändert: Der Ruf als "dumme Nuss" haftet Siri wohl auf Ewigkeit an – und den Versuch, Siri mit mehr als knappen Kurzbefehlen zu füttern, hat der Großteil der Nutzer längst aufgegeben.