Die Vorgeschichte - Apples fehlgeschlagene Versuche, ein eigenes System auf die Beine zu stellenViele Jahre lang lebte Apple seit der Vorstellung des Macintosh 128k vom Ruf und von der Tatsache, über ein elegantes und einfach zu bedienendes System zu verfügen, das den restlichen Betriebssystemen weit überlegen war. Das reichte aber auf Grund zahlreicher Umstände nicht aus, um damit auch die Masse der Anwender anzusprechen und zum Wechsel auf die Macintosh-Plattform zu bewegen. Schon mit Windows 3.11 hatte Microsoft den "Desktop War" praktisch gewonnen. Es war klar, dass Apple etwas folgen lassen musste, das gleichsam revolutionär wie benutzerfreundlich war. Anfang der 90er wurde daher das nach Aaron Copland benannte Copland-Projekt gestartet, das zwei Jahre später als OS 8 vermarktet werden sollte. Es handelte sich dabei nicht um ein einfaches Funktionsupdate eines älteren OS, es war ein komplett neues Betriebssystem, aufgebaut auf Apples GUI-Erfahrung.
Die ganze Oberfläche verfügte nun über 3D-Elemente und Schatten, das Theme wurde Platinum genannt. Im November 1995 veröffentlichte Apple die erste Beta-Version für Entwickler, einige Monate später begrub CEO Gil Amelio das Projekt. Er sah die Gefahr der endlosen Entwicklung ohne Chance auf ein wirklich fertiges Produkt. Scherzhaft sagte man damals, Copland sei ein Sammelsurium aus fast fertigen Komponenten, die sich nur noch auf magische Weise zusammenfügen mussten. Dies gelang aber ebenso wenig, wie die geforderte Rückwärtskompatibilität sicherzustellen. Nach dem Scheitern von Copland musste dringend eine weitere Alternative auf den Tisch - diskutiert wurde sogar Windows NT sowie die Übernahme von BeOS. Apple entschied, das nächste große System nicht mehr selber zu entwickeln, sondern zu kaufen. Mit NeXT und der Rückkehr von Steve Jobs sowie der Vorstellung von OS X hatte man endlich die neue Plattform, die man selber nicht entwickeln konnte. Die erste Public Beta von OS X gab es seit September 2000 zu bestaunen, Version 10.0 erschien dann am 24. März 2001.
NeXT-Übernahme & Neues BetriebssystemJobs gründete im Jahr 1986 zusammen mit Kollegen, die Apple ebenfalls verlassen hatten, eine neue Firma: NeXT Inc. Aus dem Privatvermögen steuerte Jobs 7 Millionen US$ zur Gründung der neuen Firma bei. Erste Ergebnisse erzielte NeXT mit der Vorstellung eines Prototypen des NeXT Computer, auf dem später übrigens auch das WWW (World Wide Web) erfunden wurde. Zwar war der NeXT Computer mit 6.500 US-Dollar nicht gerade günstig, aber verfügte für die Zeit über hohe Leistungswerte: Ein 25 MHz Motorola 68030-Prozessor, Ethernet-Anschluss, ein 17-Zoll-Bildschirm mit einer hohen Auflösung von 1120x832 Pixel, 330 MB oder 660 MB Festplatte und ein Magneto-Optisches Laufwerk von Canon. Das wirklich besondere an dem Rechner war aber das NEXTSTEP-Betriebssystem: Es brachte schon damals viele Entwicklerwerkzeuge und in großen Teilen sogar die Entwickler-Frameworks sowie die Programmiersprache (Objective-C) mit, welche noch heute hauptsächlich dafür verwendet werden, um Programme für Mac OS X zu schreiben. Apples neue Sprache Swift ist im Aufwind, doch Objective-C bleibt (noch) Platzhirsch.
NEXTSTEP 4.0, das nicht mehr auf den Markt kam
Für die damalige Zeit war die Art und Weise, wie auf dem Rechner programmiert werden konnte, revolutionär, weswegen der NeXT Computer besonders im Bildungsmarkt und bei Entwicklern beliebt war. Auf dem freien Markt konnte er sich aber wegen des hohen Preises nicht durchsetzen. Durch den Mach-Kernel und die Verwandtschaft zu Unix stand Speicherschutz und präemptives Multitasking schon damals zur Verfügung. Beides wurde von Mac OS 7, 8 und 9 nicht unterstützt.
Im Dezember 1996 übernahm Apple für 429 Millionen US$ NeXT, um auf NEXTSTEP-Basis die nächste Generation des Mac OS zu entwickeln. In vielen Entwickler-Frameworks lässt sich bis heute deutlich erkennen, dass Mac OS X auf dem heute über 30 Jahre alten NEXTSTEP basiert: So beginnen viele Klassennamen des AppKits immer noch mit NS für NEXTSTEP.
Die erste Version von Mac OS XSchon im Jahr 1999 wurde eine erste Version von Mac OS X veröffentlicht. Diese Version war eine reine Server-Variante mit einer Benutzeroberfläche, welche stark an das gescheiterte Copland-Projekt erinnerte. An eine Version für Endkunden war aber noch nicht zu denken: Die Oberfläche war in weiten Teilen unfertig und brachte manche aus NEXTSTEP unveränderte Programme und Dialoge mit. Apple konnte schließlich im Jahr 2000 eine erste Public Beta von Mac OS X nach diversen "Developer Previews" auf den Markt bringen. Mac OS X war nicht nur vom Unterbau eine Abkehr vom traditionellen Mac OS: Es brachte eine neue Oberfläche namens Aqua mit, die mit vielen Schatten- und Glanzeffekten damals zur Verfügung stehende Macs überforderte. Die Arbeitsgeschwindigkeit war im Vergleich zu Mac OS 9 deutlich schlechter, dafür aber die generelle Stabilität des Systems besser.
Mac OS X unter alter Optik
Apple bot mit Mac OS X insgesamt drei Entwickler-Frameworks an: Die ehemalige Toolbox aus Mac OS 8 & 9 namens Carbon eröffnete Entwicklern die Möglichkeit, mit geringen Anpassungen die Programme auch unter Mac OS X lauffähig zu machen. Aus den ehemaligen NeXT-Frameworks wurde Apples bevorzugte Art und Weise, wie neue Programme geschrieben werden sollten: Mit Cocoa und Objective-C. Ferner bot Apple auch eine Java-Umgebung an, die vom Funktionsumfang her dem Cocoa-Framework ähnlich war.
Alte Mac OS Programme, welche noch nicht auf das Carbon-Framework umgestellt waren, wurden in einer virtuellen Maschine ausgeführt, in der eine angepasste Version von Mac OS 9 gestartet wurde. Dies brachte den Nachteil mit sich, dass zwei Betriebssysteme parallel liefen und innerhalb der Classic getauften Umgebung weder präemptives Multitasking noch Speicherschutz zur Verfügung standen.
Mac OS X 10.0Nach einer Betaphase im Herbst 2000 erblickte Mac OS X 10.0 (Codename Cheetah) am 24. März 2001 das Licht der Welt. Dabei brach das System mit so ziemlich allem, was Apple-User bis zu diesem Zeitpunkt kannten. Statt einer Weiterentwicklung von Mac OS 9 ist OS X ein von Grund auf neu konstruiertes Betriebssystem auf UNIX-Basis, das viele Elemente von NEXTSTEP übernahm. Cheetah war zwar für die kurze Entwicklungszeit erstaunlich stabil, konnte aber im Produktiveinsatz nicht überzeugen. Vor allem auf G3-Rechnern war die Performance teils so schlecht, dass Tastatureingaben nur zeitverzögert auf dem Bildschirm erschienen. Auch ein Großteil der kommerziellen Software war noch nicht an das neue Betriebssystem angepasst, womit der Einsatz für viele Unternehmen ausschied. Nicht zuletzt wegen der damit verbundenen heftigen Kritik entschied sich Apple, bereits am 25.09.2001 Mac OS X 10.1 (Codename Puma) kostenlos auszuliefern.
Viele Anwender stellten sich nach der Veröffentlichung von Mac OS X 10.0 die Frage, ob Apple nicht einen falschen Weg beschritt. Dies dokumentieren auch zahlreiche Diskussionen in den Foren. Schnell kristallisierten sich die Pole der 9-Verfechter und X-Befürworter heraus, die sich noch Jahre später unversöhnlich gegenüber standen. Tatsächlich musste man einige aus OS 9 bekannte Bedien- und Denkweisen geistig über Bord werfen, denn an der Philosophie von OS X hatte sich jede Menge geändert. Nicht jedem war klar, was für wichtige Grundsteine mit OS X gelegt wurden, die mehrere große Updates später wirklich zum Tragen kamen. Aus der Sicht des Nutzers, der von einem sehr flotten OS 9 auf ein oft träge reagierendes OS X umstieg und sich nicht mit technischen Hintergründen befassen wollte, überwogen oft die Nachteile. Unter Entwicklern herrschte schon eher Optimismus, wenngleich auch aus Entwicklerkreisen keine Jubelstürme zu entnehmen waren. Nicht nur Nutzer mussten Nutzerkonzepte neu lernen, auch Entwickler die neuen Entwicklerkonzepte.
Alle Teile der Serie Teil 1: Die Vorgeschichte sowie der Marktstart von Mac OS X
Teil 2: Das System wird erwachsen
Teil 3: Tiger bis Lion
Teil 4: Die schnellen Zyklen seit 2012