Schon Anfang 2018 kamen erste, ernstzunehmende Informationen zu einer größeren Umstellung beim Mac ans Tageslicht: Den Berichten nach wird sich Apple von Intel als Chiplieferant verabschieden und zukünftig auf die hauseigenen, ARM-basierenden A-Chips setzen. Statt dem x86-Befehlsschatz werden dann ARM-Kommandos ausgeführt. Dies wäre die vierte, große Umstellung beim Mac. Noch hat Apple nicht offiziell bekanntgegeben, dass ein solcher Wechsel stattfinden wird – doch die Anzahl der unabhängigen Berichte lässt darauf schließen, dass an den Gerüchten etwas dran ist.
1994: 68k zum PowerPC1994 wechselte Apple zum allerersten Mal die Prozessorarchitektur des Macs aus. Statt Motorola-68k-Chips sollte der neue, zusammen mit IBM und Motorola entwickelte PowerPC-Prozessor den Vorsprung von Intel verkleinern. Die Umstellung lief von der Software-Seite her alles andere als glatt: Apple konnte noch nicht einmal ausgereifte Entwicklerwerkzeuge liefern, mit denen sich PowerPC-Programme erzeugen ließen. Glücklicherweise war Metrowerks damals mit einer angepassten Version der Programmierumgebung "CodeWarrior" rechtzeitig auf dem Markt, so dass Entwickler ihre Apps portieren konnten – doch dies war ein langwieriger Prozess, da einige Bestandteile der Software umgeschrieben werden mussten.
2001: Mac OS zu Mac OS XDie nächste, große Umstellung beim Mac fand 2001 statt: Das betagte, klassische Mac OS wurde durch das auf NeXTSTEP basierende Betriebssystem Mac OS X beerbt. Der komplette Unterbau, die grafische Benutzeroberfläche und auch die präferierte Programmiersprache waren im Vergleich zum klassischen Mac OS unterschiedlich. Apple lieferte zwei Technologien, mit denen die Umstellung für Kunden und Entwickler einfacher wurde: Mittels der "Blue Box" (später Classic-Umgebung getauft) war es möglich, Mac OS als Programm unter Mac OS X auszuführen und darin ältere Programme zu starten – ähnlich einer Virtualisierungsumgebung. Von Spielen einmal abgesehen war die Kompatibilität recht gut. Doch Apple bildete auch einen Teil der klassischen Mac-OS-Programmierbibliotheken in Form von "Carbon" unter Mac OS X nach, so dass bestehende Software mit mittelgroßen Anpassungen nativ unter Mac OS X ausgeführt werden konnte. Diese Umstellung dauerte lange – viele Entwickler scheuten die Kosten einer teuren Anpassung oder gar Neuentwicklung und verwiesen Kunden auf die Classic-Umgebung. Ein besonders in Erinnerung gebliebenes Beispiel ist hier Quark: Die DTP-Software war erst viele Jahre später nativ auf dem Mac lauffähig. Erst lange Zeit später konnte Apple mit Mac OS X Leopard die Classic-Umgebung entfernen, weil genug native Apps verfügbar waren.
2006: PowerPC zu IntelDie dritte Umstellung betraf wieder den Prozessor: Die PowerPC-Prozessoren entwickelten sich nicht wie erhofft – und Intel zog bezüglich der Performance wieder deutlich davon. Apple kündigte im Sommer 2005 an, statt PowerPC-Chips ab sofort auf x86-Intel-Prozessoren zu setzen. Eigentlich wollte man den Entwicklern ein Jahr Zeit für die Umstellung geben – doch Apple war zu dieser Zeit noch stark abhängig vom Umsatz der Mac-Sparte. Daher zog man die Einführung der ersten Geräte vor und bereits Anfang 2006 kam das MacBook Pro und der iMac mit Intel-Chip auf den Markt. Die Qualität des Rosetta-Emulators, welcher PowerPC-Apps auf Intel-Prozessoren ausführen konnte, war hoch – zwar liefen die Programme etwas langsamer, aber Kompatibilitätsprobleme gab es kaum. Da viele Entwickler kaum Code-Änderungen für das Erstellen von Intel-Anwendungen durchführen mussten, war die Umstellung recht schnell abgeschlossen: Bereits 2009 war Rosetta nicht mehr Teil der standardmäßigen Mac-OS-Installation.
2020: Wechsel von Intel zu eigenen ARM-Prozessoren?15 Jahre nach Ankündigung des Intel-Umstiegs könnte Apple auf der diesjährigen Worldwide Developers Conference die Bombe platzen lassen und den Einsatz von eigenen Apple-A-Chips im Mac ankündigen. Doch wie glatt wird der ARM-Umstieg im Vergleich zu den drei anderen Umstellungen ablaufen?
Weichen bereits gestelltApple hat bereits angefangen, die Weichen zu stellen: Mit macOS Catalina hat Apple 32-Bit-Programme beerdigt – Entwickler mussten manche Apps umschreiben, da in der 64-Bit-Umgebung einige wenige Programmierbibliotheken fehlen. Doch die allermeisten Nutzer haben von dem Wegfall der 32-Bit-Unterstützung kaum etwas mitbekommen – seit weit über 10 Jahren bieten Apple volle 64-Bit-Unterstütztung an, so dass Entwickler hier genug Zeit hatten, notwendige Anpassungen vorzunehmen. Apple hatte hier aber wohl einen Hintergedanken: Man wollte wohl Entwickler frühzeitig dazu zwingen, auf die modernen Programmierbibliotheken umzusteigen.
2018 kündigte Apple an, dass die Tage von OpenGL auf dem Mac gezählt sind – Entwickler sollen zukünftig auf Apple Metal setzen, um die Grafikleistung von GPUs zu nutzen. Auch hier wird der ARM-Umstieg eine Rolle spielen: Apples A-Chips werden höchstwahrscheinlich viele Funktionen nicht unterstützten, welche sich über die Dekaden in OpenGL angesammelt haben – daher will man auch hier frühzeitig Entwickler dazu zwingen, Metal einzusetzen. Womöglich steht OpenGL nicht oder nur mittels Emulation auf ARM-Macs zur Verfügung.
Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten und Apple tatsächlich bereits Ende 2020 erste Macs mit A-Chips ausliefern, könnten viele Programme noch nicht umgestellt sein. Bei modernen Programmen, welche weder über Assembler-Code verfügen noch auf OpenGL oder andere, ältere Programmierbibliotheken setzen, dürfte der Aufwand für Entwickler sehr moderat sein: In vielen Fällen wird eine erneute Kompilierung des Programmes ausreichend sein.
Setzt die App allerdings noch OpenGL ein und bietet Apple auf ARM-Macs keine Emulation der OpenGL-Bibliothek an, wird die Umstellung schwerer: Der gesamte Zeichen-Code muss neu entwickelt werden, da sich Metal in der Herangehensweise deutlich von OpenGL unterscheidet.
Wie viele native Apps wird es geben?Sollte Apple auf der WWDC 2020 im Sommer ARM-Macs ankündigen, hätten Entwickler etwa 6 Monate Zeit, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Da viele Apps durch eine erneute Kompilierung angepasst werden können, dürfte es bereits zum Start der ARM-Macs eine Fülle von nativen Programmen geben. Wie lange jedoch größere Hersteller wie Adobe sich für die Umstellung Zeit lassen, steht in den Sternen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass meist größere Hersteller träger in der Anpassung der eigenen Programme sind als kleinere Software-Schmieden.
Portierte Windows-SoftwareManche Windows-Programme fanden mit Tools wie CrossOver von CodeWeavers ihren Weg auf den Mac. Hier handelt es sich eigentlich noch um Windows-Software, welche aber in einer speziellen Umgebung laufen, die Windows-Kommandos auf den Mac "übersetzt". Die Programme führen native Programmierbefehle aus, aber Kommandos wie "Zeige ein Fenster an" werden von Windows-Kommandos auf Mac-Befehle weitergeleitet. Schon bei der Umstellung von 32 auf 64 Bit schluderte CodeWeavers – erst 6 Monate nach der Ankündigung von Catalina und über 10 Jahre nach der Einführung einer 64-Bit-Umgebung auf den Mac steht eine Beta bereit. Daher ist damit zu rechnen, dass solch portierten Programme nicht oder nur per Emulation auf ARM-Macs funktionieren.
VirtualisierungslösungenDie Intel-Macs brachten Nutzern neue Möglichkeiten: So ist es auf modernen Macs möglich, Windows parallel zu macOS in einer Virtualisierungslösung zu betreiben. Zwar hinken diese Programme in der Performance einem nativ ausgeführten Windows hinterher – für viele Aufgaben ist die Geschwindigkeit aber vollständig ausreichend, zumal parallel mit macOS und Windows gearbeitet werden kann. Noch ist es zu früh, um zu erkennen, wie Apple den Nutzerkreis zufriedenstellen wird, welche auf Virtualisierungslösungen angewiesen ist – und somit ist es auch kaum abzuschätzen, wann und ob überhaupt angepasste Lösungen auf den Markt kommen.