Als Apple die Auto-Branche schockte und sich dann verhob
Es steht außer Frage, dass Apple vor fünf Jahren ernsthafte Absichten hegte, ein komplettes Auto in Eigenregie zu entwickeln. Dabei hatte es sich um mehr als nur theoretische Grundlagenforschung gehandelt, wie diverse Personalentscheidungen dokumentierten. Vor genau fünf Jahren wurde bekannt, dass einer der Chefentwickler von Mercedes zu Apple wechselte. Damit nicht genug, berichtete das Wall Street Journal nur einen Tag später, Apple habe ein Entwicklungszentrum für ein vollelektrisches Fahrzeug ("Project Titan") gegründet und sich zum Ziel gesetzt, dieses in Rekordzeit auf die Straße zu bringen. Demnach sei die Entscheidung Ende 2014 gefallen – und zwar explizit deswegen, um ein komplett neues Geschäftsfeld zu betreten. Apple wollte nicht nur Software beisteuern, sondern auch das Fahrzeug selbst entwerfen.
Auto-Spezialisten aus allen BranchenDiverse weitere Personalentscheidungen unterstrichen die Berichte, welche auch von Bloomberg und Reuters bestätigt wurden. Apple ging auf eine beispiellose Abwerbetour und schnappte den renommierten Herstellern reihenweise Führungspersonal weg. Ob Experten für Getriebe, Bremsen, Fahrwerke, Antriebsstränge, Stromspeicherung, Motorsport oder Motorentwicklung, nur wenige Monate nach dem Startschuss des Projekts hatte Apple ein mehr als 1000-köpfiges Team aus angesehenen Fachleuten rekrutiert. Gleichzeitig sicherte sich Apple ein riesiges Areal, um dieses von der Öffentlichkeit abgeschirmt als Teststrecke zu verwenden. Die internationale Automobilbranche war in Aufruhr und fast jeder Hersteller kommentierte in irgendeiner Form, wie man darauf eingestellt sei, Apple als Konkurrenten zu haben – wobei Apple sich mit keinem Wort dazu geäußert hatte.
Wagemutige ZeitpläneNur vier bis fünf Jahre sollten vergehen, bis das erste Apple-Auto fahrbereit war – also hätte die Präsentation 2019 erfolgen müssen. Die einschlägigen Quellen ließen keinen Zweifel daran, dass dies tatsächlich Apples feste Absicht war und man zunächst auch an die Machbarkeit des gewagten Plans glaubte. Die Ernüchterung folgte aber schon eineinhalb Jahre später, als man Apple-intern zur Erkenntnis kam, sich doch etwas verhoben zu machen. Zwar rollten schon autonome Test-Fahrzeuge über die Versuchsareale, doch der Weg bis zur Marktreife war viel zu weit.
Das Projekt stand bald auf der KippeIm Herbst 2016 stellte Apple das gesamte Vorhaben auf den Prüfstand und kam zur Erkenntnis, zwar den Automobilmarkt bedienen, allerdings kein Apple-Auto mehr bauen zu wollen. Seitdem sprach Apple sogar mehr oder weniger offen über die Absichten. So ließ Tim Cook angesichts sprunghaft steigender Investitionen
verlauten, man forsche an autonomen Systemen für Fahrzeuge. Diese Offenheit ist für Apples sonstige Philosophie überraschend – Cook sah es aber möglicherweise für erforderlich ab, die Anleger bezüglich der hohen Entwicklungskosten in Kenntnis zu setzen.
Der aktuelle StandMomentan sind rund 70 autonome Apple-Fahrzeuge zugelassen und werden regelmäßig auf den Straßen Kaliforniens gesichtet. Apple entschied sich für den Lexus RX450h, um die Erprobungsfahrten durchzuführen. Derzeit konzentriert sich die Arbeit auf Systeme für selbstfahrende Autos, gleichzeitig meldete Apple in den letzten zwei Jahren unzählige Patente an, die sich mit alltäglichen Problemen auf der Straße befassen. Noch immer ist nicht bekannt, welchen Masterplan Apple verfolgt und was irgendwann einmal mit der Technologie passiert, die Apple milliardenschwer erforscht. Fakt bleibt, dass Apple weiterhin mit Nachdruck forscht – doch das "Warum?" bleibt im Reich der Spekulation.