Das war klar. Die Kommentare zum
neuen iMac quellen mal wieder über vor Kritik. Er ist zu bunt, die Farbauswahl zu feminin, das "Kinn" ist zu groß (zu maskulin?), er hat zu wenige und die falschen Anschlüsse, das RAM ist nicht erweiterbar, die Reparierbarkeit für Bastler nicht gegeben, die Leistung für "Profis" nicht ausreichend, der Bildschirm zu klein und natürlich ist er zu teuer.
Liebe Nerds: Dieser Mac ist nicht für Euch gebaut, sondern für weniger Computer-affine Normalos. Und die dürften gerne und beherzt zugreifen, denn der neue iMac drückt alle richtigen Knöpfe.
Ich möchte so weit gehen und behaupten, dieser iMac ist der erste echte und legitime Nachfolger des allerersten iMac G3 aus dem Jahr 1998. Sie wissen schon, die bunten, halbtransparenten Plastik-Knutschkugeln mit eingebautem Röhrenmonitor.
Der Ur-iMac war Steve Jobs' Schlag an den Hinterkopf des Computer-Establishments, mit dem er sagte: Nehmt endlich die Scheuklappen ab und entwickelt Computer für normale Menschen! Schon mit dem iMac G3 erlaubte Apple es sich, gnadenlos alte Zöpfe abzuschneiden und damit viele "traditionelle" Computer-User vor den Kopf zu stoßen. Diskettenlaufwerke und andere Peripheriegeräte, die per Parallelport angeschlossen wurden (z. B. Drucker), konnten nicht mehr genutzt werden und mussten durch USB-Hardware ersetzt werden. Und trotz vieler kleiner Einschränkungen war der iMac G3 die Rettung Apples und der Archetypus eines Desktop-Computers, der für "Jedermann" geeignet war.
Warum? Weil er einfach war! Für die damalige Zeit zumindest. – Und bunt!
Der
neue iMac M1 24" ist ebenfalls ein Computer für die Massen. Praktisch alles an ihm ist genau darauf ausgerichtet, den Nutzern keine Steine in den Weg zu legen. Manche nennen ihn darum etwas abwertend ein iPad am Monitorfuß. Ironischerweise ist das aber eher ein großes Lob, denn das iPad ist der wahrscheinlich einfachste und zuverlässigste Computer überhaupt. Nur eben mit iOS, das gegenüber macOS prinzip- und entwicklungsbedingt nach wie vor gewisse Einschränkungen mit sich bringt.
Sehen wir uns den neuen iMac M1 24" mal etwas genauer an…Ja, seine Farbgebung ist auffällig und die Farbkombinationen (satt hinten, blass an der Vorderseite) sind gewöhnungsbedürftig. Zur Not passt die silberne Variante für konservativere Geschmäcker. Doch gerade Normalverbraucher, und darunter mit Sicherheit auch viele weibliche Kunden, dürften von der Farbauswahl sehr angetan sein.
Der iMac M1 24" ist zudem kein High-End-Gerät. Er ist eine Mac-Einsteigermaschine mit "All-In-One"-Charakter. Er spricht all diejenigen an, denen Computer noch heute viel zu nerdig und zu kompliziert sind. Auspacken, aufstellen, Stecker rein, starten, läuft. – So muss das sein. Die Masse der iPhone-Nutzer interessiert es doch auch einen feuchten Kehricht, welcher Prozessor in ihrem Smartphone steckt, wie hoch die Pixeldichte des Display oder dessen Bildfrequenz ist. Hauptsache, die Technik ist auf dem allerneusten Stand. Dafür sorgt Apple verlässlich. Wie das iPhone vermittelt der neue iMac mit jeder Pore ein iPhone- oder iPad-ähnliches Computererlebnis. It just works.
Und er wendet sich an die Abermillionen von Büroanwendungen, für die höchste Prozessor- oder Grafikperformance schon lange kein Thema mehr ist, sondern bei denen es auf ein einfach zu installierendes, administrierendes und repräsentatives Arbeitsgerät ankommt. Apple hat alles dafür getan, die Ausstattung genau auf deren Bedürfnisse auszurichten.
So ist beispielsweise seine flache und damit seitlich betrachtet fast unsichtbare Bauweise ein starkes Argument für repräsentative Wohnraum- und Bürogestaltung. Und das flache Design ist natürlich auch der Grund, warum ein neues Steckersystem entwickelt werden musste. Normale Kaltgerätestecker sind zu groß dafür. Ebenso, wie RJ45-Netzwerkbuchsen, weshalb die in das ausgelagerte Netzteil verlegt wurde, das seinerseits ebenfalls zu dick für den Einbau hinter dem Display ist. Auch die Klinkenbuchse musste aufgrund ihrer Tiefe an die Seite des Gehäuses verlegt werden, das insgesamt nur 11,5 mm dick ist. Ja, diese Schlankheitsliebe mag manchen stören, weshalb immer wieder Rufe zu hören sind, wie "hätten sie ihn doch einfach ein paar Zentimeter dicker gemacht". Aber das wäre ein Zugeständnis an einen zu kleinen Anteil der Zielgruppe.
Die folgenden Bilder zeigen deutlich, wo Apple die Zielgruppe sieht:
Apropos Anschlüsse: Dieser iMac ist primär auf Wireless-Konnektivität ausgelegt. Eine überwältigende Mehrheit der Zielgruppe dürfte völlig zufrieden damit sein, den Computer per WLAN mit dem Router zu verbinden, den Drucker drahtlos anzusteuern und Fotos/Videos über die Cloud oder per AirDrop mit seinen iDevices auszutauschen. Der bislang schwer zugänglich an der Rückseite untergebrachte SD-Slot war schon immer eine Krücke. Wer ihn dringend brauchte, hat schon beim bisherigen iMac höchstwahrscheinlich einen Hub verwendet. Dazu zähle auch ich mich.
Überall da, wo es darauf ankommt, hat Apple die richtigen Entscheidungen getroffen. (Allen kann man es sowieso nicht recht machen.) So gibt es den neuen iMac wahlweise auch mit VESA Mount Adapter zur Befestigung an Schwenkarmen, was in vielen Büros dringend erforderlich ist. Schnelles und einfaches Einloggen oder Benutzerwechsel per Touch ID ist eine weitere Kleinigkeit, die in Familien oder Büros höchst geschätzt werden wird. So wie auch die fast verzögerungsfreie Bereitschaft des Mac nach dem Einschalten, wie bei einem iPad oder iPhone.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Apple mit diesem Konzept viele neue und begeisterte Nutzer und damit Freunde finden wird. Altgediente Mac-User, die auf "mehr" gehofft hatten, werden auf die nächst größeren Modelle warten müssen, die neben größeren Bildschirmen mutmaßlich auch die nächste Prozessor-Leistungsstufe (M1X?) erhalten werden. Der Prozess der Umstellung der gesamten Range auf Apple Silcon braucht Zeit, läuft aber ganz offenbar derzeit nach Plan.