App Store: Geschäftsmodell fällt wohl auch in Europa – Kommentar: Wie es Apple selbst verzockt hat
Die Zeichen des IT-Markts stehen in mehrfacher Hinsicht auf Wandel, denn nie war es internationalen Wettbewerbshütern ernster als momentan, die Tech-Giganten in ihrer Handlungsfreiheit deutlich einzuschränken. Auch Apple ist seit geraumer Zeit ins Visier geraten und muss sich damit abfinden, nicht mehr wie bislang schalten und walten können. Dabei gab es in den vergangenen Monaten mehrere Schläge zu verkraften. Weitgehend hinfällig wurde bereits das langjährige Verbot für Entwickler, auf externe Shop-Systeme hinweisen zu dürfen. Zunächst hatten Gerichte in Japan und Südkorea einen Strich durch die Rechnung gemacht, dann folgte ein Urteil in den USA.
Als Nächstes ist nun Europa an der Reihe. Derzeit entschied zwar nur ein niederländisches Gericht
gegen Apple, angesichts der EU-weiten Bestrebungen scheint der Kurs jetzt aber klar. So besagt das Urteil, Apple mache sich durch die Store-Bedingungen wettbewerbsfeindlichen Verhaltens schuldig. Geklagt hatte die Dachgesellschaft des Dating-Portals Tinder, welche ins Feld führte, Apple verhindere widerrechtlich eine direkte Kommunikation mit den Kunden bezüglich Zahlungsabwicklung. Zwar wurde noch keine konkrete Strafe verhängt, für Apple ist der Ausgang dennoch geradezu dramatisch. Es scheint sehr wahrscheinlich, dass somit europaweit die Bestimmung gefallen ist, Apples In-App-System verwenden zu müssen.
Hohe Einnahmen, hohe Provisionen – doch es könnte bald vorbei sein
Warum es Apple schlicht verzockt hatBei jeder für Apple ungünstigen Entscheidung war dasselbe Verhalten zu beobachten: Apple reagierte stets mit minimal-möglicher Bewegung. Es macht regelrecht den Anschein, als kämpfte das Unternehmen um jeden einzelnen Tag, an dem man noch 30 Prozent Provision auf Store-Umsätze erzwingen kann. Besonderen Spott rief die "Einigung" mit Entwicklern hervor, wonach kein Verweis auf einen externen Store erlaubt sein sollte – wohl aber die Angabe einer Mail-Adresse, um darüber dann über alternative Zahlungsweisen zu informieren.
Apple hat dadurch die Chance verpasst, noch selbst die Zügel des Handelns zu führen. Möglicherweise wäre die Sache weitaus weniger eskaliert, hätte Apple das halbgare und unnötig komplizierte "Small Business Programm" konsequenter umgesetzt. Mit einem frühzeitigen "Alle zahlen nur noch 15 Prozent" oder einem noch wagemutigeren "Wir senken für alle die Gebühren auf marktübliche 10 Prozent, Abwicklung über den Store bleibt aber Pflicht" wäre den gesetzlichen Bestrebungen Wind aus den Segeln genommen worden. Entwickler bekämen ungefähr die Preise, die sie mit eigenen Store-Systemen kalkulieren müssten, Apple obläge weiterhin die Abrechnungs-Hoheit. Ginge es Apple tatsächlich vor allem um Sicherheit und nicht um leicht verdiente Milliarden, hätte besagte Absenkung die Argumente gegen den Store-Zwang weitgehend widerlegt. Apple führte den Wettbewerbshütern hingegen vor Augen, was das eigentliche Interesse ist.
Aktuelle Entwicklung: Keine Seite gewinntDerzeit sieht es hingegen für alle Beteiligten nach dem schlechtesten Ausgang aus. Apple muss wohl schon sehr bald bedingungslos externe Kaufabwicklung zulassen – womit Kunden sich für In-App-Käufe vermehrt bei Drittanbietern zu registrieren und dort Zahlungsdaten zu hinterlegen haben, Scammern noch mehr denn je Tür und Tor geöffnet wird. Gleichzeitig dürften sich sämtliche großen Anbieter, welche für den überwiegenden Teil des Store-Umsatzes verantwortlich sind, zeitnah zugunsten ihrer eigenen Zahlungssysteme verabschieden. Apple entgeht damit nicht nur Milliardenumsatz, auch die Qualität des App Stores könnte weiter leiden. "Provision weg, Sicherheit weg", wäre dann das Fazit.
Schon offiziell angekündigt ist, dass Verweise auf externe Stores ab Januar unter bestimmten Voraussetzungen offiziell erlaubt sind. Gleichzeitig muss Apple auf das US-Urteil reagieren, wonach die Freigabe noch weitreichender zu erfolgen hat. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, wie Apple genau vorgehen will. Angesichts des Taktierens der letzten Monate und Jahre steht zu befürchten, dass Apple weiterhin alles tun wird, um Anbieter zur Nutzung des Store-Systems zu bewegen und Alternativen unbequem zu machen. Dies wiederum könnte aber noch weitere Auswirkungen haben. In den USA ist sogar im Gespräch, alternative App Stores zu erzwingen – in diesem Fall hätte Apple vollumfänglich verloren und die iPhone-Welt würde sich rapide wandeln.