Apple-Abschied von Angela Ahrendts: Was für und was gegen eine Entlassung spricht
Die überraschende Nachricht verbreitete sich vorgestern rasend schnell: Retail-Chefin Angela Ahrendts verlässt Apple im April. Da sie dem so wichtigen Einzelhandelsbereich des Unternehmens vorsteht, kommt ihr plötzlicher Weggang einem mittelschweren Beben in Apples Führungsebene gleich. Trotz Ahrendts’ warmer Worte zum Abschied und dem Lob für ihre Nachfolgerin Deirdre O'Brien kam entsprechend schnell die Frage auf, ob Ahrendts Apple wirklich freiwillig verlässt oder nicht vielmehr entlassen wurde.
Was für einen erzwungenen Abgang von Ahrendts sprichtApple spricht in der dazugehörigen
Pressemitteilung von „neuen persönlichen und professionellen“ Zielen, die Ahrendts ab April verfolgen werde. Hinweise auf eine konkrete Position bei einem anderen Unternehmen finden sich nicht. Der Grund für Ahrendts’ Schritt scheint also keine vielversprechende Karriereoption bei einem anderen Unternehmen zu sein, zumal ihr Posten bei Apple zu den begehrtesten der Branche zählt und auch finanziell außerordentlich gut entlohnt wird.
Bloomberg zufolge verdiente sie in ihren fünf Apple-Jahren mehr als 170 Millionen US-Dollar (Lohn, Bonuszahlungen, Aktienpakete). Zudem könnte die Formulierung der „neuen persönlichen und professionellen“ Ziele eine Art amerikanischer Arbeitszeugnis-Code für „entlassen worden“ sein, so
CultofMac.
Warum ein freiwilliger Abschied wahrscheinlicher istDagegen gibt es keine Hinweise darauf, dass Apple mit ihrer Arbeitsleistung unzufrieden war. Zwar kommt die Bekanntgabe ihres Weggangs nur kurze Zeit nach den enttäuschenden iPhone-Umsätzen im Weihnachtsquartal 2018 – doch andere, konkret auf Apples Retail-Präsenz bezogene Zahlen werfen ein deutliches besseres Licht auf Ahrendts’ Wirken. Die Apple Store-Verkaufswerte pro Quadratmeter Ladenfläche etwa stiegen während der Amtszeit der Noch-Einzelhandelschefin um 21 Prozent auf 5.637 US-Dollar, so
eMarketer.
Quelle: Apple
Auch wenn Entwickler wie
Ryan Jones und andere Nutzer per Social Media starke Kritik an Ahrendts’ Arbeit üben, da sie die Apple Stores in ein „frustrierendes Chaos mit langsamen Service- und Kaufvorgängen“ verwandelt habe, entwickelte die Retail-Chefin ihre Store-Strategie bis zuletzt kontinuierlich weiter. Ahrendts verkündete kürzlich sogar noch ihre Zukunftsvision für die Apple Stores und bezog sich dabei auf Werte des Apple-Mitbegründers Steve Jobs. Das Zusammenkommen von Menschen und der Bildungsaspekt sollen im Mittelpunkt der Ladengeschäft-Strategie stehen – der Verkauf möglichst vieler Produkte sei dagegen nur von untergeordneter Bedeutung. Entsprechend finden in Apple Stores immer öfter gutbesuchte „Today at Apple“-Events statt, zu denen etwa Konzerte und Swift-Programmierkurse für alle Altersstufen zählen.
Auch die
Abschiedsworte von Apple-CEO Tim Cook lassen keine Rückschlüsse auf eine mögliche Entlassung zu – auch nicht zwischen den Zeilen. Er dankt Ahrendts ohne Wenn und Aber für „all das, was du getan hast, um unsere Teams zu inspirieren und mit Energie zu füllen“. Es sei ein bittersüßer Moment, da er einerseits den Abschied der jetzigen Retail-Chefin bedauere, sich aber andererseits auf Deirdre in ihrer neuen Funktion freue. Außerdem ist in Apples Pressemitteilung die Rede von „fünf erfolgreichen Jahren", die Ahrendts im Unternehmen verbrachte.
Apple wählt bei Entlassungen zudem oft den sogenannten „Gardening Leave“ – geschasste Führungskräfte bleiben noch eine Übergangszeit von beispielsweise einem Jahr im Unternehmen und erhalten eine Sonderrolle als „Special Adviser to the CEO“. Doch in der Zeit üben sie keine tatsächliche Tätigkeit aus. Apple möchte so nur verhindern, dass hochrangige Angestellte schnell zur Konkurrenz wechseln und unter Umständen Firmengeheimnisse mitnehmen. Ein „Gardening Leave“ liegt bei Ahrendts definitiv nicht vor.
Ahrendts' Sehnsucht nach London und der FamiliePrivate Gründe könnten für Ahrendts Entschluss, ihren Apple-Posten aufzugeben, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Im
Vogue-Interview sprach sie kürzlich davon, wie sehr sie ihre erwachsenen Kinder vermisse, die in London leben. Als CEO von Burberry arbeitete sie früher selbst von Englands Hauptstadt aus und fühlte sich dort dem eigenen Bekunden nach sehr wohl. Für Apple musste sie an die amerikanische Westküste ziehen. „Aber Kalifornien ist nicht so schlecht!“, so Ahrendts gegenüber Vogue.