Praxistauglichkeit – Stimmen Klang, Bedienung und Zuverlässigkeit?Die Aktivierung von Apple Music erfolgte bei mir aufgrund der Tatsache, dass zuerst iOS 8.4 verfügbar war und iTunes 12.2 erst viele Stunden später zum Update bereit stand, auf dem iPad. Nach dem ersten Start der neuen Musik-App erschien ein Begrüßungsbildschirm mit der Auswahl, entweder zur eigenen Musik-Sammlung zu wechseln oder das Probeabo für 3 Monate zu starten. Ich wollte natürlich gleich letzteres ausprobieren. Im nächsten Bildschirm erfolgte die Auswahl des Abos: "Einzelperson" oder "Familie". Anschließend erschienen mehrere Screens mit nett animierten Grafiken, in denen man Apple seinen eigenen Musikgeschmack mitteilen kann, damit passende Musikvorschläge gemacht werden können. Das war's auch schon. Mit der Apple ID angemeldet steht der Dienst danach sofort zur Verfügung.
BedienungDie neue App ist grafisch und in der Bedienung gut durchdacht, aber es braucht eine gewisse Zeit, sich mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen. Nicht jeder findet sich hier auf Anhieb zurecht, weshalb es ebenso kritische wie positive Stimmen zum neuen Benutzerinterface gibt. Nach meiner Meinung ist das Konzept gelungen, bietet aber auch einige Fallstricke bzw. wirft hier und da Fragen auf.
Es gibt eine recht klare Unterteilung zwischen der eigenen, lokal gespeicherten Musik, und dem Apple Musikangebot. So findet sich unter iOS bei einer Suche am oberen Bildschirmrand eine deutliche Unterscheidung zwischen diesen beiden Bereichen "Apple Music" und "Meine Musik". In iTunes findet sich diese im Pop-Up-Menü des Suchfeldes.
So weit, so eindeutig. Etwas verwirrend finde ich derzeit noch die Möglichkeiten, Inhalte von Apple Music in die eigene Musiksammlung zu übernehmen bzw. diese offline verfügbar zu machen. Ein sehr wichtiges, aber auch sehr unscheinbares Funktionselement ist dafür das Icon mit den drei Punkten
[…] Darunter verbergen sich u.a. die fraglichen Optionen, beispielsweise die Musik einer Playliste hinzuzufügen, sie offline bereitzustellen (derzeit nur in iOS) oder zu "Meine Musik" hinzuzufügen. – Zumindest unter iOS klappt das auch einwandfrei.
In iTunes fehlen einige dieser Optionen, z.B. die Offline-Bereitstellung
*. Die Auswahl zu "Meine Musik" hinzuzufügen, gelang mir bislang auch nicht, weil dafür die Nutzung der
iCloud-Mediathek erforderlich ist (siehe Screenshots), was aber bei mir zu einer immer wiederkehrenden Fehlermeldung führt.
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*Nachtrag: *Wie ein aufmerksamer Leser berichtete, ist diese Funktion doch in iTunes vorhanden, aber etwas versteckt. Sie erfordert das Hinzufügen der Musik zur eigenen Sammlung und damit die Aktivierung der iCloud-Mediathek. Über das Cloud-Symbol soll die Offline-Bereitstellung verfügbar sein (noch nicht ausprobiert).]
Zum Glück, wie sich herausgestellt hat! Die Aktivierung der iCloud-Mediathek in iTunes führte bei manchen Usern dazu, dass vorhandene Wiedergabelisten einschließlich enthaltener Songs verschwanden. Zusätzlich wurden in manchen Fällen auch Meta-Daten und Coverbilder geändert. (siehe
MTN-Meldung)
Von der Aktivierung der iCloud Mediathek in iTunes ist daher vorerst abzuraten. Zumindest solange, bis Apple die Probleme in den Griff bekommen hat und Datenverluste auszuschließen sind.
Ebenfalls unklar ist mir zur Zeit noch, wie ich Musik von meinem Mac auf mein iPhone lade, wenn bei letzterem die iCloud-Mediathek aktiviert ist, auf dem Mac aber nicht. Einfach Drag&Drop der Playliste auf das iPhone geht nicht und über die z.T. ziemlich verschachtelten Optionen zum Bearbeiten von Playlisten auf dem jeweiligen Device klappt es auch nicht. – Manchmal war früher wirklich alles einfacher.
Insgesamt ist die Bedienung von Apple Music in iTunes momentan noch etwas eingeschränkt:
- Die vorgeschlagene Musik unter "Für Dich" kann man in iOS aktualisieren (Fenster über den oberen Rand hinaus runterziehen). In iTunes fehlt diese Option; auch [cmd]-R (Reload der Seite) funktioniert nicht.
- In iOS können Musikvorschläge über das Kontextmenü als unpassend markiert werden ("Weniger davon empfehlen"). Auch das fehlt in iTunes.
- Kontextmenüs über die rechte Maustaste sind praktisch nicht-existent. Es muss immer das Symbol mit den drei Punkten angeklickt werden.
- Surft man während der Wiedergabe eines Albums in andere Bereiche von Apple Music, ist nicht eindeutig, wie man zur gerade gespielten Musik zurückfindet. Am einfachsten ist es über [cmd]-L. In iOS kann man auf die Titelanzeige tippen. In iTunes geht das nicht.
Vielleicht habe ich hier noch gewisse Verständnisprobleme beim Zusammenspiel der verschiedenen Devices und vor allem der iCloud-Mediathek. Jedenfalls ist nicht alles so intuitiv nutzbar und für den Nutzer so einfach verständlich, dass jede Kritik an der Nutzbarkeit unberechtigt wäre. Der Einstieg in Apple Music ist kinderleicht, die Nutzung per iOS App oder iTunes in vielen Punkten gut, aber im Detail eindeutig verbesserungsfähig, manche Bereiche sogar ziemlich undurchsichtig. Ich brauche definitiv noch mehr Zeit, um sämtliche Klippen zu umschiffen.
Zuverlässigkeit und KlangEin großes Lob gebührt Apple für die bislang (bei mir) hervorragende Zuverlässigkeit der Streams. Egal ob Radio oder individuell gestreamte Musik: Praktisch sofort nach dem Druck/Klick auf den Play-Button startet die Musik, wird zügig gebuffert und spielt (bislang) ohne Aussetzer. Natürlich ist das auch von der verfügbaren Downloadbandbreite des Nutzers abhängig, aber eine funktionierende 16.000er Leitung (bei mir real real 11.000 kbit/s) bietet natürlich mehr als genug Reserven, um einen 256-kbit/s-Stream stabil zu übertragen. Von Apples Seite, also beim Upload von den Servern, scheint im Augenblick ausreichend Kapazität zur Verfügung zu stehen. Trotz des ersten Ansturms konnte ich bislang keine Engpässe feststellen. Die Musik startet praktisch genauso schnell und spielt so zuverlässig wie bei lokaler Wiedergabe.
Aber wie steht es mit dem Klang? Kann Apple mit seinem Angebot auch Klanggourmets überzeugen? Schließlich sind 256 kbit/s AAC, also ein Format mit verlustbehafteter Komprimierung, technisch gesehen noch nicht einmal CD-Qualität. AAC bietet aber erfahrungsgemäß eine etwas bessere Qualität als MP3 mit gleicher Bitrate. Nach meiner Einschätzung entspricht 256 kbit/s AAC klanglich ungefähr 320 kbit/s MP3. Im Vergleich zu anderen Streaming-Anbietern steht Apple Music also nicht schlechter da, wenn man mal Angebote wie Tidal außen vor lässt, die auch 320 kBit/s (AAC) und sogar Flac 1411 kBit/s-Lossless anbieten – letzteres allerdings zu einem deutlich höheren Preis von 19,99 Euro/Monat.
Nüchtern betrachtet sieht die Sache so aus: Vermutlich 95% aller Nutzer werden beim normalen Musikkonsum, egal ob daheim oder unterwegs, selbst mit guten Anlagen kaum einen Nachteil gegenüber CDs feststellen. Auch für mich als audiophilen ist die Qualität überwiegend ausreichend. Nur im direkten Vergleich mit lokalen Hi-Res-Files und bei konzentriertem Musikhören über gute Kopfhörer oder Lautsprecher werden die Limits des komprimierten Formats nachvollziehbar. Die gestreamte Musik wirkt flacher und steriler, winzige Details werden verschliffen, die Räumlichkeit büßt ein wenig an Realismus ein. Die Unterschiede mögen den meisten marginal erscheinen. Genau solche Feinheiten sind es aber, die für HiFi-Fans von großer Bedeutung sind. Ein Ersatz für unkomprimierte oder gar hochauflösende Musik ist Apple Music also nicht. – Was kein Grund sein muss, auf die enormen Vorteile des Apple Angebots komplett zu verzichten. Schließlich besteht auch für Abonnenten jederzeit die Möglichkeit, bestimmte Alben unabhängig davon in höherer Qualität zu erwerben und abzuspielen.