3D-Audio mit Dolby Atmos – eine Revolution?Drittens: Apple bringt 3D-Audio mit Dolby AtmosWas bedeutet das?
Hier wird es etwas tricky, denn die langfristigen Auswirkungen von 3D-Audio sind noch nicht genau abzusehen. Übrigens nennt Apple dieses Feature im Englischen "Spatial Audio". Erst mal die Grundlagen:
3D-Audio mit Dolby Atmos ist – vereinfacht ausgedrückt – ein Verfahren, um Musik so abzumischen, dass sie mit Hilfe eines entsprechenden Decoders im Wiedergabegerät über nur zwei Kanäle einen räumlichen Klang ähnlich Surround bietet.
Statt wie bei den verschiedenen Surroundformaten mit mehr als zwei Lautsprechern zu arbeiten, ist Apples 3D-Audio ein virtuelles Surround-Verfahren.
Beispiel: Im Kino oder Heimkino kann Surroundsound mit vier Lautsprechern wiedergegeben werden. Zwei Hauptlautsprecher und zwei Rear-Speaker für den Tonanteil von hinten reichen im Prinzip aus. Das wäre ein 4.0-Setup. In der Praxis kommt meist noch ein Center-Kanal zwischen den Hauptlautsprechern hinzu, der dafür sorgt, dass Stimmen immer aus Richtung des Bildschirms kommen, auch wenn der Hörer nicht mittig davor sitzt. Ein zusätzlicher Subwoofer kann über den LFE-Kanal (Low Frequency Effect) für mehr Bassfundament sorgen. Ein solches Setup wird 5.1 genannt. Also fünf Lautsprecher plus ein Subwoofer. Darüber hinaus gibt es viele weiter Surround-Setups mit unzähligen Lautsprechern und Subwoofern, die rund um das Auditorium positioniert werden und auch Höheninformationen wiedergeben können.
Apple 3D-Audio arbeitet bei der Ausgabe aber immer nur mit zwei Kanälen (links und rechts). Der hierfür erforderliche Decoderchip steckt beispielsweise schon in den AirPods Max Kopfhörern. Dieser Decoder entschlüsselt das in Dolby Atmos codierte Signal und sorgt mit geschickten Phasenverschiebungen dafür, dass der Hörer meint, der Ton würde sich frei um ihn herum bewegen und nicht nur von links nach rechts durch den Kopf wandern (Im-Kopf-Effekt). Ob bei Musik auch Kopfbewegungen wie bei 3D-Sound mit Filmen aus Apple TV+ berücksichtig werden, wird sich zeigen.
Daraus können wir auch schon folgendes schließen: 3D-Audio wird vorerst nur mit Kopfhörern aus dem Hause Apple funktionieren, die einen H1 oder W1-Chip haben. Und nur mit Musik, die speziell dafür abgemischt wurde. Das sollen nach Apples Aussagen zum Start „tausende“ von Titeln sein – was bei einem Katalog von 75 Mio. sehr wenig ist.
Über herkömmliche Audiokomponenten bzw. Lautsprecher wird Apples 3D-Audio nicht funktionieren. Kopfhörer arbeiten in einer gut kontrollierbaren akustischen Umgebung, nämlich dem Ohr und Hörkanal. Die sind zwar auch von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeformt, aber nicht so unberechenbar, wie die Raumakustik im Wohnzimmer oder Hörraum, wo die Anlage steht.
Zwar gibt es bereits seit vielen Jahren auch für Daheim Lautsprechersysteme, die mit nur einer Box einen virtuellen Rundum-Klang generieren können (z. B. Yamahas Sound Projector Prinzip), aber Apple wird sich zumindest vorerst wohl nur auf Kopfhörer konzentrieren. Völlig unklar ist derzeit noch, mit welchen Datenraten dabei gearbeitet wird. Da das 3D-Audio vorerst nur mit Apples Bluetooth-Kopfhörern funktioniert, ist aber sicher eine starke und verlustbehaftete Komprimierung im Spiel. Des weiteren ist zu beachten, dass künstlich erzeugte Räumlichkeit über Stereo-Schallwandler aus Sicht von Klangpuristen, die ein möglichst unbeeinflusstes Abbild der Darbietung über reine Stereo-Räumlichkeit erleben wollen, kaum von übermäßigem Interesse sein wird.
Meine Erfahrungen mit 3D-Audio in den AirPods Max und entsprechenden Filmen auf Apple TV+ sind sehr positiv. Der Effekt ist – verglichen mit anderen virtuellen Surround-Systemen – sehr realistisch und durchaus beeindruckend. Ob und wie gut dies mit speziell abgemischter Musik sein wird, bleibt abzuwarten. Ich bin mir jedoch sicher, dass traditionelles Stereo damit nicht vor dem Aussterben steht. Zumal es sich mal wieder um eine sehr proprietäre Lösung handelt, die vorerst nur mit wenigen Apple-eigenen Produkten funktioniert und nur über dessen Streamingdienst genutzt werden kann.
EinschätzungEs war höchste Zeit, dass Apple seine Blockadehaltung gegen höher aufgelöste Audioformate aufgibt. Vor allem aber, dass die starke, verlustbehaftete AAC-Kompression nun nicht mehr die einzige Wahl für alle Apple-Music-Nutzer ist. Vielleicht war es am Ende tatsächlich die HiRes-Ankündigung vom Marktführer Spotify, die Apple zu einer Reaktion zwang. Wie dem auch sei, nun ist es endlich so weit.
Werden damit auf hohe Audioqualität spezialisierte Dienste wie Qobuz oder Tidal aussterben? Diese Befürchtung habe ich nicht. Denn es sind wie gesagt spezialisierte Anbieter. Solange es beispielsweise keine bessere Zusammenarbeit mit Audioherstellern und Integration von Apple Music in Streamingsysteme aller Art gibt, und solange Apple Music mit seiner Musikpräsentation hauptsächlich ein Mainstream-Publikum anspricht, werden die HiFi-Freunde weiter auf Qobuz & Co. schwören. Allerdings könnte Apples günstiger Abo-Preis den Druck auf diese kleinen Wettbewerber deutlich erhöhen. Die Zukunft wird es zeigen.
Auch für den Normalanwender mit gehobenem Klanganspruch ist es sehr erfreulich, dass nun endlich CD-Qualität in größerem Umfang geboten wird. Darüber hinaus sind auch die HiRes-Möglichkeit eine sehr willkommene Ergänzung. Erwarten Sie sich von den in HiRes angebotenen Titeln (die vorerst nur einen kleinen Prozentsatz des Katalogs ausmachen werden) aber bitte keine dramatischen Klangsteigerungen. Die Unterschiede zwischen CD- und HiRes-Qualität sind eher subtiler Natur und nur unter optimalen Voraussetzungen mit hochwertigen DACs und Lautsprechern von Belang. Richtig guter Klang ist auch mit „nur“ CD-Qualität kein Problem.
3D-Audio ist eine nette Ergänzung, die auf unabsehbare Zeit exklusiv Abonnenten von Apple Music (und Apple TV+) und Nutzern bestimmter Apple Kopfhörer vorbehalten bleiben wird. Ein technisch gelungenes, proprietäres Wiedergabeformat, dass mit der „reinen Lehre“ der Musikwiedergabe aber nichts zu tun hat und unter dem Strich nur einen Effekt darstellt. Das ist nicht abwertend gemeint. Ich sehe damit aber auch keine Revolution des Audio-Marktes bevorstehen.
Auf jeden Fall schön, dass Apple mit lossless und HiRes lossless endlich mal die leicht schleifende Handbremse löst.