"Apple Streaming": Starke Netflix-Konkurrenz oder halbgarer Versuch, sinkende iPhone-Verkäufe zu kompensieren?
Zumindest Geld hat Apple momentan im Überfluss. Ein wirklich umfassendes Angebot aus Eigenproduktionen braucht viele Jahre, um auf ein vernünftiges Maß zu wachsen. Zugekaufte Serien und Spielfilme können und müssen anfängliche Angebotslücken auffüllen. Allerdings wird das wohl kaum mit abgenudelten Spielfilmen von der Resterampe gelingen, die schon in der X-ten Wiederholung im Free-TV liefen. Einigermaßen aktuelle Produktionen müssen es schon sein. Und da gibt es ein weiteres Problem…
Ausstrahlungsrechte sind nur selten für ewig und nicht immer exklusiv. So kann man beispielsweise bei Netflix sehr gut beobachten, wie Spielfilme auftauchen, nach einiger Zeit wieder verschwinden, und vielleicht irgendwann mal wieder auftauchen. Teilweise hängt das hierzulande wohl mit Ausstrahlungsrechten öffentlicher und privater Sender zusammen. Läuft beispielsweise auf Pro7 gerade ein aktueller Spielfilm, wird der zur selben Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Netflix verfügbar sein. Ein paar Wochen davor oder danach aber vielleicht schon. Bei anderen Anbietern sieht es nicht anders aus.
Es gibt keinen Streaminganbieter, der so gut wie alles stets verfügbar hat. Von diesem Gedanken müssen wir uns ein für alle Mal verabschieden. Mit Apples Einstieg in die Streamingwelt (sowie durch andere neue Dienste, wie Disney+) wird die
Fragmentierung der Angebote nur noch größer. Daher wird es für alle TV-Streamingplattformen künftig umso entscheidender sein, selbst Erfolgsformate zu produzieren, die ihnen kein fremder Rechteinhaber mehr wegnehmen kann. So muss Netflix aktuell viele Marvel-Produktionen und Star Wars an den eigentlichen Rechteinhaber Disney zurückgeben, die ihren eigenen Streamingdienst starten.
Aber einen Vorteil hat das: Die Eigenproduktionen müssen so gut und zahlreich sein, dass sich die Abonnenten nicht zum Plattform-Hopping oder gar zum kompletten Wechsel veranlasst sehen. Netflix hat auf diesem Gebiet einen guten Stand, da sie mit Serien wie "Stranger Things", "House of Cards" und anderen bereits ausgesprochen große Erfolge feiern konnte, und darüber hinaus einen riesigen Fundus an weiteren ansprechenden Serien, auch aus internationalen Produktionen, im dauerhaften Angebot hat. Spielfilme treten daher bei Netflix auch etwas in den Hintergrund, werden aber ebenfalls in großer Zahl von Netflix selbst produziert.
Apple hat demgegenüber noch einen weiten Weg zu gehen. Aber das nötige Rüstzeug – sprich: Geld – ist da.
Hilfreich sind vielleicht auch andere Dinge, die sich schon im Vorfeld angekündigt haben. So ist es sicherlich kein Zufall, dass AirPlay 2 in diesem Jahr auf diversen TV-Geräten verschiedener Hersteller verfügbar wird. Das ermöglicht ein einfaches und komfortables Streamen von Inhalten (nicht nur aus dem Streaming-Angebot) via Mac oder iDevice auf den großen Flatscreen und ist ein weiterer Anreiz, Apples Konzept anzunehmen. Bis Apple Streaming aber wie Netflix eine eigene Taste auf den Smart-TV-Fernbedienungen bekommt, wird noch viel Wasser den Bach herunter fließen.
Ebenfalls locken soll – wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf – die Bündelung verschiedener Angebote in einer Art Flatrate für TV, Musik und Zeitschriften. Etwas, das der große Konkurrent Netflix so gar nicht bieten kann. Da aber beispielsweise das Zeitschriftenangebot derzeit nur auf den US-Markt beschränkt ist, müsste es eine flexible Preisstruktur der Flatrate für andere Länder geben.
Es gäbe noch viele weitere Aspekte zu analysieren und Diskutieren. Zum Beispiel, ob Apple auch in großem Umfang 4K-Qualität zum anständigen Preis anbieten wird. Oder ob man künftig mit Smart-TV-Geräten per App direkt auf Apple Streaming wird zugreifen können. Hoffentlich werden wir schon am Montag beim "It's show time"-Event erfahren, wie Apple all die Details lösen wird. Die neuen Dienste werden aber auf jeden Fall sehr wichtig für die Zukunft des Unternehmens sein. Auch die "alten Apple-Hasen" werden sich damit anfreunden Müssen, dass ihre (noch?) Lieblingsmarke künftig auf vielen weiteren Hochzeiten tanzen wird. Nur mit Hardware allein ist künftig kein Blumentopf mehr zu gewinnen.