Verkaufsstrategien sind selten im Sinne des Verbrauchers. Man kennt das aus Supermärkten. Die Gänge sind so angelegt, dass Kunden möglichst immer durch den ganzen Laden geführt werden, damit sie – so die Hoffnung – auch noch andere Dinge aus den Regalen abgreifen, die sie eigentlich gar nicht auf dem Zettel hatten. Außerdem wird das Angebot oft umgeräumt, was den Kunden von seinen gewohnten Pfaden abbringt und ihn – so der Plan – neue Produkte entdecken lässt.

Bei TV-Streamingdiensten scheint es ganz ähnliche Strategien zu geben, deren Absicht es ist, den Konsum zu erhöhen. Ständig werden die Apps umstrukturiert, was das Benutzererlebnis nicht immer verbessert. Im Gegenteil. So manche „Verbesserung“ führt eigentlich nur zu mehr Frust beim Nutzer.


Im Folgenden habe ich aus vier Streaming-Apps ein paar Punkte zusammengetragen, die mir persönlich gegen den Strich gehen. Manche davon sind aus Nutzersicht wirklich schwer nachzuvollziehen. Technisch ginge es jedenfalls mit Sicherheit deutlich komfortabler.

Hinweis: Bei allen genannten Punkten beziehe ich mich auf die in meinem Samsung TV verfügbare App des jeweiligen Anbieters. Die Apps sind nicht auf allen Plattformen funktional identisch. Es können sich also Abweichungen zu der von Ihnen genutzten App ergeben.


Disney+ App: Das nervt

• Zum Aufruf der Weiterschauen-Liste muss fünf Zeilen nach unten geklickt werden. Sollte zumindest im direkten Sichtfeld spätestens in dritter Reihe stehen.
• Weiterschauen-Liste zeigt zu Ende angesehene Folgen oder Filme mit Restzeit an (noch XX Minuten).
• Inhalte, die nicht weiter angesehen werden sollen, lassen sich nicht aus der Weiterschauen-Liste löschen. Verschwinden nur automatisch nach ca. zwei Wochen, wenn sie nicht noch mal angeklickt wurden. Bei längeren Pausen (etwa, wenn man sich Folgen aufsparen will), werden diese ungefragt nach den ca. zwei Wochen aus der Liste gelöscht.
• Von der Weiterschauen-Liste aus kommt man nicht direkt in die Folgen-Übersicht bzw. zu den Details.
• Lästiges automatisches Abspielen der nächsten Folge seit kurzem auch bei Disney+. Lässt sich nicht abschalten.
• Bereits angesehene Inhalte werden nicht deutlich markiert. (Nur anhand Fortschrittsbalken in der Übersicht erkennbar.) Wie bei allen anderen Apps fehlt auch hier eine direkt zugängliche „Schon gesehen“-Liste. Ein kleines Häkchen am Cover würde ebenfalls helfen, bereits konsumierte Inhalte zu kennzeichnen. Evtl. zusätzlich mit Datumsanzeige, wann zuletzt gesehen.
• Bereits angesehene Inhalte werden immer wieder vorgeschlagen, auch wenn diese erst kürzlich gesehen wurden oder schon in der Weiterschauen-Liste stehen.
• Untertitel bei Serien ohne deutsche Tonspur müssen jedes mal manuell ein- und ausgeschaltet werden.
• „Intro überspringen“ landet oft mitten im Intro, lange bevor dieses vorbei ist. Wird unsinnigerweise auch bei extrem kurzen Intros angeboten, was dann eher zu einem kurzen Rücksprung führt.
• Allgemein sehr wenige App-Konfigurationsmöglichkeiten.

Amazon Prime App: Das nervt

• Zum Aufruf der Fortsetzen-Liste muss ganze sechs Zeilen nach unten geklickt werden. Sollte zumindest im direkten Sichtfeld spätestens in dritter Reihe stehen.
• Vorschläge für „Prime Amazon Originals und Exclusives“ mit unnötig großen, expandierenden Kacheln.
• „Mein Bereich“ weit unten im Seitenmenü. Sollte direkter und schneller erreichbar sein.
• Prime neuerdings auch mit sinnlosen Daumenbewertungen.
• Prime-Inhalte, Kauf/Leih-Angebote und Inhalte mit Werbung („ads“) sind bunt vermischt.
• Es gibt eine Kategorie bzw. einen „Filter“ namens „Enthalten in Prime“, doch der ist sehr weit unten versteckt und er rutscht offenbar immer weiter runter. Eine Grundeinstellung, dass ausschließlich Prime-Inhalte angezeigt werden sollen, gibt es nicht.
• Empfehlungen nach gesehener Serie oder Film verweisen nur auf Kaufinhalte.
• Nervige kurze Trailer am Anfang vieler Serien und Spielfilme. Die konnten bisher übersprungen werden, in letzter Zeit kommen jedoch zwischen zwei Folgen vermehrt Trailer, die sich nicht skippen lassen. Extra-nervig dabei: Drückt man aus Gewohnheit zum Überspringen die OK-Taste, bewertet man die gerade angesehne Folge mit Daumen runter. Auch so eine Verschlimmbesserung, die kein Nutzer wirklich braucht oder will.
• Es gibt keine Restzeitanzeige (verbleibende Spielzeit), sondern nur verstrichene Zeit und Gesamtspielzeit.
• Auch bei Prime werden stets Inhalte angeboten, die man bereits gesehen hat.
• Immer mehr Neuheiten nur mit „ads“ (Werbung) verfügbar.

Apple TV+ App: Das nervt
ATV+ abonniere ich nur gelegentlich für kurze Zeit (aktuell nicht). Die TV+-App gehört noch zu den benutzerfreundlicheren, was teilweise aber auch an dem vergleichsweise überschaubaren Angebot liegt. Dennoch gibt es auch hier störende Punkte.

• Wie es inzwischen offenbar „Standard“ ist, werden auch bei TV+ Serienfolgen zwangsweise automatisch gestartet, wenn man den Countdown nicht aktiv unterbricht. Auch hier lässt sich die Funktion nicht abschalten. Wer einschläft oder anderweitig abgelenkt wird, verpasst u. U. mehrere Folgen und muss erst suchen, wo der letzte Fortsetzungspunkt war.
• Seltsamerweise muss die Sprache beim ersten Start der App auf dem Samsung TV erst konfiguriert werden. Es fehlt offenbar eine Erkennung der Landeseinstellungen.
• Auch bei TV+ erhalten bereits angesehene Inhalte nicht immer eine klare Kennzeichnung.

Netflix App: Das nervt
Netflix habe ich vor etwas über einem halben Jahr gekündigt, da die Inhalte für meinen Geschmack immer beliebiger wurden und das Gebotene nicht länger im Verhältnis zum Preis stand. Möglich, dass ich das Abo noch mal wiederbelebe. Bis dahin ist mein Verlauf aber möglicherweise gelöscht, weil Netflix diesen nur 9 Monate speichert.

• Wie bei den meisten Apps hat auch Netflix offenbar kein Interesse daran, dem Nutzer klar anzuzeigen, welche Inhalte schon angesehen wurden. Es gibt lediglich in der Netflix Web-App in den Einstellungen eine (wenig komfortable) Liste der gesehen Inhalte.
• Das Bewertungsschema bei Netflix wurde schon vor längerer Zeit von einer noch brauchbaren Sterne-Bewertung auf Daumen rauf/runter geändert. Den Nutzen dieser „digitalen“ Wertung (gefällt / gefällt nicht) habe ich nie verstanden.
• Trotz jahrelanger Nutzung des Bewertungsschemas hat das offenbar keinerlei Auswirkung auf die Treffgenauigkeit der angebotenen Inhalte. So oder So werden stets auch Inhalte angeboten, die ich mit „Thumb down“ gekennzeichnet habe.
• Oft werden Vorschläge für Serien oder Spielfilme gemacht, die ich bereits angesehen habe. Selbst wenn das erst kürzlich war.
• Die Weiterschauen-Liste wandert wild umher und muss oft weit unten gesucht werden.

Fazit: Nutzerkomfort wird zweitrangig
Dies ist nur eine kleine Auswahl störender Punkte, die offenbar zum Konzept gehören und den Medienkonsum steigern sollen. Dabei sorgen sie eigentlich nur für Frust. Insbesondere bei Amazon stört zudem die zunehmende Vermischung von Kauf-, Leih- und Prime-Inhalten. Eine klare Trennung ist seitens des Anbieters nicht gewünscht.

Der Fairness halber sollte ich vielleicht erwähnen, dass jede App auch ihre Stärken hat. Beispielsweise bei Prime die Verknüpfung mit IMDB (Internet Movie Data Base; auch Teil von Amazon) und der guten Möglichkeit, sich über Schauspieler zu informieren, und vor allem die Anzeige der wirklich nützlichen und meist passenden IMDB-Bewertung. Doch insgesamt scheint der Trend dahinzugehen, die Apps ständig unkomfortabler zu machen, als Strategie, den Konsum zu steigern. Fragt sich, wann dieser Bogen überspannt wird.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit den TV Streaming-Apps? Was stört Sie ganz besonders?