Bei der Verkündigung des Jahresabschlusses hatte Apple-CEO Tim Cook unter vielen anderen Zahlen auch die 15 im Gepäck:
Fünfzehn zuvor selbstständigen Unternehmen kaufte Apple im Fiskaljahr 2015, das von Oktober 2014 bis September 2015 andauerte. Die Aktivität Apples bei Mergers & Acquisitions ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, gipfelnd in der 3-Milliarden-Dollar-Übernahme von Beats Electronicwird von der Öffentlichkeits im Fiskaljahr 2014. Einen solchen Brocken gab es 2015 zwar nicht, dennoch ist die Zeit der Zurückhaltung Apples in diesem Bereich vorbei. Über sechs der fünfzehn Käufe kann man nur spekulieren, aber die anderen neun sind im Laufe des Jahres an die Öffentlichkeit geraten.
MacTechNews.de gibt einen Überblick:
Camel AudioIm Januar 2015 stellte der britische Spezialist für Audio-Software Camel Audio den Verkauf eigener Produkte ein; einen Monat später wurde die Übernahme durch Apple bekannt. Die Technologie der beliebten App Alchemy fand alsbald Einzug in Apples Musikprogramme Logic Pro und GarageBand. Camel Audio leistete noch bis zur Jahresmitte Produktsupport, ist aber inzwischen komplett von der Bildfläche verschwunden. (Zur damaligen MTN-Meldung
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SemetricVor dem Kauf durch Apple hatte das britische Unternehmen Semetric das Analysewerkzeug Musicmetric zur Verfügung gestellt. Dieses fand vor allem bei Musiklabels Verwendung, um Statistiken einzusehen und Daten wie BitTorrent-Downloads, Spotify-Streaming, YouTube-Aufrufe und Beteiligungen in Social Networks einfließen zu lassen. Inzwischen steht die Technologie Medienschaffenden von Apple Music und in anderen Apple-Diensten zur Verfügung. (Zur damaligen MTN-Meldung
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FoundationDBJust im März 2015, als kurzzeitig zahlreiche Online-Dienste von Apple ausfielen, tauchten erstmals die Berichte auf, der Konzern habe den US-amerikanischen Spezialisten für Online-Datenbanken FoundationDB gekauft. Das Unternehmen hatte sich auf NoSQL-Datenbanken spezialisiert, die die ACID-Kriterien erfüllen und auch riesige Datenmengen möglichst schnell handhaben können. Durch die massive Ausweitung von Apples Online-Stores und -Dienstleistungen in den letzten Jahren war und ist Apple auf eine Steigerung von Leistungsfähigkeit und Stabilität der zugrunde liegenden Datenbankstruktur angewiesen. (Zur damaligen MTN-Meldung
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LinX Computational ImagingIm April kamen Nachrichten aus Israel, Apple habe ein dortiges Unternehmen für Kamera-Technologie gekauft. LinX Computational Imaging entwickelte Kameramodule, die trotz der kompakten Bauweise eine ähnliche Bildqualität liefern sollen wie die deutlich größeren und teureren Spiegelreflexkameras. Die stetige Verbesserung der iPhone-Kameramodule wird von der Öffentlichkeit regelmäßig bei der Präsentation neuer Smartphone-Generationen von Apple erwartet. (Zur damaligen MTN-Meldung
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Coherent NavigationAnfang des Jahres deaktivierte das US-amerikanische Startup-Unternehmen Coherent Navigation seine Webseiten, die sich auf hochpräzise Verarbeitung von GPS-Informationen spezialisiert hatten. Auch Navigationstechnologie für autonome Fahrzeuge gehörten zur Expertise der Drei-Mann-Firma. Heute gehört der einstige CEO zu Apples Karten-Team. Die anderen beiden sind an nicht definierter anderer Stelle im Unternehmen beschäftigt; möglicherweise arbeiten sie heute mit am Projekt Titan, der Entwicklung eines autonom fahrenden Apple Car. (Zur damaligen MTN-Meldung
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Metaio GmbHIm Mai 2015 verkündete die deutsche Firma Metaio GmbH überraschend, dass sie ihre Dienste für Augmented Reality nicht mehr anbieten wolle. Auch hier stellte sich alsbald heraus, dass eine Übernahme durch Apple die Ursache war. Zwar zeigte sich Apple nie interessiert an AR-Hardware wie Brillen für virtuelle Realität, aber im Rahmen der Karten-App sei mit AR-Elementen geliebäugelt worden. Es bestünde bei einem eventuellen Update etwa die Möglichkeit, innerhalb der App mit einem Blick auf die Umgebung durch das iPhone-Display zusätzliche Daten wie Restaurant-Tipps, Gebäude-Beschriftungen oder auch Bewertungen von Geschäften angezeigt zu bekommen. Ein solches Feature gibt es bislang bekanntlich noch nicht; die in iOS 9 integrierte “In der Nähe”-Ansicht beschränkt sich noch auf normale Listen- und POI-Anzeigen. (Zur damaligen MTN-Meldung
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MapsenseEine ähnliche Expertise wie Coherent Navigation hatte das US-amerikanische Unternehmen Mapsense, dessen Kauf durch Apple im September 2015 bekannt wurde. Mapsense spezialisierte sich darauf, große Mengen an Geo-Daten aufzubereiten und zu visualisieren. Umfangreiche Filteroptionen ließen sich ohne Verzögerung auf einer Kartenansicht darstellen. (Zur damaligen MTN-Meldung
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Vocal IQKurz vor Ende des Fiskaljahres 2015 erwarb Apple den britischen KI-Spezialisten Vocal IQ. Im Zuge der steigenden Anforderungen an Apples Sprachassistenten Siri wurde Expertise über lernende künstliche Intelligenz notwendig. Vocal IQ wollte Software für einen flexibleren virtuellen Assistenten entwickelt, der selbstständig die Umgangssprache des Nutzers erlernen und umfangreichere Befehlsketten ausführen kann. Interessanterweise hatten die Entwickler von Vocal IQ Siri noch im März 2015 als “Spielzeug” bezeichnet. (Zur damaligen MTN-Meldung
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PerceptioDer Experte für “Deep Learning” von Software kam ebenfalls kurz vor Abschluss des Fiskaljahres 2015 an Apple. Das Konzept des tiefen Maschinenlernens umfasst unscharfe Aufgaben wie Gesichter erkennen, Sprache verstehen, Bilder klassifizieren. Dementsprechend ist eine Expertise in diesem Bereich für verschiedenste Teile des Apple-Produktportfolios nützlich: von Siri über das kolportierte Apple Car bis hin zu einfachen Verbesserungen bestehender Apps. So könnte etwa die Fotos-App Bilder intelligenter identifizieren und klassifizieren und gleichzeitig auf den Schutz von Nutzerdaten achten. (Zur damaligen MTN-Meldung
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Sechs unbekannte UnternehmenVor einem Jahr äußerte sich Tim Cook zu der Identität von übernommenen Unternehmen: “Manche von ihnen versuchen wir geheim zu halten - andere scheinen unmöglich geheim zu halten zu sein.” Im vergangenen Jahr hat Apple die Namen von sechs der fünfzehn gekauften Unternehmen erfolgreich geheim halten können. Spekulationen über deren Identität sind müßig - gleiches gilt für die Summe, die Apple für die 15 Unternehmen insgesamt aufgewendet hat. Denn nur in wenigen Fällen sind die Kaufpreise ebenfalls an die Öffentlichkeit gedrungen (Semetric kostete 50 Millionen US-Dollar, LinX wurde für etwa 20 Millionen Dollar übernommen). Man kann aber davon ausgehen, dass sich die Gesamtsumme wie in den vergangenen Jahren im Bereich zwischen 350 und 500 Millionen Dollar befindet.
Aktualisierung (25.11.2015): Heute hat Apple bestätigt, dass es sich bei einem der sechs unbekannten Unternehmen um die Motion-Capture-Firma aus der Schweiz "Faceshift" handelt.
Wandel in Apples StrategieVor zwei Jahren beleuchtete MTN Apples Strategie bei Unternehmenskäufen (
). Damals war Apple im Gegensatz zu bekannten Konkurrenten wie Google, Facebook und Microsoft nie mit größeren Mergers & Acquisitions aufgefallen. Die spektakulärste Unternehmensübernahme blieb für viele Jahre der Kauf von NeXT im Jahr 1997 für gut 400 Millionen Dollar, in dessen Zuge Steve Jobs zu Apple zurückkehrte. Doch auch dies war sehr gering im Vergleich zu anderen Übernahmen in der IT-Branche jener Zeit: Google kaufte damals Nest Labs für über eine Milliarde Dollar, kurz zuvor Waze für einen fast ebenso hohen Betrag. Microsoft hatte für Firmen wie Yammer und Mojang zehnstellige Beträge ausgegeben, für Nokia zahlte man über 7 Milliarden, für Skype über 8 Milliarden Dollar.
Trotzdem waren auch bei Apple schon erste Tendenzen einer Ausweitung der Aktivitäten in diesem Bereich erkennbar. Kurz darauf folgte der spektakuläre Kauf von Beats Electronics für 3 Milliarden Dollar. Dem höheren Engagement Apples steht erstaunlicherweise ein geringeres von Google in den letzten Jahren gegenüber. Das deutlich auskunftsfreudigere Unternehmen, das heutzutage unter dem Namen Alphabet firmiert, hat die Ausgaben in diesem Bereich auf einen Bruchteil reduziert.