Wenn Nutzer den Begriff ARM-Mac hören, denken sie dabei oft, dass eigentlich nur der Prozessor ein anderer ist – doch die Umstellung beim Mac ist viel weitreichender, als es zuerst den Anschein hat. Apple wird bei der Umstellung auf "Apple Silicon" nicht nur den Prozessor auswechseln, sondern es handelt es sich eigentlich um eine komplette Neukonzeption vieler Gerätebestandteile. Hier ein Überblick, was sich alles ändert.
Uneinheitliche ProzessorkerneBei Intel-CPUs sind alle Kerne gleich – ob nun auf Kern A oder B gerechnet wird, macht von der Geschwindigkeit und vom Energieverbauch keinen Unterschied. Dies ist bei Apples A-Prozessoren anders: Dort gibt es Kerne, welche auf Geschwindigkeit ausgelegt sind (Name beim A13: "Lightning") und welche, die auf hohe Energieeffizienz getrimmt sind ("Thunder"). Der A13 bringt zwei Lightning-Kerne und vier Thunder-Kerne mit – beim Mac steht es noch nicht fest, welche Core-Konfiguration Apple wählt.
Eins steht jedoch nach der WWDC 2020 fest: Der Mac wird, genau wie ein iPhone und iPad, auch Effizienz-Kerne erhalten, welche Hintergrundaufgaben sehr energieeffizient erledigen können. Dies nennt sich Asymmetric Multiprocessing, da nicht alle Kerne gleich sind. Bisher gab es noch keinen Mac, welcher einen Prozessor mit unterschiedlichen Kernen mitbrachte. Apple passte diverse Methodiken in macOS an, so dass sich das Mac-System auf diese besonderen Gegebenheiten versteht. So brachte Apple Grand Central Dispatch beispielsweise bei, welche Programmaufgaben auf welchen Kernen auszuführen sind.
Unified Memory – wahrscheinlich großer PerformancegewinnAnders als Intel-Macs nutzen "Apple Silicon"-Macs eine Technik namens Unified Memory. Dabei teilt sich die CPU den Speicher mit der GPU – jedoch ist dieser nicht segmentiert, wie dies bei der integrierten Grafiklogik von Intel der Fall ist, sondern der Speicher kann von der CPU und GPU gelesen und beschrieben werden.
Dies hat einen gigantischen Vorteil: Die CPU und GPU können Ressourcen im Speicher (z.B. Texturen) lesen und schreiben, ohne dass diese kopiert oder gespiegelt werden müssen – auch andere Geräte können ohne besondere Mechanismen den Hauptspeicher mitbenutzen.
Der Performance-Vorteil resultiert daher, dass der Inhalt des Fensters nicht erst in den Speicherbereich/VRAM der GPU kopiert werden muss, wenn sich der Inhalt des Fensters ändert – die GPU kann den selben Speicher lesen.
Video Encoder & DecoderDas iPhone und iPad verfügt über dedizierte Hardware, um Videos zu komprimieren und zu dekomprimieren – damit die CPU nicht diese komplexe Aufgabe übernehmen muss. Die Apple A-Chips verfügen über spezielle Zusatzhardware, um diese Aufgabe schneller und effizienter zu erledigen – ohne, dass der Entwickler hier Anpassungen vornehmen muss, sobald er ein Apple-Framework wie die AVFoundation im Einsatz ist.
Neural Engine, Machine Learning AcceleratorsSeit einigen Iterationen der Apple-A-Prozessoren hat Apple spezielle Hardware verbaut, um Machine-Learning-Anwendungen zu beschleunigen. Apple betonte in den WWDC-Erklärvideos, dass die Neural Engine aus dem A13 für deutliche Performancegewinne bezüglich Machine Learning auf dem Mac führen wird. Diese Erfahrung können wir hier bei MacTechNews/Synium bestätigen: CoreML-Modelle werden erheblich schneller auf Apple-A-Chips ausgeführt als auf Intel-Prozessoren mit oder ohne dedizierter Grafikkarte.
SicherheitAuch die Sicherheit erhöht sich durch den ARM-Umstieg: Beispielsweise ist der Speicherbereich, in dem der Kernel geladen und ausgeführt wird, vor Schreibzugriffen speziell geschützt. Apple nennt dies Kernel Integrity Protection – und diese steht auf ARM-Macs erstmals auch für macOS bereit. Außerdem veränderte Apple die Art und Weise, wie Speicherseiten als Ausführbar oder Beschreibbar markiert werden: Auf Macs mit "Apple Silicon" kann eine Speicherseite entweder beschreibbar oder ausführbar sein – nie beides.
Der T2-Chip wird in einem ARM-Mac nicht mehr benötigt, da die Apple-A-Chips alle Funktionalitäten direkt mitbringen.
Komplett überarbeitet: Der Boot-ProzessApple verzichtet bei den ARM-Macs auf EFI und nimmt den Boot-Prozess von iOS als Vorlage. Secure Boot unterstützt auf dem Mac weiterhin mehrere macOS-Installationen und das Starten von externen Laufwerken.
Eine macOS-Installation kann entweder mit hoher Sicherheit oder mit reduzierter Sicherheit gestartet werden. Bei der hohen Sicherheitseinstellungen sind keine Dritthersteller-Externsions (KEXTs) erlaubt und nur macOS-Versionen, welche von Apple signiert und aktuell sind – ähnlich wie dies auf einem iPhone der Fall ist. Die reduzierte Sicherheitseinstellung erlaubt das Starten von alten macOS-Versionen und sogar noch die Installation von KEXTs.
Bei den "Apple Silicon"-Macs ist man hier sogar noch flexibler: War es bei Intel-Macs nur möglich, den gesamtem T2-Mac mit reduzierten oder hohen Sicherheitseinstellungen zu betreiben, kann man dies bei ARM-Macs pro macOS-Installation festlegen. Praktisch, wenn man eine Installation für Experimente nutzt – aber eine andere, geschützte Installation betreiben will.
Keine anderen Betriebssysteme (siehe auch
)
Zwar kann man ältere macOS-Versionen (natürlich müssen diese ARM-basiert sein) weiterhin nutzen – aber die Installation eines Drittherstellersystems wie Linux oder "Windows on ARM" ist nicht vorgesehen. Dies würde auch nicht sonderlich viel Sinn ergeben, da Apple die Hardware der neuen Macs nicht dokumentiert – was die Treiberentwicklung schwer bis gar unmöglich macht. Wie es um Emulation von Windows beschert ist, dürfte Parallels demnächst deutlich machen:
Keine Boot-Tastenkombinationen mehrBeim Mac führen Tastenkombinationen beim Starten zu bestimmten Optionen – zum Beispiel führt die Option/Alt-Taste zur Auswahl des Start-Volumes. Damit ist bei ARM-Macs Schluss, denn hier gibt es nur noch eine einzige Tastenkombination: Das lange Halten der Start-Taste. Damit wird eine grafische Nutzeroberfläche geladen, über welche sich viele Optionen mit Maus und Tastatur festlegen lassen – völlig ohne lästiges Nachsehen von Tastenkombinationen.
Target Disk Mode ist GeschichteDer Target Disk Mode war praktisch, wenn man Daten von einem Mac retten wollte oder eine verhunzte Installation korrigieren musste – doch der Modus ist auch ein großes Sicherheitsrisiko. War File Vault nicht aktiv, gewährte der Target Disk Mode Zugriff auf die gesamte Festplatte, völlig ohne Nutzerverwaltung.
Damit ist nun Schluss. Der Target Disk Mode ist Geschichte und weicht einer auf SMB aufbauenden Freigabe, welche Nutzerrechte beachtet und ohne Passwort nicht funktioniert.
macOS-Recovery-RecoveryNoch immer ist es möglich, einen Mac so zuzurichten, dass dieser nicht mehr startet – dafür gibt es die Recovery-Partition, um die Installation zu reparieren. Doch mit Tools wie dem Festplattendienstprogramm ist sogar die Recovery-Partition nicht vor übereifrigen Nutzern geschützt.
Mit den ARM-Macs führt Apple daher System Recovery ein – eine versteckte Partition, welche nicht vom Nutzer gelöscht oder gesehen werden kann. Diese verfügt über ein minimales macOS, welches es ermöglicht, einfache Reparaturfunktionen ausführen oder aus dem Internet eine neue Installation zu beziehen.