Apple verhandelt hinter verschlossenen Türen mit Print-Verlagen über die Teilnahme an dem News-Dienst, den Apple angeblich am 25. März der Öffentlichkeit vorstellen will. Nachdem herausgekommen ist, dass der Plattform-Betreiber 50 Prozent des Umsatzes behalten möchte, diskutieren Experten Sinn und Höhe der Offerte. Dabei könnten die Meinungen nicht unterschiedlicher ausfallen.
Newsstand 2.0: „Netflix für News“Bereits vor einem Jahr kamen Berichte ans Tageslicht,
Apple plane eine Zeitschriften-Flatrate. Der iPhone-Konzern hatte schon einmal mit Newsstand einen digitalen Zeitschriften-Kiosk gestartet. Dort schlossen die Leser allerdings direkt mit den Verlagen Abos ab.
Schließlich kaufte das Unternehmen „Texture“. Der Abo-Dienst hielt einen großen Katalog an Publikationen bereit und gewährte den Lesern für 10 Dollar pro Monat freien Zugriff darauf. Ein ähnliches Vorgehen hat Apple bereits bei der Übernahme von „Beats“ gezeigt: Der Technologie-Riese übernimmt einen bestehenden Streaming-Dienst, baut ihn um und startet wenig später ein quasi identisches Angebot unter neuem Namen. Beobachter
bezeichnen die geplante Flatrate bereits als „Netflix für News“. Sie solle gemeinsam mit anderen Diensten die stagnierenden iPhone-Verkäufe auffangen und Apples Service-Sparte zu starkem Wachstum verhelfen, heißt es.
John Gruber: Nicht nur gierig, sondern verrücktDer Mac-Veteran und Betreiber des Blogs Daring Fireball
berichtete vom Widerstand in der Verlagsbranche. Apple habe den Dienst so konzipiert, dass die Leser unbegrenzt Inhalte für 10 US-Dollar im Monat abrufen können. Für die Bereitstellung der Plattform fordert der Konzern die Hälfte des Umsatzes. Die andere Hälfte soll in einen Pool wandern, der unter den Verlagen je nach Benutzerinteresse aufgeteilt wird. Gruber argumentiert, die Margen im Nachrichtengeschäft seien sowieso sehr niedrig. Angesichts dessen erscheinte schon der 70/30-Split, den Apple etwa beim App Store vornimmt, „etwas gierig“. Die Hälfte des Umsatzes zu verlangen, hält Gruber für „verrückt“.
Casey Newton (TheVerge): Viel Aufwand für minimalen GewinnHauptsächlich Casey Newton schreibt bei The Verge die Nachrichten über das Silicon Valley. Er geht das Problem vonseiten der Verlage an und
fragt: „Wie hoch könnten die Einnahmen eines solchen Systems für die Verleger sein?” Als Antwort zieht er das Beispiel von YouTube Red heran, einem werbefreien Angebot des Webvideo-Giganten, das auf einem ähnlichen System basiert. Selbst die erfolgreichen Angebote machten in dem System kaum Gewinn. Das Problem liege im Wettbewerb zwischen den Publishern: Der Gewinnanteil jedes einzelnen sinke, umso mehr Anbieter auf die Plattform gehen. Newton erwähnt einen Anbieter bei YouTube Red, der abzüglich der Werbeaufwendungen für das Angebot eine Rendite von unter einem Prozent erzielt. Der Journalist gibt zu bedenken, dass die Verlage für Apples „News-Netflix” neue Mitarbeiter einstellen müssten, um die Partnerschaft zu verwalten, ihre Produkte technisch zu integrieren und den Kunden-Support abzuwickeln. Newton erscheint es angesichts von Hunderten entlassenen Journalisten „lächerlich“, von einer schwankenden Branche neue Teams zu verlangen, um eine mögliche Umsatzsteigerung im einstelligen Prozentbereich zu erzielen.
Peter Kafka (Recode): Es zählen Dollars, nicht ProzenteIm
Artikel von Recode kommen die Verlagsleiter zu Wort, die den Deal bereits akzeptiert haben. Die Verlage machten dies „gerne“, da sie daran glauben, Apple gewinne viele Millionen Menschen für den neuen Service. Sie gäben sich lieber mit einem kleinen Prozentsatz einer großen Zahl zufrieden als mit einem großen Anteil an einer kleinen Zahl, heißt es. Kafka betont, die Verlage dürften zudem die kompletten Werbeeinnahmen auf der Plattform behalten. Der relevanteste Grund, warum Apple laut Artikel das Recht auf einen so großes Stück vom Kuchen hat, sei aber der Aufwand, um Abonnenten zu generieren. Die Verlage rechnen damit, dass der Technologie-Gigant viel Zeit und Geld in die Anwerbung neuer Mitglieder stecken wird. Kafka nennt Apple Music als Beispiel: Seit Start des Dienstes habe der Betreiber 50 Millionen neuer Abonnenten gewonnen.
Die großen Publikationen wehren sichDas Argument, überhaupt neue Kunden zu gewinnen, scheint für die großen Namen im US-Medienmarkt nicht aufzugehen. So wehren sich nach den Überlieferungen etwa die New York Times, die Washington Post und das Wall Street Journal gegen die hohen Forderungen Apples. Das verwundert die Branche nicht, schließlich gehören sie zu den Zugpferden eines solchen Angebots. Alle drei haben bereits ausgefeilte Digital-Abos und umfangreiche Bezahlschranken eingeführt, um dem Umsatzschwund entgegenzuwirken und befürchten Kannibalisierungseffekte. Ein weiteres Problem liegt in der unmittelbaren Kundenbeziehung. Diese verlieren die Verlage bei der Teilnahme an „Apple News“: Der Plattformbetreiber kündigte schon an, ihnen die Kontaktdaten und damit den direkten Zugriff auf die Abonnenten vorzuenthalten. Die Verlage sind jedoch recht erfolgreich darin, ehemaligen Lesern – etwa über Mailings – neue Abos zu verkaufen. Dieser Vertriebsweg ginge ihnen verloren.
Keiner kennt die ZukunftInsgesamt kann Apples neues Newsangebot den Nachrichtensektor beleben, wie es seinerzeit iTunes Music bei der Musikbranche getan hat. Auf diesen Erfolg stützt sich auch der sehr hohe Umsatzanteil, den der Technologieriese einfordert. Für kleine Publikationen könnte sich der Aufwand lohnen, sie sparen sich einen riesigen Werbeaufwand für weniger attraktive, eigene Angebote. Wer jedoch schon relativ fest im Sattel sitzt, für den rechnet sich Apples Geschäftsmodell voraussichtlich nicht. Denkbar ist jedoch, dass der Plattformbetreiber bei der Akqusition der Zugpferde klein beigibt. Denn zusätzlich zu dem Magnet-Effekt auf Leser, könnte eine ähnliche Mechanik dazu führen, weitere Verlage mit ins Boot zu holen. Diese Wirkung verleiht dem „Netflix für News“ womöglich die Bandbreite, die es für Abonnneten besonders attraktiv macht. Am Ende hängt auch viel an dem tatsächlichen Erfolg der Plattform ab. Sollte Apple es nicht schaffen, massiv Abonnenten und Verlage dafür zu gewinnen, droht dem Angebot das Schicksal des ehemaligen „Zeitschriftenkiosk”.