Überraschungen waren gestern. Wenn bei Apple heute neue Produkte anstehen, sickern die meisten Informationen dazu in der Regel schon vorher durch. Mal mit mehr, mal mit weniger Details, aber doch meistens so konkret, dass während der offiziellen (Video-) Präsentation kaum noch völlig unerwartete Dinge auftauchen. So auch diesmal, als Apple vergangenen Mittwoch zum "Far Out"-Event seine saisonalen Neuheiten präsentierte.
Selbst das einzig wirklich neue Produkt, die Apple Watch Ultra, war abgesehen von der Namensgebung kurz vorher in fast allein Einzelheiten bekannt geworden. Die tags zuvor erschienen Renderings bildeten das Design der neuen "Outdoor-Uhr" verblüffend genau ab. Zumindest gelingt es Apple auch weiterhin, mit gewisse Entwicklungen, wie etwa der "Dynamic Island" des iPhone 14 Pro, das Interesse des Publikums noch unbekannte Details zu lenken.
Alle technischen und funktionalen Fakten hat MacTechNews im Zuge der Berichterstattung des "Far Out"-Events ausführlich behandelt. Ich möchte mich hier auf ein paar der – nach meiner Meinung – wichtigsten Details konzentrieren und eine Einschätzung abgeben. Ich beginne mit der kleinsten Hardware-Neuheit…
1. Apple AirPods Pro 2Mit der Einführung der ersten drahtlosen AirPods hatte Apple einmal mehr einen ganzen Produktzweig quasi unter seine Kontrolle gebracht. Kein Kopfhörer-Hersteller sonst verkauft mehr (hochpreisige) In-Ears als Apple. Die neueste 2. Generation der AirPods Pro heben sich auch weiterhin vor allem durch perfekte Systemintegration von der Masse ab. Einfache Kopplung, clevere Bedienungsfunktionen (wie die neue Lautstärkeregelung an den Hörern) und mutmaßlich Klangqualität, die sich von den etablierten Herstellern in diesem Preisbereich nicht verstecken muss, dürften die marktbeherrschende Stellung Apples in diesem Segment auch weiterhin sichern.
Abseits der überall breit diskutierten Hauptfeatures der AirPods Pro 2 stellt sich für viele aber die Frage nach den Verbindungsmöglichkeiten bzw. der unterstützten Codecs. Namentlich das weit verbreitete aptX-Protokoll in seinen verschiedenen Varianten wird von den AirPods pro nicht unterstützt. Und wer auf eine verlustfreie (lossless) Übertragungsart per Bluetooth gehofft hat, wird ebenfalls enttäuscht. Aber ist das für die AirPods Pro 2 überhaupt essentiell? Ich meine nein.
Zunächst das Warum: Die Unterstützung für Codecs wie aptX (Qualcomm) oder LDAC (Sony) ist nicht nur eine Frage von dafür anfallenden Lizenzkosten. Apple hat Bluetooth inzwischen auf Apple Silicon realisiert. (H2-Chip in den AirPods Pro 2.) Für aptX ist aber ein Qualcomm-Chip erforderlich. Möglich, dass Qualcomm gar keine Lizenzen für seine Codecs auf fremden Chips vergibt. Oder Apple will einfach keine fremden Standards unterstützen, die zwar auf Bluetooth aufbauen, ansonsten aber proprietär sind.
Das neue iPhone 14 und auch die neuen AirPods verfügen über Bluetooth 5.3 und unterstützen das neue Protokoll LE Audio (
). Apple setzt vermutlich zur besseren Systemintegration gezielt auf dessen Features, wie Multi Stream Audio und Multi Connect. LE Audio soll neben geringerem Energiebedarf auch bessere Klangqualität bieten, wenn die Verbindung nicht ganz optimal ist (also bei geringeren Bitraten).
Dabei ist zu bedenken, dass aptX und andere Codecs auch nur unter idealen Voraussetzungen (perfekte Funkverbindung) ihre bestmögliche Qualität bieten. Ist der Empfang nicht 100%, reduzieren auch diese Codecs die Datenrate, womit sich die Klangqualität entsprechend verschlechtert.
Da AirPods wohl fast ausschließlich an iPhones oder anderen Apple iDevices genutzt werden und nur vergleichsweise selten von Android-Usern, ist das fehlende aptX oder LDAC für dieses Produkt also nur von geringer Bedeutung. Zumal viele sich von Codecs wie aptX wohl einen größeren Klangvorteil erhoffen, als sie tatsächlich bringen.
Etwas größer könnten die Vorteile mit der bei aptX vor der Tür stehenden Lossless-Variante sein, die erstmals eine verlustfrei komprimierte Übertragung des Datenstroms über Bluetooth ermöglichen wird. – Unter Idealbedingungen. Mal davon abgesehen, dass immer sowohl die Quelle als auch der Empfänger solche Codecs unterstützen müssen, ist Apple wohl noch ein paar Jahre davon entfernt, ebenfalls eine verlustfreie Bluetooth-Variante in seinen Geräten anzubieten.
So oder so: Wie gut ein Kopfhörer am Ende wirklich klingt, wird zum allergrößten Teil von zwei Faktoren bestimmt: Erstens von der Qualität der verbauten Treiber und der akustischen Abstimmung, zweitens von der digitalen EQ-Abstimmung durch "Computational Audio". Damit ist vereinfacht gesagt die dynamische Anpassung des Frequenzgangs durch zahlreiche Parameter gemeint. Letztendlich klingen moderne Bluetooth-Kopfhörer wie die AirPods dadurch immer sehr lebendig, knackig, frisch, bassstark, aber nur bedingt naturgetreu. Ob für die Übertragung AAC, aptX, LE Audio oder welcher Codec auch immer verwendet wird, ist dabei von eher untergeordneter Bedeutung. – Mal abgesehen von dem hörbar schlechteren Bluetooth-Basisprotokoll SCB vielleicht.