Apples Streaming-Pläne: Milliardenschwerer Fehler oder schlauer Schachzug?
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Apple eine ganze Reihe hochwertiger TV-Formate produzieren lässt, doch die Erfolgsaussichten sind gering. Ein nun veröffentlichter
Artikel begründet diese Einschätzung und spielt mehrere Szenarien durch. Andere
Beobachter nehmen dazu Stellung und sehen die Situation ganz anders.
Überfüllter MarktDavid B. Kline nimmt sich Apples Vorhaben an, mit selbstproduziertem ("originärem") TV-Inhalten zu punkten. Der Autor von "Worst Ideas ever", in denen er etwa den Apple Newton als technologischen Fehltritt behandelt, analysiert zunächst den Streaming-Markt, in den Apple augenscheinlich eintreten will. "Die Welt ist von qualitativ hochwertigen Inhalten übersät," sagt Kline und nimmt damit Bezug auf die Marktmacht von Netflix und Amazon. Der Versender etwa werfe hoch angesehene Sendungen als Bonus für Leute auf den Markt, die für einen kostenlosen Versand innerhalb von zwei Tagen extra zahlen. Neben den beiden Online-Diensten erwähnt der Artikel ebenfalls den Kabelkonzern HBO (Sopranos, Games of Thrones), der mehr Sendungen produziere als die meisten Menschen sich anschauen könnten. Zudem stehe Disney mit einem Streaming-Service in den Startlöchern, um Shows aus den konzerneigenen Marken – Klive nennt "Marvel" und "Star Wars" – zu vermarkten.
Zwei Vermarktungstrategien in die SackgasseAußer der Investitionssumme von 4,2 Milliarden US-Dollar, die Apple
laut Variety bis 2022 in originäre Formate stecken will, ist unbekannt, was mit diesen Inhalten passieren soll. Ob das reicht, um Netflix mit einem Streaming-Dienst Paroli zu bieten – der Dienst gab 2018 alleine 8,3 Milliarden US-Dollar für seine Produktionen aus – wird allgemein bezweifelt. Auch Amazon schraubt wohl seine Content-Investitionen von 4,5 Milliarden Dollar im nächsten Jahr weiter hoch. Bei solchen Volumina hat es Apple schwer, die Leute zu einem Umstieg auf eine viel schwächere Plattform zu bewegen. Es gibt Voraussagen, die davon ausgehen, Apple bündele das eigene Musik-Angebot mit dem neuen TV-Dienst. Beide Ideen findet Kline "sort of terrible" (irgendwie schrecklich). Für einen eigenen Streaming-Service fehle es an "geistigem Eigentum", als Bonus für Music-Kunden seien die hochwertigen Sendungen verschwendet. Am Beispiel Amazon sehe man, dass die dortigen preisgekrönten Shows kaum Beachtung fänden, obwohl Amazon sie zum kostenlosen Versand dazuschenke. Den Emmy-Gewinner "Transparent" hätten beispielsweise nur 1,49 Millionen Menschen gesehen, für TV-Sender eine lächerlich niedrige Quote.
Kostenlos für KundenDabei vergisst Kline das neuste Gerücht, nämlich, dass
Apple den Streaming-Dienst für Kunden kostenlos anbieten will. Zum anderen will der Technologiekonzern anscheinend Inhalte anderer Anbieter wie HBO quer vermarkten. Damit könnte "Apple Streaming" dann eine entsprechende Größe erreichen. Auch Netflix kauft viele Formate extern ein. Allerdings soll es Schwierigkeiten bei den Verhandlungen geben, die Konzerne erinnern sich noch zu gut an die Probleme der Musikindustrie in Folge von Apples 99-Cent-Offensive 2003. Auch bauen viele Unternehmen auf eigene Plattformen und befürchten Kannibalismuseffekte.
Erfolgaussichten gemischt Kline schließt seine Betrachtung mit der Aussage, Apple gebe am Ende Milliarden aus, um ein paar Millionen Menschen zu erreichen. Er vergleicht dabei die Abonenntenzahlen von Apple Music (36 Millionen) mit denen von Amazon Prime (alleine in den USA 95 Millionen). Premium-Inhalte seien nunmal teuer und die Erfolgsaussichten gering. Andere Medien stellen auf die Mischkalkulation ab: Sollte der iPhone-Produzent den Original-Content seinen Hardwarekunden kostenlos darbieten, sei das ein gutes zusätzliches Verkaufargument und schlage sich in den Umsätzen nieder. Damit steige die "Abonennten"-Zahl rapide und bringe Apple in eine gute Verhandlungsposition für den Zukauf weiterer Inhalte. Zudem könne Apple über die neue Plattform an den Abos anderer Anbieter (zB. HBO) mitverdienen.
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