Bereits in der Blütezeit der Heimcomputer-Ära tauchten die ersten Programme auf, die Übersetzungen von einer in eine andere Sprache erleichtern sollten. Zunächst war das jedoch nicht viel mehr als eine Datenbank und damit das digitale Äquivalent eines Buches zum Nachschlagen. Und das aufgrund der damaligen Speicherplatzgrenzen meist noch mit sehr begrenztem Wortschatz.
Zeitsprung ins Hier und Jetzt: Sogenanntes Machine Learning gepaart mit schneller Hardware und Online-Processing mitsamt Spracherkennung erlauben es heute, sogar auf Smartphones einfach einen Satz in der eigenen Sprache in das Device zu sprechen und eine Übersetzung in der gewünschten Sprache über den Lautsprecher ausgeben zu lassen. Nahezu in Echtzeit. Das klappt zwar noch nicht so gut wie der berühmte Universal-Übersetzer aus Star Trek (und wird es ohne
echte künstliche Intelligenz auch nie), aber zur Standard-Kommunikation reicht es meist aus.
Da scheint das Auftauchen der „Übersetzen“-App auf dem iPhone und später auch auch dem iPad zunächst wie ein Schritt zurück, sieht es doch auf den ersten Blick wie eine reine Datenbankanwendung aus. Allerdings versteht diese App auch ganze Sätze, die gerne auch gesprochen sein dürfen. Das Problem: Apples Übersetzen-App ist im Vergleich zu konkurrierenden Lösungen sprachlich offenbar noch nicht sehr gewandt.
Ich habe ein paar Vergleiche mit
DeepL angestellt. Einer Lösung, die sowohl direkt im Web, als auch als Apps für iOS, iPadOS und macOS (sowie andere Plattformen) kostenlos zu haben ist. Deepl ist nur dann kostenpflichtig, wenn Texte mit mehr als 5.000 Zeichen übersetzt werden sollen.
Die Funktionsweise der Apps ist sehr ähnlich und selbsterklärend. Die Übersetzen-App erlaubt dabei neben der Übersetzung gesprochener Sätze inzwischen auch ganze Konversationen zu verfolgen und zu übersetzen, ohne dabei die Mikrofontaste gedrückt halten zu müssen. Es lassen sich aber auch ganz einfach Texte per Copy&Paste einfügen und verarbeiten. Auf dem Mac gibt es die Übersetzen-App übrigens derzeit nicht als alleinstehende Anwendung, aber macOS hat andere Möglichkeiten.
Markieren Sie einfach einen Text in einem Dokument, in Safari oder auch in Notizen und wählen dann aus dem Kontextmenü den Befehl zum Übersetzen aus. Diese wird dann in einem schwebenden Fenster angezeigt.
DeepL beherrscht ebenfalls Übersetzung per Spracheingabe – und ist Apples Lösung mit seinen Ergebnissen deutlich überlegen. Insbesondere bei komplizierteren und vor allem technisch-wissenschaftlichen Texten macht diese Anwendung einen deutlich besseren Job. Hier zwei Beispiele.
Aus einem Whitepaper für ein Audioprodukt habe ich folgenden Absatz mit beiden Lösungen vom (US-) Englischen ins Deutsche übersetzt:
Original: „Featuring only balanced XLR inputs the Relentless Preamplifier topology rejects common-mode input noise over an unusually wide bandwidth. All signal gain is realized in the current domain using proprietary multiple-output current mirrors with nearly 30 times the linearity of other designs. Executed with four-layer circuit boards for superior signal quality. The use of four-layer boards dramatically reduces distortion and propagation levels as compared to the more commonplace, two layer boards.“Die Übersetzung von Apple lautet wie folgt:„Mit nur symmetrischen XLR-Eingängen lehnt die Topologie des unerbittlichen Vorverstärkers Gleichtakt-Eingangsrauschen über eine ungewöhnlich große Bandbreite ab. Die gesamte Signalverstärkung wird im aktuellen Bereich mit proprietären Stromspiegeln mit mehreren Ausgängen mit fast 30-facher Linearität anderer Designs realisiert. Ausgeführt mit vierschichtigen Leiterplatten für überlegene Signalqualität. Die Verwendung von vierschichtigen Brettern reduziert die Verzerrungs- und Ausbreitungsstufen im Vergleich zu den üblicheren zweischichtigen Brettern drastisch.“
Und hier die Übersetzung von DeepL:„Die Topologie des Relentless-Vorverstärkers verfügt ausschließlich über symmetrische XLR-Eingänge und unterdrückt Gleichtakt-Eingangsrauschen über eine ungewöhnlich große Bandbreite. Die gesamte Signalverstärkung wird im Strombereich mit Hilfe von proprietären Stromspiegeln mit mehreren Ausgängen realisiert, die eine fast 30-fache Linearität im Vergleich zu anderen Designs aufweisen. Ausgeführt mit vierlagigen Leiterplatten für überragende Signalqualität. Durch die Verwendung von vierlagigen Leiterplatten werden Verzerrungen und Ausbreitungspegel im Vergleich zu den üblicherweise verwendeten zweilagigen Leiterplatten drastisch reduziert.“
Die Apple-Übersetzung ist dabei auch für technisch weniger versierte Leser klar erkennbar weit weniger treffend und verständlich. Eigennamen, in diesem Beispiel „Relentless“, werden von Apple nicht erkannt und einfach wortgetreu übersetzt, von DeepL hingegen einwandfrei in den richtigen Kontext gesetzt. „Boards“ übersetzt Apple hier fälschlich mit „Brettern“, wenn nicht "circuit" davor steht, wohingegen DeepL diese stets Korrekt als „Leiterplatten“ interpretiert und übersetzt – wobei hierfür auch „Platinen“ passend wäre. Problematisch ist für beide in diesem Beispiel „propagation levels“, was mit „Ausbreitungsstufen“ (Apple) bzw. etwas korrekter „Ausbreitungspegel“ (DeepL) übersetzt wird. Die genaue Übersetzung ist an dieser Stelle tatsächlich sehr schwierig, weil damit eher „Störstrahlung“ gemeint ist. Insgesamt ist der Apple-Text stark Überarbeitungsbedürftig, während DeepLs Übersetzung fast 1:1 genutzt werden könnte. Auch der Satzaufbau ist bei DeepL um Längen besser.
Mit Sprichwörtern oder Redewendungen hat Apples Übersetzer ebenfalls seine Schwierigkeiten. Aus einem
Text bei DPReview:
Original: „Nikon is on the back foot.“Apple-Übersetzer: „Nikon ist auf dem hinteren Fuß.“
DeepL: „Nikon ist auf dem absteigenden Ast.“
Original: „Nikon wasn't yet on the ropes, but it was looking shaky.“Apple-Übersetzer: „Nikon war noch nicht an den Seilen, aber es sah wackelig aus.“
DeepL: „Nikon hing noch nicht in den Seilen, aber es sah schon wackelig aus.“
Zusätzlich bietet DeepL oft Alternativen an, wie im ersten Beispiel: „Nikon ist auf dem Rückzug.“ oder „Nikon ist auf dem Rückmarsch.“
Alles in Allem kann Apples systemeigene Übersetzungslösung mit der Qualität von DeepL nicht mithalten. In der Praxis habe ich in den letzten Jahren mit DeepL und seit der Verfügbarkeit der Apple Übersetzen-App etliche Versuche unternommen und bislang lieber den (kleinen) Umweg zur Deepl-App gemacht, anstatt Apples besser im System integriertes Feature zu nutzen. Sehr viel umständlicher ist es aber auch mit DeepL nicht. Zumindest auf dem Mac reicht es, einen Text zu markieren und zwei mal hintereinander cmd-c zu drücken, um den Text an DeepL zu übergeben.
Die Übersetzungen finden bei DeepL stets online statt. Bei Apple ist das standardmäßig auch der Fall, doch es gibt die Möglichkeit in den Systemeinstellungen unter „Sprache & Region“ die gewünschten Sprachpakete herunter zu laden und die Übersetzung offline zu nutzen. Wären Apples Übersetzungen denen von DeepL ebenbürtig, hätte die systeminterne Lösung eindeutig die Nase vorn. So aber verwende ich vorerst lieber weiter DeepL.
Kleiner Tipp noch: Safari kann seit geraumer Zeit sowohl auf dem Mac als auch in iOS/iPadOS ganze Webseiten mit einem einfachen Klick auf das kleine Sprechblasensymbol und „Übersetzen auf…“ rechts in der URL-Leiste in die eigene Sprache umwandeln. Mit allen Vorteilen und Einschränkungen von Apples Übersetzungsmatrix.