Mit dem iPod und iTunes hat Apple zweifellos die Musikwelt revolutioniert. Beim Thema Online Musik-Streaming haben aber andere den Takt vorgegeben. Apple Music mag zwar aufgrund der riesigen Basis an Apple-Usern heute zu den wichtigsten Musikdiensten zählen, hat sich aber in Bezug auf die zur Verfügung gestellte Qualität der Musikdaten nie mit Ruhm bekleckert.
Während Streaming-Dienste wie Qobuz und Tidal schon seit vielen Jahren Musik verlustfrei und in HiRes anbieten, hinkte Apple noch bis Mai 2021 hinterher. Bis dahin hat Apple Musik über seinen Audio-Streamingdienst nur in verlustbehaftet komprimierter Qualität im AAC-Format (Adavanced Audio Codec) mit einer Bitrate von 256 kbit/s zur Verfügung gestellt. An HiRes – womit alles über 16 bit / 44,1 kHz gemeint ist – war bis dahin für Apple-Music-Nutzer gar nicht zu denken.
Vor allem die Umstellung auf lossless, also verlustfrei komprimierte CD-Qualität, war extrem überfällig. HiRes ist sozusagen der Bonus. Nur ein relativ kleiner Teil des Musikkataloges ist in höherer Auflösung als CD-Qualität vorhanden, was auch für die anderen Dienste gilt. Von allen Diensten bietet wohl Qobuz das größte Angebot an HiRes-Files.
Lossless und HiRes muss seinImmerhin hat Apple bei einer Sache Nägel mit Köpfen gemacht. Die Lossless- und HiRes-Angebote, sowie auch einige wenige Files in Spatial Audio, bietet Apple seit der Umstellung in 2021 ohne Zusatzkosten an. Andere Dienste haben meist Aufpreise verlangt, wenn Musik in höherer Qualität gewünscht war, wobei es oft Unterscheidungen zwischen verlustbehaftet komprimierter Musik, CD-Qualität und HiRes gab. Also ähnlich wie bei TV-Streamingdiensten, die für 4K-Auflösung mehr als für HD verlangen. Andere Unterscheidungsmerkmale der Abos, wie beispielsweise für die Anzahl der Nutzer, seien hier mal außen vor gelassen.
Qobuz macht schon seit längerem keine Unterscheidung in der Qualität mehr. Alle Abo-Varianten bieten Lossless-Qualität und HiRes bis 192 kHz. Die Preise beginnen bei 12,49 Euro monatlich für Single-User.
Nun zieht auch
Tidal nach und vereinfacht sein Angebot sogar noch weiter. Ab dem 10. April entfallen laut Medienmeldungen die bisherigen Abo-Varianten „HiFi“ und „HiFi Plus“ und es soll nur noch ein Abo für 10,99 Euro/mtl. geben. „HiFi Plus“ kostete bislang immerhin 19,99 Euro monatlich. Nachdem sich Tidal
von MQA-Codierung verabschiedet hat und HiRes in FLAC streamt, gibt es auch keine Hardware-Voraussetzungen für Musikgenuss in höchster Auflösung mehr bei Tidal.
Auch wenn weder Qobuz noch Tidal mit den selben gigantischen Nutzerzahlen wie Apple Music oder gar Spotify trumpfen können, setzt Tidal mit diesem Schritt auch den „Big Elephant“ unter den Diensten unter Druck. Marktführer Spotify plant nämlich schon länger einen Premium-Dienst, der preislich deutlich oberhalb seines Standard-Tarifs von 10,99 Euro liegen soll. Dieses unter dem Namen „Supremium“ gehandelte Abo-Modell von Spotify soll neben verlustfreiem Streaming (und hoffentlich auch HiRes) auch Hörbücher und KI-Features bieten. Es bleibt abzuwarten, ob Spotify den vermuteten Preis von 19,99 $/€ noch wird halten können.
Zukünftig alles eine Grütze?Wenn nun alle namhaften Streamingdienste künftig HiRes anbieten und alle über 100 Mio. Titel zum Preis um 10-12 Euro/mtl. bieten, ist es dann nicht völlig egal, für welchen Dienst man sich entscheidet?
Nein. Es wird auch künftig Unterscheidungsmerkmale geben. Apple Music krankt nach wie vor an der restriktiven Marktpolitik. Auf streamingfähigen HiFi-Geräten ist Apple Music nur in sehr wenigen Ausnahmefällen nativ nutzbar (z. B. Sonos und einige Android-Streamer). Das heißt im Grunde genommen, man muss zwingend einen Mac oder ein iDevice als Quellengerät nutzen und die Musik dann über das kompromissbehaftete Protokoll AirPlay oder per USB-Kabel an andere Geräte ausgeben. Für diejenigen, die das Apple-Universum sowieso nie verlassen, und für Nutzer, denen die AirPlay-Einschränkungen egal sind, mag das ok sein.*
(*Hinweis: Die wenigen Wege, um Apple Music wirklich in HiRes mit dem Mac nutzen zu können, habe ich
hier beschrieben.)
Wer jedoch unabhängig von Mac und iDevices Musik streamen und gerne einen hochwertigen HiFi-Streamer nutzen möchte, ist vor allem mit Qobuz und Tidal besser bedient. Diese Dienste, sowie einige andere wie Deezer oder Amazon Music Unlimited, werden von zahlreichen HiFi-Streaming-Komponenten unterstützt, von denen viele schon im Rewind-Test waren.
Tidal und Spotify bieten außerdem noch ein Feature namens Connect an. Audio-Geräte, die das unterstützen, können direkt mit der Tidal- oder Spotify-App genutzt werden. Es muss also nicht zwingend die (meistens) zu den Geräten gehörige Companion-App verwendet werden, die nicht alle den selben Nutzungskomfort bieten. Qobuz wird voraussichtlich auch bald ein Connect-Feature bieten. Wer richtig in die Vollen greift und sich auf das geniale Roon einlässt, ist ebenfalls mit Qobuz und Tidal am besten bedient, denn diese sind direkt in Roon nutzbar und darin nahtlos mit der eigenen Musiksammlung, sowie Internetradio kombiniert. (Auch der Dienst
Highresaudio ist in Roon enthalten, spielt aber größenmäßig nur eine untergeordnete Rolle.)
Abgesehen von diesen Punkten bieten alle Musikdienste auch etwas unterschiedliche Interfaces. Der Eine mag dies, der Andere lieber das. Auch die Aufbereitung und Präsentation der Musik ist sehr unterschiedlich. Ganz grob gesagt: Während Apple Music und vor allem Spotify eher Mainstream-Musik in den Vordergrund stellen, werden Nutzer mit speziellerem Musikgeschmack bei den anderen Diensten wohl eher glücklich. Qobuz ist für Klassikliebhaber und Freunde von Jazz/Rock/Pop/Alternative deutlich attraktiver, während Tidal z. B. Fans von Electronica besser bedienen mag. Trotzdem finden sich auf allen Diensten fast alle Titel und Genres, und alle haben gewisse Lücken im Angebot. Bei hunderten Millionen von Titeln findet sich aber immer was.
Qobuz unterscheidet derzeit seine Angebote auch nach Anzahl der Nutzer. So gibt es Single-User-Abos, einen Duo- und einen Family-Tarif, mit dem bis zu sechs Personen (im selben Haushalt) Qobuz individuell nutzen können. Für Qobuz gibt es obendrauf noch ein Abo-Modell namens „Sublime“, das die Möglichkeit bietet, Musik in HiRes mit starken Nachlässen bis 60% zu kaufen. Auch Apple hat einen Family-Tarif (16,99 Euro) und sogar einen für Studenten. – Sorry: „Studierende“ – für nur 5,99 Euro im Monat. Bei Spotify ist ebenfalls ein Familientarif für 17,99 Euro verfügbar.
FazitEs bleibt abzuwarten, ob und wie andere Musikdienste auf den angekündigten Tidal-Tarif reagieren und die Preise entsprechend vielleicht etwas senken. Und wie der Spotify „Supremium“-Tarif aussehen wird – wenn er denn irgendwann mal kommt. Positiv ist auf jeden Fall, dass verlustbehaftet komprimiertes Streaming so gut wie Geschichte ist, außer man entscheidet sich gezielt dafür – etwa um mobil Daten zu sparen. Lossless und auch HiRes sind inzwischen fast Standard. Nur ein paar Nachzügler wie Spotify gibt es noch. Selbst das Spotify „Premium“-Abo hängt derzeit noch bei 320 kbit/s.