Bendgate und Touch Disease: Apple wusste schon vor Verkaufsstart Bescheid
Seit der Watergate-Affäre werden Skandale im englischen Sprachraum gerne mit der Nachsilbe "gate" versehen. Ob Brust-Entblößen zum "Nipplegate" (Janet Jackson) oder Vandalismus zu "Bottlegate" (Cleveland Browns) wird, sehr schnell formt sich ein solcher Begriff. Auch Apple hatte bei Technologie-Problemen üblicherweise eines jener -gates zu lösen. Die Empfangsprobleme des iPhone 4, Steve Jobs hatte entgegen expliziter Einwände der Entwicklungsabteilung ein schlecht funktionierendes Antennenkonzept durchgedrückt, mündete beispielsweise in das "Antennagate". Besonders viel Aufsehen erregte aber "Bendgate". Damit beschrieben wurde die Tatsache, dass sich vor allem das iPhone 6 Plus schon mit mäßigem Kraftaufwand verbiegen ließ. Mit dem iPhone 6s setzte Apple auf eine wesentlich stabilere Konstruktion, das iPhone 6 hingegen verbog sich regelmäßig in den Hosentaschen der Besitzer. Aus jüngst
veröffentlichten Gerichtsdokumenten gehen nun weitere Informationen hervor, die Apple in einem unrühmlichen Bild zeigen. Demnach war es Apple schon Monate vor Verkaufsstart bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit eines verbogenen Gehäuses beim iPhone 6 Plus um Faktor 7,2 höher als beim iPhone 5s liegt. In öffentlichen Stellungnahmen wurde die Sache allerdings heruntergespielt und als unbedeutend abgetan.
Damit einher geht allerdings ein noch schwerwiegenderes Problem. Nutzer des iPhone 6 und vor allem 6 Plus sind hoher Zahl von der sogenannten "Touch Disease" betroffen. Das Display reagiert dann nicht mehr auf Eingaben, zeigt Fehler an, in den meisten Fällen ist eine Reparatur erforderlich. Hervorgerufen wird die Touch-Krankheit durch minimales Verbiegen des Gehäuses. Sobald das Logic Board erhöhtem Druck ausgesetzt wird, können mehrere Komponenten versagen. Apple veränderte im Mai 2016 die Bauweise, um das Board besser zu schützen. Ein vergünstigtes Reparaturprogramm (149 Dollar) gab es aber erst, nachdem die Geschichte durch die Medien ging und Apple schlechte Presse erhielt. Zuvor hatte man Kunden für die Reparatur in voller Höhe zur Kasse gebeten (ca. 300 Dollar).
Den Gerichtsunterlagen zufolge hatte Apple von der Problematik bereits längere Zeit Kenntnis und sah die Sache auch als so problematisch an, dass außerhalb des Jahreszyklus' Veränderungen in der Produktion vorgenommen wurden. Dies passiert sonst sehr selten, denn Umstellungen machen die Fertigung teurer. Das offizielle Reparaturprogramm steht seit Mitte November 2016 zur Verfügung – also ein halbes Jahr nach Überarbeitung der Bauweise. Überhaupt reagiert Apple nach langem Totschweigen erst, als mehrere große Sammelklagen entstanden und das negative Presseecho nicht mehr zu ignorieren war. Leider handelt es sich dabei nicht um das einzige Beispiel mieser Kommunikationspolitik, denn bei Serienfehlern bedurfte es bislang noch immer öffentlichen Drucks, um Apple zum Umdenken zu bewegen. Für einen Hersteller, der in der Selbstdarstellung so auf Kundenzufriedenheit und Qualität bedacht ist, kann ein solches Verhalten nicht entschuldigt werden.