Nichts geringeres als Spionage wirft die US-Regierung dem chinesischen Elektronikriesen Huawei vor. Das Ganze kam spätestens nach einem Bericht von Bloomberg ins Rollen, in dem über angebliche Spionage-Chips auf chinesischer Hardware berichtet wurde (siehe beispielsweise
diese Meldung). Mehrere US-Firmen, darunter Apple und Amazon, konnten nach eingehender Suche allerdings keine derartige Hardware identifizieren und
widersprachen damit dem Bloomberg-Bericht.
Nichtsdestotrotz sah die US-Administration unter Trump in der Angelegenheit offenbar einen Ansatz, im Handelsstreit zwischen den USA und China Druck aus einer anderen Richtung aufzubauen. Huawei gelangte auf eine „Schwarze Liste“ von chinesischen Anbietern, die es US-Unternehmen verbietet, ohne ausdrückliche Erlaubnis der Regierung Geschäfte mit Huawei zu machen. Als bislang einschneidendste Konsequenz daraus
kündigte Google an, künftig keine Hard- und Software mehr an Huwaei zu liefern – auch wenn der "Bann" kurzfristig noch mal
verschoben wurde.
Das hat weitreichende Folgen. Da Huawei als inzwischen zweitgrößter Smartphone-Hersteller der Welt auf Android als Betriebssystem setzt, können künftige Smartphones des Herstellers nicht mehr mit der neuesten Android-Version ausgestattet werden und nicht mehr auf die Dienste von Google (z. B. Maps oder den Google Play Store) zugreifen. Auch wenn sich für bereits existierende Huawei-Smartphones voraussichtlich erst mal nichts ändert, dürfte ein länger anhaltender Bann Huawei durchaus unter Druck setzen und zu Gegenmaßnahmen zwingen. Und wie können die aussehen? Mehrere Szenarien sind vorstellbar – und deuten sich teilweise schon konkret an.
Szenario 1Es liegt auf der Hand, dass die Chinesen nun verstärkt an einem eigenen Betriebssystem arbeiten werden, um sich unabhängig von Google zu machen. Selbst wenn dieses auf der kostenlosen AOSP-Version von Android aufbauen würde. Ein eigenes chinesisches OS wäre sicherlich auch ganz im Sinne der chinesischen Regierung, weil sie damit noch mehr Kontrolle über ihre Bürger erlangen könnte.
Trotzdem wäre es ein riesiges Unterfangen, denn man schafft nicht mal eben im Handstreich eine ernstzunehmende Konkurrenz für das weltweit dominierende Android-OS und die damit verknüpften Dienste. Zwar spielt Apples iOS durch dessen Bindung an Apple Hardware keine direkte Rolle in diesem Kampf, aber nach Android ist iOS ein weiteres Betriebssystem für Smart-Devices mit sehr großer Nutzerbasis und damit eine Konkurrenz, die es zu auszustechen gilt.
Sollten die Chinesen tatsächlich eine komplett eigenständige und von den US-Unternehmen unabhängige Smart-Plattform schaffen, dürfte diese zunächst nur auf dem chinesischen Markt eine Rolle zu spielen. Für die weltweite Vermarktung würde es insofern schwierig werden, weil das Misstrauen gegen rein chinesische Software zumindest in den meisten westlichen Nationen auf noch größere Skepsis stoßen dürfte. Wenn überhaupt, führt ein solcher Schritt nur zu einer größeren Zersplitterung des gesamten Marktes für Smart-Devices, mit einer Teilung in „westlich“ und „östlich“ geprägte Systeme, was einer globalen Verbreitung eher im Wege steht. Zudem gibt es Bestrebungen einiger Staaten (beispielsweise Russland), sich vom westlich „verwalteten“ Internet
unabhängig zu machen und nationale Netze aufzubauen. Die Implikationen aus einer Betriebssystem-Diaspora und Abschottungen in regionale Internet-Splitter sind kaum zu überschauen und bieten fast nur düstere Prognosen für die globale Zusammenarbeit der Staaten.
Szenario 2Erste Reaktionen in Form von
Boykottaufrufen gegen amerikanische Firmen (speziell Apple) hat es in China bereits gegeben. Doch was ist, wenn die chinesische Regierung im Streit das genaue Gegenteil von dem macht, was die Amerikaner (und auch die EU) eigentlich erreichen wollen, nämlich fairen Wettbewerb und eine Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen in China und die Sicherheit, nicht ausspioniert zu werden? Das Land der Mitte könnte sich bei einer weiteren Eskalation des Streits dazu veranlasst sehen, in China produzierende US-Unternehmen wie Apple starken Repressalien auszusetzen, oder sie gar zu blockieren. Natürlich würden derart drastische Schritte nicht nur amerikanischen Unternehmen und ihren Kunden weltweit schaden, auch Chinas eigene Wirtschaft würde darunter massiv leiden. Leider werden Konflikte, egal welcher Art, nur selten rational ausgetragen. Keiner kann es sich leisten nachzugeben, um nicht als "schwach" und „erpressbar“ dazustehen. Eskalation ist daher eine
mindestens ebenso wahrscheinliche Option, wie Einigung.
Die Konsequenzen würden, wie im Szenario 1, letztlich nur negative Folgen für die Weltwirtschaft haben. – Wenn nicht noch schlimmeres.
Das chinesische Großunternehmen hat sich allerdings auch mit anderen Dingen nicht gerade Freunde im Westen gemacht. Plagiatsvorwürfe im Smartphone-Design und in anderen Bereichen sind sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen. Selbst die
Webseite für Huawei Smartphones mit der Dauerscroll-Präsentation und anderen Details ist ein ziemlich dreister Abklatsch von Apples aktuellem Webdesign.
Die Frage ist, inwieweit Apple von der jüngsten Entwicklung im Handelsstreit betroffen sein wird. Kurzfristig könnte es dem Apfelkonzern sogar steigende Verkaufszahlen in China bescheren, da die Verunsicherung über die Zukunft von Huawei-Smartphones ihnen neue Käufer in die Arme treiben könnte. Mittel- bis langfristig sind aber eher negative Folgen wahrscheinlich, da Apple (und andere US-Produkte) mehr und mehr aus dem Riesenmarkt China heraus gedrängt werden. Vielleicht muss Apple auch seine Bemühungen beschleunigen, größere Teile seiner Fertigung in andere Länder wie Indien zu verlagern, um noch zu konkurrenzfähigen Preisen Produkte anbieten zu können – und dabei die Marge nicht sinken zu lassen. Auch die Fertigung von 5G-fähigen Mobilfunk-Chips für künftige iPhones und andere iDevices steht immer mehr in den Sternen. Denn wie es scheint, haben die Chinesen genau auf diesem Gebiet einen riesengroßen Vorsprung.
Inzwischen wurde bekannt, dass auch der britisch-japanische Hersteller ARM (deren Chip-Entwicklung zu großen Teilen in den USA erfolgt) sämtliche Geschäfte mit Huawei eingestellt haben soll. Das bringt vor allem das Huawei Tochterunternehmen Hisilicon in Bedrängnis, welches u.a. Smartphone-Chips mit ARM-Architektur entwickelt. Das könnte die Smartphone-Entwicklung der Chinesen um Jahre zurück werfen.
Derzeit ist alles reine Spekulation, wie sich der Handelskrieg zwischen den USA und China noch entwickeln wird. Mit der derzeitigen Führung auf beiden Seiten ist an gütliche Einigung leider kaum zu denken. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.