Das Leben ist eine unendliche Aneinanderreihung von Wenn-Dann-Verknüpfungen. Und auf der gleichen Basis versucht moderne Technik mit plietscher Software uns lästige Aufgaben des täglichen Lebens abzunehmen. Oft klappt das ganz gut, aber die Komplexität ist der Feind dieses Systems. Jede Entscheidung steht nicht nur für sich allein, sondern hat Auswirkungen auf andere Entscheidungen, die wiederum weitere beeinflussen. Kontraproduktive Auswirkungen oder gar massive Störungen können das Ergebnis sein.
Das klingt jetzt vielleicht erst mal ziemlich abstrakt, aber es beschreibt unser Leben mit moderner Technologie auf recht knappe Weise. Je mehr Aufgaben uns die Technik abnimmt, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich auch für Stolperfallen. Nicht alle Eventualitäten in der Hard- und Software können berücksichtigt werden und so kommt es immer wieder zu lästigen bis richtig ärgerlichen Einschränkungen, die uns wertvolle Lebenszeit rauben.
AlltagsbeispieleFangen wir mit der Software an. Die Komplexität heutiger Programme macht es quasi unmöglich, auch nur annähernd störungsfreie Systeme zu erstellen. Das zeigt sich nicht nur in Sicherheitslücken. Egal welches Betriebssystem oder welche App: es gibt keine, die nicht irgendeinen Angriffsvektor bietet. Ebenso führen kleine Fehler oder einfach schlecht durchdachte Bedienung zu alltäglichem Frust.
Ein besonders schönes Beispiel hierfür sind für mich aktuell die Apps der Videostreamingdienste. Teils scheint es, als würden die Entwickler gezielt die Usability verschlechtern. – Ohne nachvollziehbaren Grund. Etwa die Amazon Prime App auf meinem Smart-TV von Samsung. Lange Zeit war es möglich, eine angefangene Serie, die nicht weiter verfolgt werden soll, aus der „Weiterschauen“-Liste zu entfernen. Einfach die Auswahltaste kurz gedrückt halten und dann im Kontextmenü „ausblenden“ auswählen. Nach irgendeinem Update war diese Funktion plötzlich verschwunden. Einträge aus dieser Liste zu entfernen, ist seit dem in der Prime-TV-App nur noch mit umständlichen Workarounds möglich (letzte Folge aufrufen, ganz bis zum Ende spulen), die auch nicht immer zuverlässig funktionieren. In der Prime-App für Mac lassen sich Einträge per Kontext-Menü nach wie vor ausblenden.
Anderes Beispiel: Die Disney+ App. Abgesehen davon, dass es hier nie möglich war, einen Eintrag manuell aus der Weiterschauen-Liste zu entfernen, nervt die App auf meinem Samsung TV seit etwa einem Jahr und nach irgendeinem Update mit grottenschlechtem Buffering-Verhalten. Die Wiedergabe stockt oft, und wenn sie fortgesetzt wird, ist der (deutsche) Ton plötzlich nicht mehr lippensynchron und hinkt Sekunden hinter dem Bild her. Auch die Auflösung wird mitten in der Sendung oft sehr pixelig, was nicht an der Internetverbindung liegt. Auch werden bereits angesehene Serienfolgen nicht richtig gespeichert. Kehrt man nach dem Ansehen einer Folge wieder auf den Startbildschirm zurück, steht die gesehene Folge plötzlich wieder mit (manchmal sehr langer) Restspielzeit in der Liste und muss manuell übersprungen werden. Die Disney+-App hat sich auf dem Smart-TV von „ganz ordentlich“ hin zu „katastrophal schlecht“ entwickelt.
Ein Paradebeispiel der Sorte „maximale Verschlimmbesserung“ war die Veröffentlichung der komplett überarbeiteten Sonos App, mit der nicht nur geliebte Funktionen verschwanden, sondern die auch in der Funktionalität die Nutzer massiv verärgerte.
Praktisch jede Technologie bzw. Anwendung leidet unter solchen Nickligkeiten, die oft schlecht bis gar nicht zu identifizieren und auszumerzen sind. Noch ein Beispiel. Seit einiger Zeit nutze ich eine „smarte“ Türklingel von Doorbird, die grundsätzlich nicht schlecht ist. Die ist per WLAN mit meinem Netzwerk verbunden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen und in völlig unregelmäßigen Abständen verliert die Klingel die Verbindung zum Netzwerk. Und aus ebenso seltsamen Gründen versucht die Klingel nur einmal am Tag, sich selbst wieder mit dem WLAN zu verbinden, anstatt sofort, wie jedes Smartphone es versuchen würde. Manuell geht das nur, indem der Netzstecker kurz gezogen wird. Wer bitteschön hat sich das ausgedacht? Und warum überhaupt verliert sie die Verbindung, wenn der Empfang besser nicht sein könnte? (Distanz zum Repeater weniger als drei Meter.)
Auch Apple, die im Gegensatz zu kleinen Herstellern Milliarden in die Hard- und Softwareentwicklung stecken, ist nicht frei von seltsamen Bugs. Allein schon die Tatsache, dass viele User ein neu erschienenes „Major Release“ erst nach frühestens zwei oder drei Bug-Fix-Updates installieren, spricht Bände. Der Laie würde annehmen, dass mit einem Update ausschließlich Verbesserungen einhergehen, und nicht, dass sich neue Fehler einschleichen, oder altgewohnte, stets zuverlässige Funktionen plötzlich Ärger machen.
Auch hier nur ein paar von unzähligen Leidensgeschichten: Mit dem Erscheinen von macOS 14 Sonoma tauchte ein Bug in der Notizen-App auf, der es verhinderte, längere Texte durch gedrückt halten der Maustaste und gleichzeitiges Drehen des Scrollrades zu markieren. Das lässt sich leicht umgehen, stört mich aber in meiner Routine. Der Fehler besteht bis heute. Aber wie und warum kam der erst da rein? Ein relativ kleiner Bug, der nur wenige störte, mich aber durchaus.
Ebenfalls mit Einführung von Sonoma brauchte mein Mac Studio urplötzlich nach dem Neustart und nach Eingabe des Anmeldepasswortes viel länger, um den Login-Vorgang abzuschließen. Der Fehler ist bis heute da. Keine Lösung in Sicht. Andere Macs im Haus haben dieses Problem nicht. Wo soll man da suchen? Die Ursachenfindung könnte ewig dauern und hat mich auch schon einige Zeit im Forum gekostet.
macOS 15 Sequoia führte wieder neue Probleme ein. Insbesondere die Synchronisation etlicher Mail-Accounts zwischen verschiedenen Apple-Devices funktioniert seit dem nicht mehr richtig. Inzwischen gab es drei Updates für Sequoia, aber der Fehler besteht nach wie vor.
Noch ein paar kurze Storys aus anderen Bereichen: Zwei Jahre lang hatte ich in einem Raum zwei Philips Hue Funksteckdosen im Betrieb, die bequem über einen kleinen Hue Funkschalter bedient werden konnten. Nach einer kleinen Renovierungsaktion, während der die Steckdosen entfernt und anschließend wieder in dieselben Steckdosen gesetzt wurden, funktioniert das nicht mehr. Stundenlange Versuche der Neueinrichtung und Fehlersuche sind fehlgeschlagen. Stand jetzt sind die Steckdosen und der Schalter Elektroschrott, da sie Ihre Aufgabe per Funk/Netzwerk nicht mehr erfüllen.
Audio-Streamer, mit denen ich mich berufsbedingt seit vielen Jahren intensiv beschäftige, sind ebenfalls nicht gefeit. Obwohl in der Regel noch vergleichsweise unkompliziert, zeigen sich auch hier manchmal seltsame Phänomene. So hatte ich kürzlich einen Streamer, der beharrlich die Netzwerkverbindung über LAN-Kabel verweigerte. Nach langwieriger Fehlersuche stellte sich heraus, dass dieser Streamer Probleme mit CAT8-Ethernetkabeln hatte. Nur mit einem CAT5-Kabel wurde das Gerät im Netzwerk erkannt. Keine andere Komponente in meinem Fuhrpark hatte je ein Problem mit besagten CAT8-Kabeln. Und warum auch? – Grund unbekannt.
Ein letztes Beispiel aus meinem Haushalt: Ich habe eine FritzBox mit zwei FritzFon DECT-Telefonen im Betrieb. Eines der Telefone reagiert auf eine andere Nummer, das Erste klingelt aber trotzdem mit. Aus nicht geklärter Ursache dauert es manchmal etliche Sekunden, bis das zweite Telefon anfängt zu klingeln, sodass oft beim Rangehen der Anrufer schon wieder aufgelegt hat. Aber nur manchmal. Ohne, dass sich irgend eine Grundbedingung geändert hätte. Liegt es am älteren FritzFon-Modell? An schwankendem DECT-Empfang? An einem Software-Problem? Ich weiß es nicht.
Die Liste könnte endlos fortgeführt werden. Und ich bin mir sicher, Sie können ebenfalls viele Leidensgeschichten dieser Art erzählen. Bitte immer her damit!
Fazit: WTF?Die Frage, die sich angesichts der Situation stellt: Wie viele Stunden verbringen wir heute mit Fehlersuche und Ursachenforschung? Wird die Technologie aufgrund immer weiter zunehmender Komplexität wirklich besser oder nur immer zeitraubender? Von den beschriebenen Beispielen abgesehen gibt es ja auch noch ganz andere Zeitfresser. Etwa unsäglich komplizierte Autorisierungsverfahren bei Online-Behörden, nicht standardisierte Funktionsabläufe, die ständiges Neulernen bzw. Umdenken erfordern, oder ganz neue Technologen, deren Nutzen noch nicht ganz klar ist (bspw. Vision Pro).
Als jemand, der quasi Technologie gläubig zur Welt gekommen ist, habe ich mein Konsumverhalten über die Jahre deswegen ein wenig geändert. War ich früher ein begeisterter „Early Adopter“, der sich blindlings auf neue Technologien gestürzt hat, bin ich längst deutlich zurückhaltender geworden. So war mein erstes iPhone die Generation 6 und nicht schon die 1. Meine anfängliche Begeisterung für die Vision Pro habe ich gezügelt, worüber ich heute froh bin, denn viel zu selten hatte ich mir in der Vergangenheit die Frage gestellt: Was bringt mir das wirklich?
Das gilt auch und insbesondere für Smart-Home-Technologie. Muss wirklich jeder Thermostat und jeder Lichtschalter in meinem Haus vernetzt und mit einer Batterie ausgestattet sein? Oder ist am Ende nicht doch der gute alte Wandschalter und der manuelle Thermostat die bessere Wahl? Definitiv letzteres. Die meisten aktuellen Smart-Home-Produkte sind – aus meiner Sicht – pure Zeitverschwendung. Werde ich damit zum Technologie-Skeptiker? Das sicher nicht. Ich bin und bleibe in dieser Hinsicht ein Nerd. Aber es würde mich schon freuen, wenn künftig das Augenmerk wieder verstärkt auf Usability und Reliability gerichtet würde, statt auf Feature-Wars und Schnellschussaktionen.