Es ist ein Dilemma. Die Erwartungen an Apple werden mit jedem Jahr größer, die möglichen Entwicklungssprünge aber immer kleiner (dafür größer an Zahl). Außerdem ist es mit der Geheimhaltung längst nicht mehr so gut bestellt, weil sich eine ganze Industrie darauf spezialisiert hat, Apples Produktentwicklungen schon im Vorfeld ans Licht zu bringen. Von daher ist es keine gute Idee, vor einer Keynote mit Produktankündigungen so bedeutungsschwangere und Erwartungen herauf beschwörende Worte wie "By Innovation Only" aufs Tapet zu bringen – auch wenn das nur ein Wortspiel zu "By invitation only" (dt.: "Nur geladene Gäste") war. Aber so sind sie nun mal, die Amerikaner. Ohne großes Tam-Tam, Drama und Pathos geht es nicht. Das ist einfach eine US-Amerikanische Sitte, die wir hier in Deutschland nicht verstehen, aber einfach mal so hinnehmen sollten.
Aber zur Sache: Wie erwartet, wurden am vergangenen Dienstag Abend (fast) keine Dinge offenbart, die nicht schon im Vorfeld mit beinahe hundertprozentiger Genauigkeit durchgesickert waren.
Apple Arcade wurde als neuer Online Gamingservice offiziell in die Startlöcher gestellt, das Datum für den Start von
Apple TV+ bekannt gegeben, die Apple Watch 5 präsentiert, dazu eine verbesserte Version des
"Standard"-iPad und
das neue iPhone 11. (Für Details folgen Sie bitte den weiterführenden Links zu den jeweiligen News unten.) Doch nur weil vorher schon das Meiste durchgesickert war, heißt das ja nicht, dass keine Innovationen damit verbunden sind. Die sind nämlich durchaus recht zahlreich vorhanden. Nur eben im Kleinen. In der Verbesserung bereits ausgezeichneter Hardware und vor allem in deutlich ausgefeilterer Software, ohne die die beste Hardware letztendlich nur teurer Elektroschrott ist.
Und es gab auch noch ein paar kleine Überraschungen. So war zuletzt die Rede davon, der Video-Streamingdienst Apple TV+ würde rund zehn Dollar im Monat kosten, womit der große neue Konkurrent Disney+ mit seinen sieben Dollar monatlich spürbar günstiger wäre. Doch Apple enthüllte nun auf der Keynote, dass der Dienst lediglich rund FÜNF Dollar pro Monat kosten werde. Das ist doch mal eine Ansage. Als Bonus erhalten Käufer eines neuen iPhone, iPad, der Apple Watch oder des Apple TV ein Jahr lang kostenlos Zugang zu TV+.
Zu den größeren und durchaus bemerkenswerten Innovationen in Sachen Hardware gehört das neue Always-On-Display der
Apple Watch 5. Gibt's schon, sagen Sie? Klar. Aber nicht in der Qualität der Apple Watch und nicht mit so ausgefeiltem Power-Management, welches dafür sorgt, dass die Akkuleistung von rund 18 Stunden nicht sinkt. Das haben viele gefordert. Doch nun, wo es so weit ist, verkommt es fast zur Randnotiz und schürt bei einigen sogar Bedenken, dass Umstehende womöglich eine private Nachricht auf dem Watch-Display lesen könnten. – Oh je.
Schön ist auch, dass Apple die Watch nun in einer Titan- und wieder in einer Keramik-Ausführung anbietet. Weniger schön sind dabei nur die Preise. So kostet eine 44 mm Watch aus Titan immerhin rund 900 Euro, die Keramik-Version der selben Größe sogar gut 1.500 Euro. Da auch die Apple Watch ungefähr im Jahresrhythmus aktualisiert wird, ist das für so einen Luxusartikel schon ein enormer Preis, bedenkt man den schnellen Wertverlust und die "Vergänglichkeit" der Hardware. Aus dem Grund bleibe ich vermutlich erst mal bei meiner uralten Apple Watch "Series 0". Oder ich lasse mich zu einer nicht ganz so kostspieligen Alu-Version hinreißen.
Aus meiner Sicht überraschend und äußerst willkommen sind die mit dem neuen
iPhone 11 und vor allem dem
iPhone 11 Pro einher gehenden Features. Neben einer deutlichen Verbesserung der Akkuleistung, welche das 11 Pro sogar ausdauernder als das iPhone XR machen sollte, sind die Optimierungen am Gehäuse (mattierte Rückseite, tolles "Nachtgrün") und vor allem die Kamera-Features tatsächlich ein ordentlicher Sprung nach vorne. Trotzdem, selbst bei den Kollegen der Redaktion kamen die Neuerungen ganz offensichtlich
nicht als Innovationen an. Doch das ist auch eine Frage der Perspektive.
Ganz klar: Wer ein iPhone XR/XS besitzt, für den sind die Neuerungen, so zahlreich sie auch sind, kein ausreichender Grund für Jubelschreie oder gar eine Neuanschaffung. Für Besitzer älterer iPhones, wie meine Wenigkeit, sieht die Sache aber schon sehr viel attraktiver aus. Mich haben insbesondere die Kamera-Features des 11 Pro dazu bewogen, mich von meiner
kürzlich veröffentlichten Einschätzung zu verabschieden, auf das 2020er-Modell zu warten.