Canon EOS R im Praxistest – Spiegellos in die Vollformat-Zukunft
Canon EOS R – Ein Neuanfang mit Höhen und TiefenDie KameraGanz ehrlich, ich mag Canons Kameradesign. Das Gehäuse der EOS R gefällt mir auf Anhieb. Es ist nicht nur ausgezeichnet verarbeitet, sondern führt auch Canons Tradition im Bedienkonzept fort, bei dem auf ausladende Drehknöpfe für die Moduswahl und diverse mechanische Schalter weitgehend verzichtet wird. Die Canon sieht nicht zerklüftet aus, sondern ist dank der ausnahmslos flach ins Gehäuse integrierten Bedienelemente (und sogar der Ösen für Gurte) weitgehend frei von Höckern und harten Kanten. Gerade dieses „rundgelutschte“ Design ist nicht jedermanns Sache. Ist mir klar. Aber als jemand, der mit vielen verschiedenen Kamerasystemen gearbeitet hat (und mit fast allen gut zurecht kommt), gefällt mir Canons Ansatz noch mit am besten.
In der EOS R hat Canon versucht, dieses Konzept auf ein neues Level zu heben, indem sie Funktionselemente hinzugefügt haben, die es so bislang nicht in Kameras gab. Mit gemischtem Erfolg. Drei Dinge stechen dabei hervor. Zunächst ist da das neue Multifunktionsleiste (Multi Function Bar). Ein kleines berührungsempfindliches Feld in Daumenreichweite, das sowohl Tipp- als auch Wischbewegungen erkennt und mit diversen Funktionen belegt werden kann.
Idee super, Umsetzung so lala.
Viele Tester beschweren sich darüber, dass das Feld einerseits zu empfindlich ist, um ohne zugeschaltete Erkennungs-Verzögerung nutzbar zu sein, anderseits sei es zu unpräzise in der Handhabung. Dem kann ich weitestgehend zustimmen. Ohne Aktivierung der Verzögerung kommt man mit dem Daumen ständig auf das Feld und verstellt etwas. Mit aktivierter Verzögerung muss man zunächst die linke Hälfte der Leiste für etwa eine halbe Sekunde berühren, erst dann ist das Touchfeld „freigeschaltet“. Mit etwas Gewöhnung kann man die Leiste so durchaus verwenden, aber ich habe keinen wirklichen Nutzen für sie gefunden, was vielleicht auch daran liegt, weil man ihr nur eine recht begrenzte Anzahl von Funktionen zuweisen kann. Mittels Firmware-Update (welche Canon zukünftig verstärkt zur Verbesserung der Produkte beim User nutzen will) könnte man sicher mehr aus der Multi Function Bar herausholen.
Ein anderer oft genannter Kritikpunkt ist die Positionierung der AF-ON-Taste (im Bild oben rechts neben der MF-Bar zu sehen). Die liegt fast genau unter dem Daumen. Gerade wenn man die Kamera mit nur einer Hand hält, drückt man diese Taste fast unausweichlich. Je nachdem, wie man die Taste belegt, muss das aber nicht zwingend stören. Ich habe mir die Funktion zum zentrieren des AF-Feldes auf diese Taste gelegt. Das geht beim Fotografieren standardmäßig über die Löschen-Taste, was aber ein Umgreifen erfordert. Mit der umprogrammierten AF-ON-Taste ist diese von mir oft genutzte Funktion dadurch äußerst praktisch. Für andere Funktionen ist die Platzierung aber in der Tat nicht gerade ideal.
Ein weiteres Feature ist die Mode-Taste innerhalb des Daumenrades. Kombiniert mit dem OLED-Display an der Oberseite oder dem Hauptdisplay wird darüber der Fotomodus ausgewählt. Das funktioniert genau so gut, wie mit einem großen (quasi-) mechanischen Schalter, ist aber dezenter. Mir gefällt es.
Ebenfalls neu ist der Control Ring, welcher sich künftig an allen RF-Objektiven findet. Über den immer am vorderen Ende des Tubus angebrachten Ring kann man, je nach Programmierung, verschiedene Parameter steuern. Ich habe mir die ISO-Einstellung auf den Ring gelegt und empfinde das als sehr nützlich. Kritik: Der Ring ist bei meinen Testobjektiven etwas zu leichtgängig. Und in manchen Situationen kann ich nicht von manuell eingestellten ISO-Werten auf Auto-ISO wechseln, wobei ich den Grund dafür noch nicht herausgefunden habe. Alles in allem ist der Control Ring aber eine gelungene Ergänzung, die Bedienelemente an der Kamera für andere Dinge frei hält.
Ansonsten glänzt die EOS R mit der von Canon bekannten, sehr guten Touch-Screen-Umsetzung und Menüsteuerung. Im Gegensatz beispielsweise zu meiner Olympus oder auch den Kameras von Sony ist das Touchdisplay der Canon nicht nur flexibler für praktisch alles nutzbar, sondern auch verzögerungsfreier. Das Display lässt sich übrigens herausklappen, schwenken und drehen, sodass man es auch im „Selfie-Modus“ oder hochkant bei bodennaher Nutzung verwenden kann.