Canon EOS R und Nikon Z – KommentarKommentar/MeinungManchmal hat man den Eindruck, Canon und Nikon wären nur eine Firma, die lediglich mit zwei unterschiedlichen Markennamen mehr oder weniger das Selbe tun – mit leichten Geschmacksnuancen. Nachdem die beiden bislang marktbeherrschenden Foto-Kamera-Anbieter ihre Produkte und Vorstellungstermine schon in der Vergangenheit oft recht nah beieinander positioniert haben, wiederholt sich das Spiel nun auch bei ihren ersten spiegellosen Vollformatkameras – mit denen sie schon viel früher auf die wachsende Konkurrenz u.a. von Sony hätten reagieren müssen.
Nun, Gut Ding will Weile haben, sagte sich "Canikon" und ließ sich entsprechend Zeit. Immerhin musste auch gewährleistet sein, dass ihr zig-millionenfach verkauftes Objektivsortiment an der neuen Kamera ohne Nachteile benutzt werden kann. Beide Zwillinge im Geiste haben das offenbar sehr gut hinbekommen. Die Einführung eines neuen Objektivanschlusses, für den über die nächsten X Jahre erst mal neue Optiken in größerer Auswahl entwickelt werden müssen, dürften sich langfristig aber auszahlen. Sowohl Canon als auch Nikon machen mit ihrem Bajonett-Durchmesser und Auflagemaß weniger Kompromisse, als dieser – aus Canikons Perspektive – freche Emporkömmling Sony.
Auch bei der Positionierung ihrer Neuheiten scheinen sich Rot (Canon) und Gelb (Nikon) weitgehend einig zu sein. Zwar wagt Nikon die Aufsplittung in zwei Kameras mit unterschiedlicher Sensorauflösung (und ein paar anderen Differenzierungsmerkmalen), dennoch sind sowohl die Nikon Z6/7, als auch die Canon EOS R
nur in der Kamera-Oberklasse statt in der High-End-Liga angesiedelt. Die bisherigen DSLR-Flaggschiffe EOS 1DX Mark II und Nikon D5 werden damit nicht torpediert. Eher wildern die spiegellosen Neuheiten im Revier der Canon EOS 6D Mark II bis teilweise 5D Mark IV und Nikon nimmt Anleihen bei der D750 und 850. Über Kurz oder Lang wird aber mit Sicherheit auch das Topsegment Vollformat-Konkurrenz aus eigenem Hause bekommen.
Die jetzt vorgestellten Kameras sind als Erstlingswerke – soweit die Daten es erkennen lassen – schon sehr ausgereift und wirken nicht halbherzig, wenn man mal Erbsenzählerei weglässt und nicht auf einzelne fehlende Features guckt. Auch die neuen Objektive machen einen sehr guten ersten Eindruck, sind z.T. aber auch heftig teuer. Wer besonders hohe Lichtstärke will, muss tief in die Tasche greifen.
Zweifellos kann man sowohl die Nikon Z6/7, als auch die Canon EOS R als die wohl wichtigsten Kameraneuheiten der letzten ca. 5 Jahre ansehen – allein schon wegen des Einflusses dieser beiden Hersteller. Zumindest werden sie dem Kameramarkt, der in letzter Zeit ein wenig an Begeisterungsfaktor verloren hat, neue Impulse geben und den Wettbewerb ankurbeln.
Wenn Sie mich fragen, welchen der Neuzugänge ich für den Gelungeneren halte – Canon EOS R oder Nikon Z – kann ich Ihnen keine eindeutige Antwort geben. Beide Systeme haben ihre Highlights und gewisse Einschränkungen. Nikons Z-Mount ist noch etwas größer als Canons R und hat ein noch geringeres Auflagemaß. Ob und wie sich das in interessanteren Objektiven auswirkt, bleibt abzuwarten. Das von Nikon angekündigte 58mm f/0,95 ist schon mal ein beeindruckendes Statement, wird aber auch höllisch teuer sein (vermutlich um 6.000 Dollar). Andererseits gefällt mir Canons Start mit dem etwas reichweitenstärkeren 24-105mm f/4 etwas besser und auch die (ebenfalls nicht ganz billigen) 50mm f/1,2 und 28-70mm f/2 sind äußerst lecker. Zudem sind einige Features der Canon, wie der Control Ring an den Objektiven und das Touchpad, konzeptionell moderner und bringen ein wenig mehr Innovation.
Ziemlich überraschend ist, dass sich Canon bei seiner ersten DSLM gegen den Trend und trotz aller Vorzüge für den Verzicht auf einen IBIS entschieden hat. Bei DSLRs ist das noch nachvollziehbar, weil ein stabilisierter Sensor dort nicht alle seine Vorzüge ausspielen kann (z.B. kein stabilisiertes Sucherbild). In spiegellosen Kameras mit EVF hat ein IBIS aber mehr Vorteile, zumal die Technik in den letzten Jahren derart verbessert wurde, dass sie Objektiv-basierten Stabis in Sachen Effizienz
mindestens ebenbürtig geworden sind. Insbesondere bei Video dürften viele Nutzer dieses Feature schmerzlich vermissen, wenn das bevorzugte Objektiv ohne IS daherkommt – wie vielleicht das ansonsten beeindruckende neue RF 28-70 f/2.
1:1-Featurevergleiche bringen jedoch selten Klarheit über das Geamtbild. So halte ich es für sinnlos, beispielsweise Canon einen Vorteil für das neue Touchpad oder die 5.655 wählbaren AF-Positionen einzuräumen, oder Nikon für den größeren Sucher, den IBIS oder des noch kürzeren Auflagemaßes den Vorzug zu geben. Die Praxis und der persönliche Bedarf ist entscheidend und mit welchem System man besser klar kommt. Alles in Betracht gezogen wird vermutlich kaum ein Nikon-User wegen der R einen Systemwechsel in Betracht ziehen und umgekehrt auch kein Canon-User wegen der Z zu Nikon umziehen. Sonys Alphatiere überflügeln übrigens weder die Canon, noch die Nikon eindeutig. Zumindest nicht bei populären Features wie Serienbildgeschwindigkeit etc. Der Systemgedanke und der neue Mount wird hier aber dafür sorgen, dass künftig weniger Canikon-User zu Sony überlaufen werden.
Ginge es nur nach dem Design von Gehäuse und Objektiven (das Auge isst ja bekanntlich mit), wäre meine persönliche und natürlich vollkommen subjektive Rangfolge:
Platz 1. Canon R
Platz 2. Nikon Z
Platz 3. Sony E
Die Canon hat das modernste und am wenigsten zerklüftete Design, ohne irgendwelche Retro-Elemente und mit einem harmonischen Zusammenspiel zwischen Gehäuse und Objektiven. Die Nikon nutzt "klassische" Bedienelemente (wie z.B. Moduswahlrad) und verbindet diese mit einem eigenständigen Look. Sonys E-Modelle sind in meinen Augen bislang ein wenig zu "grob geschnitzt" und das uneinheitliche Objektivdesign (Sony/Zeiss) passt längst nicht so gut zu den Bodys. – Nur meine persönliche Meinung!
Als ehemaliger Canon- und auch Nikon-Nutzer gefielen mir damals beide Systeme konzeptionell und technisch ähnlich gut. Jedes auf seine ganz individuelle Art. Die lange Weigerung von Canikon, sich stärker auf Mirrorless für höhere Ansprüche einzulassen, hat mich zwar letztlich in die Arme von Olympus getrieben, doch zweifellos hat ein kompakte(re)s Vollformatsystem seinen besonderen Reiz. Sollte ich ernsthaft eine Rückkehr in Erwägung ziehen, wofür ich erst mal praktische Erfahrungen mit beiden Systemen sammeln möchte, kämen "R" und "Z" für mich gleichermaßen in Betracht. Also, kein klarer Gewinner bis jetzt. Und Sony ist natürlich auch noch auf dem Schirm. Da soll in Kürze noch etwas großes in Sachen E-Mount kommen, munkelt man. Vielleicht ein schneller Vernichtungsschlag gegen die leicht konservativ entwickelten DSLM-Erstlinge von Canon und Nikon?
Randnotiz: Canon hat neben der "R" auch die Objektive EF 400MM F/2.8 und 600MM F/4 sowie das EF-M 32MM F/1.4 STM vorgestellt. Die 400- und 600er sollen die weltweit leichtesten ihrer Art sein. Das Gewicht des EF 400mm f/2.8L IS III USM beziffert Canon mit 2.840 Gramm (bisher 3.850 Gramm) und das EF 600mm f/4L IS III USM auf 3.050 Gramm (bisher 3.920 Gramm).
Der Preis dafür? 12.999 Euro für das 400er und 13.999 Euro für die 600er Tüte (beide ab Dezember). Das EF-M 32MM F/1.4 STM (KB = 51mm) erweitert das Sortiment für das APS-C-System EOS M, kostet 529 Euro (ohne Streulichtblende, €29 extra) und ist ab 20. September erhältlich.