Am vergangenen Montag wurde offiziell verkündet, was schon kurz zuvor als Gerücht durch die sozialen Medien geisterte:
Roon wurde von der Harman International Group übernommen. Firmenübernahmen dieser Art sorgen immer erst mal für Verunsicherung. Aber wer oder was ist Roon eigentlich?
Gegründet wurde Roon 2015 von ein paar ehemaligen Meridian/sooloos-Mitarbeitern, die sich daran machten eine neue Plattform zur Musikverwaltung und für Musikstreaming zu erschaffen, die vor allem in Sachen Nutzerkomfort und Klangqualität alles bis dahin gesehene und gehörte in den Schatten stellen sollte. Was auch gelang. Nicht nur aus meiner Sicht ist Roon allen anderen Lösungen dieser Art weit überlegen. Aber das hat seinen Preis. 14,99 Dollar im Monat (derzeit in einer Aktion für 12,49 Dollar) oder als Lifetime-Lizenz für einmalig $829,99 (derzeit etwa 760 Euro).
Roon ist Server-basiert. Das heißt, es wird ein Roon-kompatibler Server benötigt, was ein Mac/PC, ein dafür konfigurierter Intel-NUC oder speziell dafür konstruierte Server sein können. Außerdem ist eine Roon Lizenz erforderlich (Abo oder als Lifetime, siehe Absatz zuvor). Und zuletzt wird ein Roon-Endpoint, also ein Roon kompatibles Abspielgerät benötigt, das "Roon Ready" ist. Es können zwar auch USB-DACs, sowie AirPlay und ChromeCast-Geräte von Roon bedient werden, aber der Königsweg ist "Roon Ready". Rewind hat im Laufe der letzten Jahre diverse Roon-Ready-Geräte getestet. Angefangen bei dem günstigen
Argon Audio Solo, bis hin zu dem grandiosen
Rose RS520 Streaming-Vollverstärker.
Die Kosten für Hardware und Lizenz sind also nicht unerheblich, weshalb sich Roon bisher nur bei Hardcore-Audiofans durchgesetzt, dort aber mit Macht.
Inzwischen gibt es laut Roon über 160 Marken und über 1.000 Endgeräte mit "Roon Ready"-Status. Wer ein solches Gerät erwirbt, erspart sich eine Menge Konfigurationsaufwand. Einfach das Device mit dem Netzwerk verbinden, in den Audio-Einstellungen von Roon "Aktivieren" anklicken und schon läuft es. Und zwar mit bestmöglicher Qualität. Roon verwaltet dabei nicht nur eigene auf NAS oder Festplatten gespeicherte Musik, sondern integriert auch Internetradio, sowie die Streaming-Dienste Qobuz, Tidal und HighRes Audio, sowie das in Asien beliebte KKBOX. Das Roon Interface gilt (zu Recht) als das mit Abstand Beste, um Musik aus den verschiedensten Quellen gemeinsam zu verwalten. Einschließlich hervorragender kuratierter Informationen und einem Browsing-Komfort, der alle anderen Apps alt aussehen lässt. Mit der zusätzlichen App Roon Arc lässt sich die Musik vom eigenen Server auch in alle Welt streamen. Der ganz persönliche Streaming-Dienst, sozusagen.
Nur zwei Screenshots aus der Roon App für Mac
Roon selbst ist bis heute eine recht kleine und weltweit verstreute Truppe von Entwicklern. Will ein Hersteller ein neues Streaming-Device für Roon zertifizieren, muss er ein Mustergerät an Roon senden, wo es einer strengen Kontrolle für die Kompatibilität unterzogen wird, wozu auch diverse Steuerungsparameter gehören, damit die Bedienung aus Roon stets zuverlässig funktioniert. Dieser Prozess dauerte zuletzt oft sehr lange. So kamen Geräte auf den Markt, die mit dem Hinweis "Roon Ready" beworben wurden, obwohl sie dies zum Marktstart noch gar nicht waren. Nicht selten dauerte es einige Monate, bis die Funktionalität endlich gegeben war. Aber einmal Roon Ready und in der App aktiviert ist die Nutzung mit Roon eben ein Genuss.
Mit der nun offiziell verkündeten Übernahme durch
Harman International ergeben sich naturgemäß einige Fragen. Dabei ist zu bedenken, dass Harman seinerseits inzwischen ein Tochterunternehmen des Elektronik-Riesen Samsung ist.
Laut
Roon-Meldung soll sich aber an den bisherigen Konditionen für bestehende Nutzer nichts ändern. Insbesondere Nutzer mit einer Lifetime-Lizenz können also aufatmen. Danny Dulai, einer der Roon Labs Gründer, sagte im Roon-Forum: "We expected to fight hard for the existing lifetimers, but Harman was awesome and didn’t even consider not continuing to support them!" (Deutsch: Wir hatten damit gerechnet, hart für die bestehenden Lifetime-Lizenznutzer kämpfen müssten, aber Harman war großartig und dachte nicht einmal daran, sie nicht weiter zu unterstützen!) Auch sonst soll für die Nutzer alles wie gewohnt weiter gehen:
- Alle Monats-, Jahres- und Lifetime-Abonnements bleiben gültig und werden ohne Unterbrechung fortgesetzt.
- Testversionen werden wie gewohnt fortgesetzt und umgewandelt.
- Es wird keine Änderungen am Abrechnungsverfahren geben.
- Die Community-Site wird weiterhin die Heimat für Diskussionen über Roon, Audio und Musik sein.
- Der Kundenerfolgs- und Supportservice wird weiterhin wie bisher funktionieren.
- Alle unterstützten Audioprodukte werden weiterhin mit Roon funktionieren, und wir werden neue Roon Ready und Roon Tested Produkte aller Marken zertifizieren.
- Die vertrauten Gesichter aus unserem Team werden wie immer hier sein.
… so das Versprechen.
Andere KonsequenzenDas Ziel der Übernahme ist, durch bessere finanzielle Ressourcen künftige Vorhaben besser und schneller verwirklichen zu können. Und laut Roon haben die Macher noch einiges vor. Vielleicht werden künftige Roon-Ready-Zertifizierung dadurch ja auch beschleunigt.
Natürlich ist jetzt noch nicht abzusehen, ob Roon sich dadurch langfristig nicht in andere, möglicherweise weniger erfreuliche Richtungen entwickeln wird. Sicherlich wird auch Samsung – als neuer Oberboss von Roon – von den Möglichkeiten der Plattform profitieren wollen. Wie und in welcher Form bleibt abzuwarten. Aber auf der Hand läge, dass Samsung mit dem genialen RAAT-Protokoll (Roon Advanced Audio Transport) ein Gegengewicht zu Apple AirPlay und Google Chromecast schaffen will.
Mit mehr Geld und Manpower kann Roon, das bisher noch eine Art Nerd-Status hat, sicherlich schneller neue Nutzergruppen erobern. Vielleicht ergeben sich auch neue Möglichkeiten zur Kostensenkung, insbesondere was die Anschaffung eines Roon-Servers angeht. Die gab es bisher nämlich entweder nur als Bastel-Lösungen oder als High-End-Produkte zu entsprechenden Preisen. Möglich ist auch, das Streamer mit integriertem Roon-Server, wie der super praktische
Mytek Brooklyn Bridge II, künftig vermehrt in bezahlbareren Konsumer-Produkten verfügbar werden. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich alles Spekulation. Es bleibt spannend.