Das Ende der Spiegelreflexkamera? – Canon bereit, sein SLR-Geschäft zu „kannibalisieren“
Bekennt sich Canon zur CSC?Der Satz, um den es geht, stammt von Masahiro Sakata, President of Canon Marketing Japan, und wurde in einem
Artikel von Nikkei Asian Review veröffentlicht. Sakata wird dort wie folgt zitiert:
… Canon decided it must "actively roll out products for a growth market even if there is some cannibalization,“
Etwas übereifrige Photo-News-Seiten und stille Post durch diverse Foren und Gerüchteportale haben das später so dargestellt, als hätte Canon definitiv bestätigt, seinen Schwerpunkt von SLRs auf CSCs zu verlagern. Das Zitat gibt das so natürlich nicht her, aber der Satz könnte, wenn er denn ernst gemeint war, dennoch einen Paradigmenwechsel bei Canon bedeuten und damit ein beschleunigtes Ableben der SLR nach sich ziehen.
Der einzig vernünftige Grund, warum Canon und Nikon nicht schon viel früher und stärker in CSCs investiert haben, ist, dass sie sich damit ihr (noch) florierendes Geschäft mit SLRs nicht vermiesen oder eben „kannibalisieren“ wollten. Tatsächlich stecken die beiden Platzhirsche da in einer ziemlichen Zwickmühle. Andere Hersteller wie Sony, Olympus, Panasonic, Fujifilm, hatten bislang keinen nennenswerten SLR-Marktanteil und konnten daher nahezu risikolos in die vielversprechende CSC-Technik investieren, ohne sich um ein bestehendes SLR-Geschäft sorgen machen zu müssen. Bei „Canikon“ sah das gänzlich anders aus.
Doch heute, fast 10 Jahre nach dem Beginn der CSC-Revolution, sind technische Nachteile von CSCs praktisch kein Thema mehr und ihre Vorteile fangen an zu überwiegen, wodurch große, teure und schwere SLRs immer stärker in Bedrängnis kommen. So bietet beispielsweise Sony mit der A7 III (
siehe Vorstellung) und anderes CSCs heute spiegellose Kameras an, die selbst den besten SLRs in so gut wie nichts nachstehen, diese in vielen Punkten sogar noch übertreffen, dabei aber deutlich kompakter und leichter sind. In der Folge hat es Sony schon vor einem Jahr mit seiner aggressiven Entwicklungstrategie von CSCs geschafft, Nikon in den USA Rang 2 unter den Vollformat-Kameraherstellern abzuluchsen.
Bislang konnten Canon und Nikon sich immer darauf verlassen, dass vor allem Profis in der Sportfotografie (Fußball, Olympische Spiele etc.) nach wie vor auf SLRs setzen. Das lag zum Teil daran, dass CSCs bis vor kurzem bewegte Objekte nicht so schnell fokussieren konnten, aber auch an begrenzter Objektivauswahl und ein paar anderen Faktoren. Doch vor allem Sony, aber auch einige Micro Four Thirds-Systeme sind inzwischen auf einem Niveau angelangt, dass man die Systeme bei solch anspruchsvollen Events einsetzen und von ihren Vorteilen profitieren kann. Eine der letzten Domänen von Canon und Nikon droht damit aufzuweichen. Daher ist es allerhöchste Zeit, dass sich die beiden „Elefanten“ bewegen, um nicht am Ende im anschwellenden Strom anderer CSCs zu ertrinken.
Die obige Aussage des Canon-Managers könnte ein erstes Anzeichen für solch einen Wandel sein. Wenn dem so ist, mache ich mir um Nikon eigentlich keine größeren Sorgen, denn historisch betrachtet haben Canon und Nikon immer stark voneinander „abgeguckt“ und sind oftmals sogar fast zeitgleich mit verdächtig ähnlichen Features auf den Markt gekommen. Ändert Canon seine Strategie, wird Nikon das ebenfalls tun. Die Frage ist nur, ob bis dahin nicht Sony das Spiel um den Kamerathron gewonnen hat.