Vor etwas über drei Jahren veröffentlichten wir in REWIND einen Artikel über das möglicherweise bevorstehende
Ende der Spiegelreflex-Ära. Damals noch mit einem Fragezeichen in der Überschrift versehen. Seit dem hat sich viel getan und das Fragezeichen kann getrost gestrichen werden. Zwar sind Spiegelreflex-Kameras (SLR – Single Lens
Reflex) noch immer nicht vom Markt verschwunden, aber ihre Bedeutung hat doch stark verloren. Wer jetzt als Ein- oder Aufsteiger in ein Kamerasystem investieren möchte, greift zur spiegellosen Lösung.
Der Auslöser kam von Olympus und PanasonicKurzer Rückblick: Die Initialzündung für die langjährige Transition des Kameramarktes gab Olympus mit der Vorstellung der PEN E-P1 im Jahr 2009 (siehe
Rewind 177). Genau genommen gab es auch schon früher spiegellose Systemkameras, wie die
Epson R-D1 (2004) und die Leica M8 mit APS-C-Sensor. Diese hatten jedoch eher Exoten-Status und weniger Einfluss auf die allgemeine Marktentwicklung.
Nachtrag: Die erste spiegellose MFT-Kamera war tatsächlich die vom Systempartner Panasonic entwickelte Lumix DMC-G1, die einige Monate vor der E-P1 erschien. Damit hat Panasonic natürlich genauso seinen Anteil an den weiteren Entwicklungen des Mirrorless-Marktes. Ich bitte das Versäumnis zu entschuldigen.
Auch die sehr kompakte Olympus Mirrorless-Kamera mit Micro-Four-Thirds-Sensor war anfangs keine unmittelbare Gefahr für die bis dahin klar dominierenden SLRs, weil sie keinen TTL-Sucher und keinen Phasen-AF bot. Doch sie zeigte auch, dass es nennenswerte Vorteile bietet, auf eine komplexe Klappspiegelmechanik zu verzichten.
Wegbereiter: Mit der E-P1 aus dem Jahr 2009 führte Olympus das spiegellose Micro-Four-Thirds-Format ein und fuhr seine Entwicklungen im SLR-Bereich runter. Rund 12 Jahre später ist nun das Ende der SLR nah.Von da an dauerte es jedoch noch sehr lange, bis sich eine Beschleunigung des SLR-Aussterbevorgangs ergab. Viele Faktoren spielten dabei eine Rolle. Beispielsweise, dass erst viel Später erste Kameras mit Vollformatsensor auf den Spiegel verzichteten. Sony war hier einer der Vorreiter und hat damit die Lawine erst so richtig losgetreten. Der zunehmende Erfolg ihrer Alpha-Serie und immer mehr professionelle Sony-Nutzer im Umfeld der bis dato von Canon und Nikon dominierten Sport- und Reportagefotografie mit immer schneller ratternden Spiegel-/Verschlusssystemen hat die trägen Elefanten der Szene erst viel später dazu bewogen, eigene spiegellose Vollformatkameras auf den Markt zu bringen. Die Angst davor, den bis dato gut sprudelnden Geldstrom von SLR-Verkäufen abzuschnüren, war lange ein Hemmnis.
2013: Sony Alpha 7: Die erste spiegellose Vollformat-Kamera.Zum Zeitpunkt meines 2018er-Berichts hatten die Nikon Z7- und Canon EOS R-Serie-Kameras noch nicht das Licht der Welt erblickt. Deren Vorstellung folgte rund ein halbes Jahr später von Nikon (
Vorstellung Z7) und einen Monat darauf mit der
Canon EOS R.
Die Vorreiterrollen von Olympus und Sony in allen Ehren, aber erst die Z7 und EOS R machten den Trend zu einer überschaubaren Gewissheit. Von da an war klar, dass die altehrwürdige SLR-Technik bald Geschichte sein würde.
Nikon Z7Canon EOS RZurück ins Hier und Jetzt – Der Endkampf hat begonnenNatürlich waren auch andere Hersteller an dem „Game of Mirrorless“ beteiligt und die Z7 bzw. R-Serie waren nicht die ersten spiegellosen Systemkameras der beiden (damaligen) Marktführer. Entscheidend war und ist aus meiner Sicht, dass das populäre und von vielen als goldener Mittelweg angesehene Sensorformat 24 x 36 mm (Kleinbild oder auch Vollformat genannt) Ende 2018 in den Mirrorless-Fokus von „Canikon“ rückte, sowie der Umstand, dass unzählige in Kundenhand befindliche SLR-Objektive auf unkomplizierte Weise (mit einem Adapter) an den neuen SLM-Kameras (Single Lens Mirrorless) weiter genutzt werden konnten und die Hersteller sich endlich zu großen Investitionen in das neue System bekannten.
Der „Krieg“ ist für Mirrorless eigentlich schon längst gewonnen. Niemand würde dem Klappspiegel noch so etwas wie ein Revival zutrauen. Jetzt geht es nur noch ums Aufräumen bzw. um ein würdiges Ende der verbliebenen Klapper-Schlachtschiffe.
Sowohl Canon als auch Nikon haben mit der EOS 1Dx Mark III bzw. der D6 erst in diesem Jahr ihre vermutlich letzten SLR-Flaggschiffe auf den Markt gebracht. Die 7.300-Euro-Boliden müssen noch irgendwie an die Fotografen gebracht werden. Denn auch für diese Galionsfiguren der Kameratechnik ist mit der
Canon EOS R3, die voraussichtlich am kommenden Dienstag offiziell angekündigt werden wird, bereits Wachablösung auf dem Weg.
Canon EOS R3: Die erste "Flaggschiff"-Kamera von Canon ohne Spiegel kommt noch in diesem Jahr.Über die Namensgebung der R3, wird derzeit noch heiß diskutiert und
spekuliert. Aber es dürfte klar sein, dass die spiegellose High-End-Kamera aus rein technischer Sicht locker das Erbe der großen „Sportskanone“ EOS 1D antreten kann. Serienbildgeschwindigkeit, Auflösung, AF-Performance und andere Eckdaten lassen keinen anderen Schluss zu. Es ist nur noch die Frage, ob es dennoch später eine EOS R1 mit noch beeindruckenderen Specs geben wird, oder ob diese nur eine Variante der R3 mit höherer Sensorauflösung werden wird. – Andere Überraschungen natürlich nicht ausgeschlossen.
Sollten die Canon EOS 1D Mark III und die Nikon D6 die letzten großen SLR-Entwicklungen gewesen sein? Derzeit sieht alles danach aus. Ein paar Modellvorstellungen könnte es künftig zwar noch geben, aber die dürften eher als Beruhigungspille für diejenigen taugen, die noch nicht auf den Mirrorless-Zug aufgesprungen sind. Allein die Investitionen in die neuen Objektivsysteme (RF-Mount bei Canon, Z-Mount bei Nikon etc.) verbieten langfristige Lebenserhaltungsmaßnahmen für das alte SLR-Ökosystem. Die Single Lens Reflex Kamera ist damit praktisch Geschichte.
Randnotiz: Ist Ihnen aufgefallen, dass der ursprüngliche Hauptvorteil von Mirrorless-Kameras – kompaktere Abmessungen – heute kaum noch eine Rolle zu spielen scheint? Systemkameras werden wieder größer und "griffiger". Wer einen kleinen Fotoapparat will, greift zum iPhone.
Kudos to SonyIm Segment der professionellen Fotokameras hat Sony lange Zeit gegen Canikon keinen Stich gemacht. Auch beachtenswerte Experimente, wie die Kameras der frühen Alpha-Serie mit feststehendem, halbdurchlässigem Spiegeln (SLT – Single Lens Translucent), hatten letztlich keine Durchschlagskraft und wurden, wenn ich mich recht erinnere, mit der A99 II Ende 2016 letztmals reanimiert.
Sony A99 II – Das Experiment SLT wurde eingestellt.Dennoch ist es Sony zu verdanken, dass die SLR-Technik nicht noch viel länger künstlich am Leben erhalten wird. Denn es war dieser Hersteller, der erstmals mit größerer Ernsthaftigkeit auf spiegellose Vollformatkamares setzte, ohne größere Rücksicht auf SLR-Altlasten zu nehmen. Mit dem daraus resultierenden Erfolg, Ende 2019 als zweitgrößter Kamerahersteller an Nikon vorbei ziehen zu können. Auch wenn Canon und Nikon zu diesem Zeitpunkt selbst schon in den Mirrorless-Vollvormat-Markt eingestiegen waren, dürfte dies den endgültigen Todesstoß für die SLR bedeutet haben, denn nun mussten auch Canon und Nikon alles in die Mirrorless-Waagschale werfen.
Mit der technisch sehr ambitionierten A1 (
Vorstellung) machte Sony Anfang diesen Jahres klar, sich noch lange nicht zufrieden geben zu wollen. Damit hat Sony allerdings auch eine Technologieschlacht eröffnet, die Quasi auf dem Geldbeutel der Kunden ausgetragen wird. Mit 7.300 Euro hat die A1 das Preisniveau der letzten großen SLR-Schlachtschiffe erreicht. – Wenn auch in einem anderen Formfaktor ohne fest integrierten Portraitgriff. Die kommende Canon EOS R3 wird vermutlich in ähnlichen Preissphären angesiedelt sein. Wann und womit genau Nikon nachzieht, steht noch in den Sternen, doch auch dieser Player wird das Preisniveau in der Top-Klasse sicher nicht nach unten drücken.
Abgesang – Auf Wiedersehen SLR, es war schön mit DirDie SLR könnte ein wenig das Schicksal der Langspielplatte teilen. Völlig aussterben wird die Klappspiegelkamera vorerst nicht – aber in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Und zwar ziemlich bald.
Inzwischen sind Mirrorless-Kameras der Stand der Dinge. Ihre ursprünglich größten Schwachpunkte, wie schlechte elektronische Sucher oder langsamer AF sind weitgehend ausgemerzt und auf oder sogar über dem Niveau der besten SLRs. (Nur die Akkuausdauer ist bei SLRs nach wie vor besser.) Weitere Entwicklungen, wie etwa der Sensor mit „Global Shutter“, der irgendwann den mechanischen Verschluss ganz obsolet machen dürfte, sind zwar noch nicht wirklich spruchreif für den Massenmarkt, führen aber schon wieder in eine ganz andere Richtung. Damit wird irgendwann auch das letzte mechanische Klicken beim Drücken des Auslösers verstummen, was irgendwie auch schade ist.
Zudem kommt heute keine anspruchsvolle Fotokamera mehr ohne extensive Videofähigkeiten aus. Bei Serienbildgeschwindigkeiten von 30 und mehr Schuss pro Sekunde (bei voller Sensorauflösung) kann von Fotografieren sowieso kaum noch die Rede sein. Eher von Video Frame Grabbing.
Keine Sorge: Die ruhige, quasi kontemplative Form des Fotografierens mit sorgfältig ausgewählten Bildausschnitten etwa in der Natur- oder Street-Fotografie geht deswegen wohl nicht verloren. Aber der technische Overkill moderner Digitalkameras hat doch schon etwas bedenkliches. Da blicke ich schon etwas wehmütig zu meiner ersten digitalen Spiegelreflexkamera (einer Canon EOS 20D) zurück, die mit ihren 8 Megapixeln und maximal 5 Bildern pro Sekunde aus heutiger Sicht wie ein Lanz Bulldog im Vergleich zu einem Porsche Carrera wirkt.
Kann es wirklich sein, dass das kaum mehr als 15 Jahre her ist?