Technik: Vor- und Nachteile von AktivlautsprechernErklärung in Kürze: Lautsprecher bezeichnet man im Allgemeinen dann als „aktiv“, wenn der für den Antrieb nötige Leistungsverstärker in den Gehäusen der Lautsprecher integriert ist. Eine abweichende Definition ist, dass ein Lautsprecher erst dann „aktiv“ ist, wenn er über eine aktive Frequenzweiche verfügt. Allerdings ist es so, dass die meisten heute erhältlichen Aktivlautsprecher sowieso über eine aktive Frequenzweiche verfügen, womit es sich erübrigt, über Feinheiten der Definition zu streiten. Entscheidend ist, dass sich aktive, also mit einer eigenen Stromquelle gespeiste Komponenten im Lautsprecher befinden. Kurz gesagt: Hat der Lautsprecher einen eigenen Stromanschluss, handelt es sich in der einen oder anderen Form um einen Aktivlautsprecher.
Eine modernere, heute immer populärer werdende Variante sind Digital-Aktivlautsprecher, welche die Aufteilung der Frequenzen auf digitaler Ebene vornehmen und ggf. weitere Anpassungen digital durchführen, bevor das Signal analog gewandelt und verstärkt wird. Absoluter Pionier auf diesem Gebiet ist der britische Hersteller
Meridian, der schon 1989 mit den D600 die weltweit ersten Digital-Lautsprecher auf den Markt brachte und diesem Prinzip bis heute die Treue hält.
Analoge Aktivlautsprecher gibt es nicht erst seit gestern, sondern seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Etwa seit den 80ern ist man sich weitgehend einig, das Aktivlautsprecher passiven Schallwandlern prinzipbedingt deutlich überlegen sind – oder sein müssten. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Vorteilen des Aktivkonzepts. So sind beispielsweise aktive Frequenzweichen weniger verlustbehaftet als passive Weichen und sie ermöglichen eine präzisere (steilflankigere) Abgrenzung der Frequenzen, ohne dabei klangschädigende Phasendrehungen zu erzeugen. Da auf leistungszehrende passive Frequenzweichen verzichtet werden kann, sind Aktivlautsprecher viel Energieeffizienter. Sprich: man braucht für den selben Pegel erheblich weniger Verstärkerleistung.
Weitere Vorteile: Aktive Lautsprecher lassen sich auf verschiedenen Wegen elektronisch Regeln (Stichwort Gegenkopplung), sodass die Membranen präziser dem Signal folgen. Bei aktiven Mehrwege-Systemen kann die Impulswiedergabe einfacher optimiert werden, sodass der Ton von räumlich voneinander getrennten Chassis zeitgleich am Ohr des Hörers ankommt. Außerdem kann die Verstärkerelektronik genau auf die akustischen Anforderungen (zum Beispiel die Impedanz) der Chassis angepasst werden. Jedes Chassis kann seinen eigenen Verstärker und in Digitalsystemen sogar seinen eigenen DAC erhalten. Analoge Signalwege verkürzen sich damit drastisch.
Das und noch mehr spricht klar für Aktivlautsprecher. Und trotzdem sind noch heute die überwältigende Mehrheit aller Lautsprecher passiv ausgelegt – zumindest im privaten Nutzer-Umfeld. –
Warum?Nun, einige Zeitgenossen wollen dahinter eine Verschwörung der HiFi-Industrie erkannt haben, um weniger gut informierten „Nicht-Profis“ überteuerte Verstärker verkaufen zu können. Aber das ist etwa genauso schlüssig, wie die Sache mit der angeblich nur vorgetäuschten Mondlandung. Die Realität ist, wie meistens, viel nüchterner. Aktivlautsprecher haben nämlich auch handfeste Nachteile.
Der wohl wichtigste Nachteil liegt in der Integration mehrerer Bausteine der Wiedergabekette in den Lautsprechergehäusen. – Was einen langen Rattenschwanz von Konsequenzen hat.
> VerkabelungSpeziell wenn viele individuelle Quellengeräte im Spiel sind und die Lautsprecher frei im Raum aufgestellt sind, ist ein zentral positionierter Knotenpunkt (Verstärker/Receiver) praktischer. Im Falle der LS50W müssen alle Quellenkabel am Master angeschlossen werden, der ggf. ungünstig weit entfernt steht. Aus diesem Grund arbeiten manche Hersteller bei Ihren Aktiv-Lautsprechersystemen auch mit Hubs, wie beispielsweise ganz aktuell Dali mit den neu Vorgestellten Callisto (
siehe Meldung). Zudem brauchen Aktivlautsprecher jeweils eine eigene Stromversorgung (sofern Master und Slave aktiv sind) und eine Verbindung untereinander. Letzteres erfolgt nur selten drahtlos. Separate Verstärker haben zudem meistens vielfältigere Anschlussmöglichkeiten. Dieser Punkt ist natürlich situationsabhängig und kein pauschaler Nachteil. Aktivlautsprecher wie die LS50W
können auch Kabel einsparen, wenn man sich auf das interne Streaming oder WLAN/Bluetooth-Quellen beschränkt.
> Anschaffungskosten: Gerade für Privatanwender ist es oft erschwinglicher, sich nach und nach Einzelkomponenten anzuschaffen. Viele Nutzer haben bereits einen Verstärker und können getrennte Komponenten individuell austauschen/aufrüsten. Bei entsprechend hochpreisigen Systemen ist zudem die Anfangsinvestition mit aktiven Lautsprechern deutlich höher und damit belastender. Statt beispielsweise 10.000 Euro in ein paar passive High-End-Lautsprecher zu investieren, wenn schon ein hochwertiger Verstärker vorhanden ist, wären es bei aktiven Lautsprechern mit entsprechend adäquater Elektronik vermutlich gleich 15-20.000 Euro oder mehr auf einen Schlag. Auch im Falle der KEF LS50 ist das spürbar, kostet die passive Version doch nur rund die Hälfte der aktiven.
> Alle Eier in einem KorbGeht bei einem Aktivlautsprecher die Elektronik kaputt, ist der Austausch meist erheblich aufwendiger. Im Bestfall erfordert es nur einen Schraubenzieher und etwas Vorsicht und Geschick beim Austausch des Elektronikmoduls. Im schlimmsten Fall muss der (oder die) komplette(n) Lautsprecher zum Hersteller, was bei größeren Boxen entsprechend aufwendiger und teurer ist. Man kann auch nicht, wie bei passiven Speakern, schnell einen Ersatzverstärker anschließen, den man vielleicht noch rumstehen hat.
Zu diesem Punkt gehört auch, dass Aktivlautsprecher nur in den aller seltensten Fällen so modular konzipiert sind, dass man einzelne Komponenten einfach Austauschen oder gar mit besserer Technik aufrüsten kann. Bei besonders hoch integrierten Systemen, die auch Quellen und Digitaltechnik enthalten – wie die KEF LS50 Wireless – ist es nicht möglich, zum Beispiel den DAC auszutauschen, wenn es Fortschritte in der Wandlertechnik gibt oder wenn sich neue Formate durchsetzen, die nicht einfach per Firmware-Update nachgerüstet werden können. Will man dem technischen Fortschritt folgen, muss in der Regel das komplette Aktivsystem ersetzt werden.
> Technische EntwicklungstiefeNicht jeder kompetente Lautsprecherhersteller ist auch ein guter Verstärkerentwickler oder Digital-Spezialist. – Oder gar alles zusammen. Soll heißen: In Aktivlautsprechern stecken nur selten Verstärker oder DACs, die es mit den besten externen Komponenten aufnehmen können. Aus Kostengründen findet man auch keine Aktivlautsprecher, deren Verstärker nur annähernd so einen hohen Schaltungsaufwand haben, wie die einiger Verstärkerspezialisten. Oft wird das mit der Begründung abgetan, man brauche in Aktivlautsprechern nun mal keine so aufwendigen Verstärker, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass technisch dennoch mehr möglich wäre. Es müssen aber Kompromisse gemacht werden. So kann KEF in den LS50W beispielsweise keine reinen Class-A Endstufen verbauen, weil die zu groß und zu stromhungrig sind und zu heiß werden. Aus klanglicher Sicht wären diese den verbauten Class-D Verstärkern für den Tief/Mittelton aber mit hoher Wahrscheinlichkeit überlegen.
Noch deutlicher wird dieser Umstand, wenn man die Digitalschaltungen der modernsten Aktivlautsprecher mit denen externer DACs oder Streamingplayer vergleicht. In der überwiegenden Mehrheit kommen in Digital-Lautsprechern relativ einfache Digitalkomponenten (oft sogar nur zugekaufte, fertige DAC-Platinen) zum Einsatz. Selbst die in diesem Punkt schon sehr fortschrittliche LS50W beherrschen maximal PCM 192kHz/24Bit und beispielsweise kein DSD.
Falls sich andere Formate wie MQA durchsetzen sollten, wird sich das vermutlich nicht nachrüsten lassen. Dabei gibt es schon heute DACs, wie den iFi Audio nano iONE (
Test), die für relativ wenig Geld deutlich mehr „digitale Power“ zu bieten haben.
> Die Sache mit dem KlangBei allen theoretischen Vorteilen von Aktivlautsprechern ist da aber noch ein wesentlicher Punkt, der – zumindest für mich – für getrennte Komponenten spricht: In meinen inzwischen über dreißig Jahren praktischer Hörerfahrung waren die bestklingenden Lautsprecher, die ich jemals gehört habe, und die mich auch längerfristig überzeugt haben, ausnahmslos passiv. Zwischendurch habe ich mich immer wieder auch mit Aktivlautsprechern beschäftigt, bzw. habe selbst verschiedene Modelle besessen. Beispielsweise die digitalen Meridian DSP5500 oder später die analogen Adam Audio Tensor Beta. Doch am Ende bin ich immer wieder bei passiven Lösungen gelandet. Meine derzeitige KEF Reference 1 (
Test) überzeugt mich in Verbindung mit dem T+A PA2500 R (
Test) und einem guten DAC in der Summe ihrer Eigenschaften wesentlich mehr, als die insgesamt noch teurere (und größere) aktive Tensor Beta. All die vielen technischen Vorteile aktiver Systeme zahlen sich also keineswegs automatisch in besserem Klang aus.
Das alles bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass ich Aktivlautsprecher für den falschen Weg halte!
Die Konsequenz daraus lautet eher: Es muss wirklich alles stimmen, damit Aktivlautsprecher tatsächlich die bessere Wahl für den jeweiligen Bedarf und Anspruch sind.Womit wir wieder bei den KEF LS50 Wireless wären…