Focal ELEAR – Die Technik im DetailWie schon angedeutet, steckt im Elear eine Menge Know-How. Focal hat die Treiber für Elear und Utopia komplett neu entwickelt und dabei eine Menge cleverer Lösungen gefunden und sich seiner Erfahrungen aus dem Lautsprecherbau bedient.
Über allem steht das Grundprinzip „Offenheit“. Der größte Unterschied zwischen Lautsprechern und Kopfhörern liegt in der Raumakustik. Focal nennt dazu als Faustregel: Je größer der Raum, desto besser der Tieftonbereich, da dies größere Mengen an Luftverschiebungen ermöglicht. Ein größerer Raum bedeutet weniger Kompressionseffekte und Nichtlinearitäten im Tieftonbereich aufgrund der Dämfungseigenschaften des Raums. Anders ausgedrückt: Um dem Klangcharakter von Lautsprechern mittels Kopfhörer so nah wie möglich zu kommen, sollte seine Konstruktion so offen wie möglich sein. – Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich predige ja nicht erst seit gestern, wie sehr ich offene Kopfhörer bevorzuge.
Und der Elear ist offen. – SEHR offen. Setzt man ihn auf (ohne Musik), verändert sich die Raumakustik um einen herum fast gar nicht. Die Bedämpfung des Außenschall-Ambientes ist
minimal. Und das kann man sogar sehen. Ein Blick in die Hörermuschel gegen das Licht offenbart eine Aufhängung mit lediglich einigen schmalen Streben, die den Treiber quasi frei innerhalb des Gehäuses schweben lassen. Dabei ist er leicht nach vorne versetzt und schräg angewinkelt, um die räumliche Abbildung zu verbessern. Ein Trick, den auch viele andere Hersteller nutzen, der aber nicht ausreicht, um das Im-Kopf-Gefühl gänzlich auszuschalten. Jedenfalls ist der Elear so offen konstruiert, wie man es sonst nur von Elektrostaten kennt. Das merkt man auch daran, dass sich der Klang deutlich verändert, wenn man die Handflächen in unmittelbarer Nähe außen vor die Gehäuse hält.
Durchblick: Fast frei schwebender Treiber (links). Im Bild rechts: Von außen kann man direkt die Rückseite der Membran erkennen.
Blickt man mit Licht im Rücken von außen durch den Ring mit dem Focal-Logo ins Innere (zweites Bild oben), sieht man etwas metallisches. Das ist die Rückseite der Membran – und das ist eine weitere Besonderheit der Konstruktion. Das Antriebssystem des Elear ist nämlich im Gegensatz zu den meisten anderen Kopfhörer-Treibern so konzipiert, dass die Schwingspule einen sehr großen Durchmesser hat und sehr weit außen an der Membran sitzt, wodurch das Magnetsystem dahinter eine sehr große Öffnung aufweisen kann. Der rückwärtig von der Membran abgestrahlte Schall kann dadurch völlig kompressionsfrei „atmen“.
Links: Aluminium/Magnesium- Membran mit extrem leichter und dünner Sicke. Mittleres und rechtes Bild: Die Rückseite des Treibers offenbart die große Öffnung, die nur dank des sehr großen Spulendurchmesser möglich wurde.
Die Membranen selbst sind – ähnlich wie beim B&W P9 Signature (
Testbericht) – wie bei herkömmlichen Lautsprechern konstruiert. Die Membranen der meisten Kopfhörer sind fest eingespannte Folien, die von der Schwingspule quasi in sich verformt werden – so wie das Fell einer Trommel. Bei elektrodynamischen Lautsprechern werden steife Membranen in einer Sicke aufgehängt und kolbenförmig bewegt. Die Membranen sollen in sich fest und verwindungsfrei sein, was der inneren Dämpfung zugute kommt und weniger Eigenklang bedeutet.
Focal hat für Elear und Utopia auf solche Kolbenschwinger als Membranen gesetzt und dafür unter anderem eine neue Sicke entwickelt, die um ein vielfaches dünner und leichter als herkömmliche Sicken sein soll, was die Membran selbst besonders beweglich macht. Außerdem ermöglicht die Sicke einen für Kopfhörer extrem großen Membran-Hub.
Das Mambranmaterial beim Elear ist eine Aluminium-Magnesium-Legierung, die eine große Steifigkeit mit hoher innerer Dämpfung kombiniert. Genau an diesem Punkt findet sich einer der wesentlichen Unterschiede zum Utopia, in dem Focal eine Beryllium-Membran einsetzt. Beryllium verspricht eine nochmals wesentlich höhere Festigkeit und innere Dämpfung, die nur noch von Diamant übertroffen wird. Die Herstellung in dieser Größe ist allerdings ultra-aufwendig und damit teuer. Außerdem besitzt der Utopia ein noch aufwendigeres Magnetsystem und z.T. andere Materialien, wie Aufhängungen aus Carbon.
Materialeigenschaften: Die Al/Mg-Legierung der Elear-Membranen bieten gegenüber Titan ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Leichtigkeit, Steifigkeit und Schnelligkeit. Das im Utopia eingesetzte Beryllium übertrifft diese noch mal erheblich.
Auch zur Schwingspule hat sich Focal Gedanken gemacht und setzt im Elear wie im Utopia auf eine (für Kopfhörer) extrem hohe und komplett trägerlose Spule. Sie ist also nicht auf einem stabilisierenden Zylinder (oft aus Kapton) aufgewickelt, sondern trägt sich sozusagen selbst. Das spart Masse und ermöglicht die enorme Höhe von 4,4mm (bei einem Durchmesser von 25mm) für große Auslenkungen der Membran. Die Schwingspule soll laut Focal dank ihres komplett trägerlosen Aufbaus leichter sein, als eine herkömmliche Schwingspule mit nur 15mm Durchmesser und 1,5mm Höhe. Die Impedanz der Spule liegt bei 80 Ohm. Also deutlich unter den 600 Ohm des beyerdynamic T 1, was den Elear etwas weniger kritisch in Bezug auf die Verstärkerwahl macht. Den Kennschalldruck gibt Focal mit 104 dB (1mW @ 1kHz) an. In der Praxis spielt er bei gleicher Pegeleinstellung um einiges lauter, als der T 1, dessen Kennschalldruck bei 102 db liegt.
Auch in anderen Bereichen hat sich Focal Gedanken gemacht. Beispielsweise beim Tragekomfort. Die Geometrie des Elear ist so ausgelegt, dass die Hörmuscheln bei praktisch jeder Kopfform immer optimal aufliegen – egal ob Schmalbirne oder Breitkopfert. Trotz seines vergleichsweise hohen Gewichts sitzt der Elear sehr sicher und ausgesprochen komfortabel.