Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop ermöglichen es, Objekte oder Personen/Tiere aus dem Gesamtbild quasi auszuschneiden und so vom Hintergrund zu trennen. Das nennt sich Freistellen. Schon lange gibt es für diesen oftmals diffizilen Prozess computergestützte Hilfsmittel, wie den berühmten „Zauberstab“.
Die Idee dahinter ist, dass ein Algorithmus die Kanten des freizustellenden Motivs möglichst selbstständig erkennt. Doch trotz aller Versprechen der Software-Hersteller und diverser Einstellmöglichkeiten für die Kantenerkennung funktionieren Freistellwerkzeuge bei weitem nicht in jeder Situation perfekt.
Es gibt zahlreiche Fotos, in denen Hauptmotiv und Hintergrund nur von einer menschlichen Intelligenz sauber voneinander unterschieden werden können. Aber dank Machine-Learning zur Objekterkennung sind Freistellwerkzeuge in den letzten Jahren immer besser geworden. Apple hat nun in iOS 16 eine super-komfortable Möglichkeit zur Objektfreistellung integriert.
Und so funktioniert esÖffnen Sie auf dem iPhone (mit iOS 16 oder höher) ein beliebiges Foto mit Person(en), Tier(en) oder einem Gegenstand. Das muss nicht zwingend in der Fotos-App geschehen, sondern klappt auch mit anderenorts gespeicherten Fotos, etwa in der Dateien-App. Und es muss kein iPhone-Photo sein, sondern kann auch von anderen Quellen, wie einer Systemkamera stammen. Je höher die Auflösung des Bildes und je besser die Kantenkontraste, desto besser das Ergebnis.
Um das gewünschte Objekt/Subjekt freizustellen, halten Sie einfach den Finger einen kurzen Augenblick darauf. In den meisten Fällen wird iOS nun innerhalb von einer Sekunde die Kanten des gewünschten Motivs erkennen und es herauslösen.
Wird der erkannte Bildausschnitt weiter mit dem Finger festgehalten, kann er per Drag & Drop und Multi-Touch an eine andere Anwendung, zum Beispiel Mail oder Nachrichten, verschoben werden.
Es gibt aber noch mehr Möglichkeiten. Lässt man den Ausschnitt nach der Erkennung wieder los, erscheint ein Kontextmenü mit Optionen zum Kopieren oder Teilen. In die Zwischenablage kopiert kann das freigestellte Motiv nun auch per AirDrop, oder noch komfortabler per Universal Clipboard an einen Mac oder ein iPad übergeben werden.
Für meine hier gezeigten Beispiele habe ich die Freistellungen auf diesem Wege an den Mac übergeben: Motiv auf dem iPhone angetippt, dann „Kopieren“, danach auf dem Mac in Vorschau den Menüpunkt
Ablage –> Neu aus Zwischenablage gewählt. Und schwupps, schon ist das Bild auf dem Mac und kann beispielsweise als PNG mit Alpha-Kanal (transparenter Hintergrund) gespeichert und weiter verarbeitet werden.
Wie gut ist die Freistellung und wo sind die Grenzen?Wer wie ich seit Jahrzehnten mit diversen Bildbearbeitungsprogrammen arbeitet und deren Freistellfunktinen kennt, wird für die Objekterkennung von iOS 16 erst mal anerkennend mit dem Kopf nicken. – Oder sogar einen Begeisterungspfiff ausstoßen. Vor allem Personen und Objekte mit einigermaßen klaren Konturen werden mit hoher Genauigkeit in nullkommanix freigestellt. Einschließlich kritischer Bereiche, wie Haare.
Profis werden dem bei genauerer Inspektion sicher nur bedingt beipflichten, denn die Genauigkeit hat ihre Grenzen, wie ich anhand verschiedener Beispielbilder zeigen möchte.
Die von iOS 16 freigestellten Ergebnisse habe ich der besseren Erkennbarkeit halber auf einen grünen Hintergrund kopiert. Daneben jeweils das Original. (Alle Bilder sind für das Web etwas verkleinert und als JPEG gespeichert, also ohne Alpha-Kanal.):
Reale Personen werden in aller Regel gut erkannt. Erst recht, wenn der Hintergrund so eindeutig abzugrenzen ist.
Gartenskulptur mit sehr gutem Freistellungsergebnis in Anbetracht der Tatsache, dass das Motiv links unten schon in den Unschärfebereich geht.
Gute Freistellung, aber die Kabel wurden nur teilweise mitgenommen.
Sehr gutes Ergebnis, allerdings wurde ein Teil des Arms unten rechts abgeschnitten.
Ausgezeichnetes Ergebnis mit nur leichten Kantenfehlern.
Ordentliches Ergebnis, jedoch unter der Kapuze mit einem Erkennungsfehler.
Ein nur scheinbar einfaches Motiv: Die Tragfläche wurde nicht in Gänze als Objekt erkannt.
Copyright-Hinweis: Personenbild mit Genehmigung. Die Star-Wars-Figuren sind Fan-Exponate und wurden im Star-Wars-Museum „
Outpost One“ aufgenommen. Alle Fotos vom Autor.
Fazit: Die einfachste Freistellung, seit es Computer gibtDie schlechte Nachricht zuerst: Für besonders kritische Motive, also solche, die sich nicht einwandfrei vom Hintergrund unterscheiden, und für solche bei denen die Objekterkennung an ihre Grenzen gerät, wird auch zukünftig eine „händische“ Freistellung in einer Bildbearbeitungssoftware erforderlich sein. Ebenso für professionelle Anwendungen, wo es auf allerhöchste Präzision der Freistellung ankommt. Aber die iOS-Freistellung kann selbst dafür ein guter Startpunkt sein.
Die gute Nachricht: In zahlreichen Real-World-Situationen, in denen es nicht auf absolut pixelperfekte Freistellung ankommt, funktioniert die neue Funktion doch so gut, dass die Ergebnisse sofort weiter verarbeitet oder verschickt werden können. Und das auf eine so einfache und komfortable Art und Weise, dass es eine echte Erleichterung und Zeitersparnis darstellt. Mit fortschreitender „Intelligenz“ der Software kann der Prozess nur noch besser werden.
Noch kurz der Hinweis, dass diese Funktion später auch in iPadOS 16 und in macOS Ventura zur Verfügung stehen soll. In der aktuellen Beta von Ventura (22A5342S) ist sie leider noch gar nicht implementiert. Daher konnten wir auch noch nicht ausprobieren, ob dafür ein Magic Trackpad erforderlich sein wird, oder ob es auch mit einer Maus funktioniert.