Diskussion: "Seit Ives Weggang wird Apples Produktdesign besser"
In einem wesentlichen Punkt unterschied sich Apple lange Jahre radikal von anderen Herstellern. Nicht die Ingenieure gaben vor, um welche Technologie es eine Umhüllung zu finden galt, stattdessen musste die Technologie an die strikten Design-Vorgaben angepasst werden. Sowohl Steve Jobs als auch der ehemalige Chef-Designer Jony Ive waren beispielsweise Verfechter des Grundsatzes "dünner ist besser!", auch wenn dies nicht immer funktionale Vorteile brachte. Niemand stellt Design und ästhetischen Anspruch der Apple-Produkte seit den späten 90ern infrage – dennoch gab es im letzten Jahrzehnt auch viel Kritik an Kompromissen, die aufgrund möglichst kompakter Abmessungen oder Design-Anforderungen hinzunehmen waren.
Nutzer im Vordergrund, nicht (nur) die Ästhetik?Ein interessanter Artikel auf
Bloomberg wirft nun die kontroverse Frage auf, ob sich Apples Produktdesign seit dem Weggang von Jony Ive verbessert habe. Die Argumentation folgt dem Ansatz, dass Design mehr ist, als sich vorrangig auf schicke Optik zu konzentrieren. Als plakative Aussage wird dem Ive-Team das (natürlich nie getroffene) Zitat "Zum Teufel mit dem Nutzer, wir denken, das sieht cool aus" in den Mund gelegt. Beispiele für eine gewisse Abkehr früherer Prinzipien gibt es einige. Sei es das Aus der vom Ive-Team mitenwickelten Butterfly-Tastatur für besonders flache Bauweise, sei es der Wegfall von TouchBar sowie dem Comeback mehrerer, bereits abgeschaffter Anschlüsse. Hinzufügen könnte man auch noch den Schwenk weg vom radikalen "Flat Design" aus iOS 7 hin zu mehr Plastizität, Formensprache und Struktur.
Abkehr von früheren PrinzipienEin Design-Professor der Universität zu Canterbury erläutert, einen deutlichen Fokuswechsel erkennen zu können. "Aesthetic before function" habe als Leitmotiv ausgedient, die Meinung der Kunden zu gewünschten oder unerwünschten Funktionen an Bedeutung gewonnen. Die Produkte seien stabiler geworden (iPhone), haben an Gewicht und Bauhöhe
zugelegt (neues MacBook Pro) oder ihre Symmetrie verloren (Apple TV Remote). In allen Fällen stehe die Nutzbarkeit im Vordergrund – wenngleich man natürlich nicht wisse, ob unter Ive nicht ein ähnlicher Weg unvermeidbar gewesen wäre. Als unwahrscheinlich gilt, dass Ive noch immer intensiv in Design-Entscheidungen eingebunden ist, selbst wenn es zur Gründung seines neuen Unternehmens hieß, Apple bleibe Kunde und Ive wohl auch noch am iMac M1
mitwirkte.
Das neue MacBook Pro
MacBook Pro & Designsprache: Manch einer hätte sich mehr erhofftWirft man hingegen einen Blick auf Design-Diskussionen zum neuen MacBook Pro, ist wohl die Kehrseite der Medaille zu erkennen. Beispielsweise bemängeln einige Stimmen, bei der Optik keinen Schritt nach vorne zu sehen – stattdessen sogar weniger Eleganz und Anmut als früher zu beobachten. Sofern bei Apple tatsächlich die bewusste Entscheidung getroffen wurde, Funktionalität einen wesentlich höheren Stellenwert zu bieten, wäre dies die Nebenwirkung. Allerdings dürfte kaum jemand die Ansicht vertreten, Apples Produkte der letzten beiden Jahre seien nicht mehr anmutig und schick, sondern austauschbare Allerweltsartikel. Genauso abwegig ist die andere Radikalposition, Apple habe immer nur auf Design, nicht auf Nutzungsaspekte geachtet.
...und wie lautet Ihre Meinung?Wie beurteilen Sie die Entwicklung der letzten Jahre seit dem Weggang von Ive? Gabe es tatsächlich einen Philosophiewandel bzw. veränderte Prioritäten? Und sehen Sie eher eine positive oder eine negative Entwicklung, seitdem Jony Ive nicht mehr als Designchef im Tagesgeschäft die Linie vorgibt?