Einschätzung: Apples Prozessor-Switch für Mac dürfte diesmal unkomplizierter ablaufen – für die Meisten
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Apple wird schon bald Intel als Prozessorlieferanten verabschieden und stattdessen für Macs auf selbst entwickelte, ARM-basierte Prozessoren der A-Serie setzen, wie sie auch in Apples iDevices stecken. – Natürlich in weiterentwickelter Form für macOS und für Hardware mit höherer Leistungsanforderung. Die bevorstehende „virtuelle“ WWDC (Montag 22.6. um 19 Uhr) wird daher vermutlich auch ohne die einzigartigen Umstände bedingt durch die Corona-Pandemie historisch in besonderer Erinnerung bleiben. – Es sei denn, es kommt alles ganz anders, aber davon ist derzeit nicht auszugehen.
MTN berichtet umfassend über die bevorstehende Transition und besonders Apple-affine Nutzer beteiligen sich rege an Diskussionen und Spekulationen in den Kommentarsektionen und Foren. Nicht selten mit ziemlich eindeutiger Meinung darüber, ob ein solcher Prozessorwechsel eine gute oder schlechte Sache ist.
Tatsächlich ist die Umstellung der CPU-Plattform für Apple ein dickes Brett und wegen der Größe des Unterfangens mit für Laien unvorstellbaren technischen, logistischen und finanziellen Herausforderungen gespickt. Die Nutzer interessiert aber in der Regel nur, welche Auswirkungen der Wechsel für sie ganz persönlich haben könnte. – Was natürlich in gewisser Hinsicht nachvollziehbar ist. So befürchtet mancher, dass sein vielleicht gerade erst erworbenen Mac mit Intel-CPU schon bald zum alten Eisen gehören könnte oder dass zumindest die Softwareunterstützung früher als üblich enden könnte. Andere wiederum sehen Schwierigkeiten mit der Kompatibilität bestimmter Software herauf dämmern und einige wenige sehen darin sogar einen Anlass, das Betriebssystem komplett zu wechseln. – Warum auch immer. Den meisten Bedenken gemeinsam ist die Furcht vor finanziellen Einbußen, auf die eine oder andere Art, oder davor, mit ihrem besonderen Anwendungsspektrum nicht ausreichend berücksichtigt und damit abgehängt zu werden.
Warum „German Angst“ unbegründet istNatürlich spricht nichts dagegen, einen derart einschneidenden Wechsel in Apples Hardware-Architektur genau zu beobachten und Risiken zu diskutieren. Sowohl aus Journalistischer- als auch aus Entwickler- oder Anwendersicht. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich die praktischen Auswirkungen des Prozessorwechsels in Grenzen halten und sich nur wenige Nutzer und einige Entwickler umfangreicher mit der Thematik werden beschäftigen müssen.
Otto-Normalanwender dürften hingegen – wenn sie von der Sache nicht aus den Medien wüssten – im Alltag so gut wie nichts davon bemerken. Es sei denn, es folgt irgendwann in ein paar Jahren ein Wechsel auf einen ARM-Mac und ältere Software läuft darauf plötzlich nicht mehr. Mit ein klein wenig rechtzeitiger Vorbereitung sollte das aber die absolute Ausnahme bleiben.
Diese persönliche Einschätzung, mit der ich natürlich auch falsch liegen könnte, beruht vornehmlich auf der Erfahrung des letzten Prozessorwechsels von PowerPC auf Intel. Dieser fand unter Umständen statt, die mit der heutigen Situation Apples im Markt für Desktop- und Notebook-Systeme nur bedingt vergleichbar sind. Der damalige Wechsel erfolgte zu einer CPU-Basis, die bis dahin gar nicht in Apple-Hardware zum Einsatz kam. Heute hingegen soll auf eine CPU-Architektur gewechselt werden, mit der Apple schon jahrelang Erfahrung hat und für die lange genug Zeit war, um macOS schrittweise darauf vorzubereiten.
Genau genommen ist iOS (sowie iPad- und tvOS), das schon lange auf A-Serie-CPUs läuft, nur ein abgewandeltes macOS (bzw. OS X). Das heißt, Apple hat viel Zeit und Gelegenheit gehabt, die Codebasis von macOS und existierende Software auf der ARM-Architektur zu testen. Das ist ein riesiger Unterschied zu damals. Und dennoch gab es auch beim „riskanteren“ PPC/Intel-Switch rückblickend keine allzu gravierenden oder nicht überwindbaren Folgen für die Mehrheit der Nutzer. Die normalen Produkt- und Software-Updatezyklen sorgten für einen gleitenden Übergang hin zu Intel-Macs. Verluste durch nicht mehr lauffähige Hard- und Software hielten sich in engen Grenzen.
Der Teufel liegt natürlich im Detail. Wird etwa – um ein Beispiel zu nennen – ein (veraltetes) Adobe Lightroom 6, dass trotz unvollständiger 64-Bit-Codebasis nach wie vor (wenn auch leicht eingeschränkt) auf macOS Catalina funktioniert, auch auf einem ARM-Mac laufen? Das heißt, bei einem Hardwarewechsel von einem Intel- auf einen ARM-Mac müssen gewisse Dinge vorher sorgfältig abgeklärt werden. Solche und ähnliche Problematiken sind kaum vermeidbar und werden zweifellos hier und da für Verdruss sorgen.
Die Auswirkungen des bevorstehenden Intel/ARM-Übergangs dürften jedoch insgesamt geringer sein, als nach dem letzten CPU-Wechsel. Ebenso ist unwahrscheinlich, dass bestehende Macs mit Intel-CPU dadurch vorzeitig – also früher, als in den normalen Produktzyklen – unbrauchbar werden.
Auf einem anderen Blatt steht die Frage des Nutzens. Wer wird hauptsächlich von der Umstellung profitieren? Nur Apple durch mehr Kontrolle über die Hardware und bessere Margen, oder auch Mac-Kunden durch schnellere, effizientere Rechner mit noch besserer Verschmelzung von mac- und iOS? Es könnte eine Win-Win-Situation werden. Auch die Performance-Frage ist noch vollkommen ungeklärt. Doch derartige Spekulationen sollen hier nicht das Thema sein. Ich plädiere lediglich für Gelassenheit und eine gesunde „Schaun-mer-mal“-Einstellung.
In diesem Sinne sehe ich der bevorstehenden WWDC mit all Ihren Enthüllungen, auch über die Prozessorfrage hinaus, gespannt und freudig entgegen.