Die Nachteile von AktivlautsprechernKollisionskurs – Die Nachteile aktiver Lautsprecher:Nicht ohne Grund habe ich in den vorherigen Absätzen von theoretischen Vorteilen gesprochen. Einige Einschränkungen habe ich bereits genannt.
In meiner langjährigen Erfahrung mit HiFi-Systemen aller Art und aller Preisklassen waren die am besten klingenden Systeme stets mit separaten Verstärkern und passiven Lautsprechern aufgebaut. Wie kann das sein, wo doch die Theorie so deutlich für das aktive Konzept spricht?
Ein Grund dafür ist, dass begnadete Lautsprecherentwickler nur selten auch begnadete Verstärker-Experten sind – und umgekehrt. Kommt zusätzlich Digitalelektronik ins Spiel, wird es noch schwieriger. Ehrlich gesagt kenne ich keinen Hersteller, der alle Disziplinen gleichermaßen gemeistert und unter einen Hut gebracht hat. Jedenfalls nicht so, dass ich einen Aktivlautsprecher kennen würde, der natürlicher und originalgetreuer als alle Passivsysteme klingt.
Natürlich spielen die Kosten stets eine wichtige Rolle. Sowohl bei der Entwicklung, als auch auf der Verbraucherseite kommt das zum Tragen. So kenne ich keinen Aktivlautsprecher, bei dem so viel Entwicklungsaufwand in die Verstärker- und die Digitalelektronik gesteckt wurde, wie bei darauf spezialisierten Elektronikherstellern. Stattdessen wird insbesondere bei Aktivlautsprechern der unteren bis mittleren Preisklasse oft an der Elektronik geknausert. Entwicklungskosten werden eingespart und fertige Verstärkermodule von der Stange zugekauft. Wobei das selbstverständlich nicht pauschal gilt.
Der Kunde muss bei Aktivlautsprechern den Preis für die Lautsprecher und Elektronik auf einmal berappen. Zwar sind Aktivlautsprecher in der Summe (theoretisch) günstiger (u. a. deswegen, weil keine aufwendig gestalteten Gehäuse für die Verstärker notwendig sind) als vergleichbare Einzelkomponenten, doch das lässt sich mangels exakter Vergleichbarkeit nur schwer auf den Cent genau ausrechnen. Dazu später noch ein Beispiel.
Womit wir zu einem anderen sehr wichtigen Argument gegen Aktivlautsprecher kommen. Passive Lautsprecher mit externer Elektronik können in praktisch beliebiger Kombination einzeln und individuell auf den eigenen Bedarf zugeschnitten angeschafft werden. Die Komplexität bestimmt dabei einzig und allein der Nutzer und er behält dabei die Kostenkontrolle. So reicht beispielsweise ein gutes Paar Passivlautsprecher, die von einem Streaming-Vollverstärker wie dem
NAD M10 oder dem
hier vorgestellten Lyngdorf TDAI-1120 angesteuert werden. Der Verkabelungsaufwand ist damit ähnlich gering, wie bei zwei aktiven Streaminglautsprechern und man hat nur ein kleines zusätzliches Gerät, aber es bringt diverse Vorteile mit sich: Erstens bietet der separate Streamingverstärker in diesen Beispielen eine bessere Bedienung samt Touchdisplay, zweitens können zusätzliche Quellen in der Nähe des Amps platziert sein (z.B. der TV), ohne lange HDMI- oder Toslink-Kabel zum Aktivlautsprecher. Drittens lassen sich bei Bedarf sowohl die Lautsprecher, als auch der Amp separat ersetzen. Etwa, wenn man Lust auf größere Lautsprecher bekommt, oder wenn neue, bessere Streamingelektronik auf den Markt kommt. Bei einem All-In-One-Aktivkonzept muss in so einem Fall ALLES auf einmal ersetzt werden.
Passive Lautsprecher benötigen keine eigene Stromversorgung, was ein bis zwei Netzkabel und die Notwendigkeit für Steckdosen in der Nähe der Boxen einspart. Quellen können zentral am Verstärker angeschlossen werden.
Die Aufteilung der Komponenten kann bei Passivsystemen mit getrennten Komponenten beliebig kleinteilig ausfallen und nach Bedarf „wachsen“. So lässt sich nach und nach eine Kette aus Einzelkomponenten mit Streamer, DAC, Vorverstärker, Phonoverstärker, Kopfhörerverstärker, Endverstärker und Lautsprechern zusammenstellen, in der jedes Gerät auf dem neuestem technischen Stand gehalten werden kann. Klar, der Verkabelungsaufwand steigt, aber die Flexibilität ebenso. In einem passiven System liegt die Entscheidung, wie viele Glieder die Kette haben soll – oder wie „modular“ sie sein soll – komplett beim Nutzer. Allerdings steigt auch der Aufwand, um klanglich besonders gut miteinander harmonierende Geräte zu finden. Um „die beste Anlage der Welt“ zusammenzustellen, reicht es nicht, sich einfach die teuersten Testsieger und Referenzen zu kaufen.
Digital-aktive Lautsprecher nubert X-3000 (siehe Testbericht) Noch ein zu berücksichtigender Faktor: Die theoretischen technischen Vorteile aktiver Lautsprecher zahlen sich pauschal weder in eindeutig besserem Klang, noch in einem günstigeren Preis-/Leistungsverhältnis aus. Der Hauptgrund: Die Vergleichbarkeit aktiver und passiver Systeme ist aufgrund der Verschiedenheit der Konzepte nur bedingt möglich. Höchst selten gibt es Lösungen beider Lager, die technisch nahe genug verwandt sind, um einen seriösen Vergleich zu erlauben.
Ein recht gut passendes Beispiel: Die Qualitäten der
kürzlich getesteten Nubert Aktivlautsprecher X-3000 (1.170 €/Paar; Bild oben) lassen sich sich
in etwa mit einer Kombination aus
Nubert nuConnect ampX (689 Euro) und einem Paar passiver
Nubert nuLine 34 (670€/Paar) für nur etwas mehr Geld erzielen (Gesamt: 1.359 Euro; Bild unten). Für den Mehrpreis bekommt man mit dem ampX außer zusätzlichen Anschlüssen (Phono) auch noch eine Funktion zur Raumeinmessung, welche die X-Serie-Lautsprecher nicht bieten. Die Aktivlautsprecher erreichen in diesem Vergleich trotz kleinerem Tieftöner dank einer aktiven Bassentzerrung zwar eine tiefere untere Grenzfrequenz, doch das macht die passive Kombi dank Raumeinmessung im ampX mit einem ausgewogeneren Klang wieder wett. (Digitale Systeme zur Klangoptimierung wie Einmessung auf den Raum sind kein exklusives Merkmal aktiver Lautsprecher.)
Passiv-System: nubert nuLine 34 Lautsprecher und nuConnect ampX (Abb. nicht Maßstabsgerecht).
Hinweis: Das Beispiel mit nubert bietet sich insofern besonders an, weil die Elektronik in den nubert X-Serie-Lautsprechern weitgehend identisch mit der im ampX ist und die Konstruktion der Lautsprecher große Ähnlichkeiten aufweist.