Erinnerungen an 1984: Wie die Revolution in die Provinz kam
Die Revolution schlich auf leisen Sohlen heran. Viel Aufsehen erregte sie jedenfalls zunächst nicht, die eher unscheinbare kleine Kiste, die 1984 ihren Weg in die Computershops fand. Und nicht wenige, die wie ich vor 35 Jahren in der Provinzstadt Osnabrück und andernorts in einem der zahlreichen kleinen und kleinsten Läden, die es damals gab, vor dem ersten Macintosh standen, fragten sich, was man damit wohl anfangen könne.
Auf den ersten Blick kein richtiger ComputerEin richtiger Computer war der Macintosh nämlich auf den ersten Blick nicht. Einen richtigen Computer konnte man aufschrauben oder -klappen. Man konnte Speicherchips und Steckkarten hineinstopfen, um ihn zu erweitern. Und man schloss ihn an einen Fernseher an - oder an einen 14-Zoll-Monitor. Ein Apple II, das war ein richtiger Computer, ersatzweise auch einer der zahlreichen Apple-II-Nachbauten, die aus Taiwan oder Hongkong kamen und Namen anderer Obstsorten wie "Pear" oder "Peach" trugen. Viele steckten eine Z80-Karte hinein, damit CP/M darauf laufen konnte. Wer sich etwas Besseres leisten konnte und wollte, griff zum IBM PC. Der hatte übrigens in der Standardausführung weder Diskettenlaufwerk noch Festplatte, sondern eine Kassettenrekorder-Schnittstelle - und kam mit eingebautem BASIC-Interpreter von Microsoft.
Foto: Apple
Streitgespräche in den ComputershopsFür andere war ein richtiger Computer ein Commodore 64, ein Sinclair ZX Spectrum oder ein TI 99/4. Die Streitgespräche, die zur damaligen Zeit in den Computershops geführt wurden, unterschieden sich im Stil übrigens nicht sehr von den heutigen Auseinandersetzungen zwischen iPhone-Freunden und Android-Jüngern. Auf einmal aber stand zwischen den vielen bunten Heimcomputern, deren Namen heute kaum noch jemand kennt, eine seltsame Kiste mit einem gefühlt briefmarkengroßen Bildschirm. Bedient wurde sie mit einem ziemlich unförmigen Kästchen, das auf den Namen "Maus" hörte und mit dem man Linien auf den Monitor zaubern konnte, was durchaus beeindruckend war und auf dem Schwarz-Weiß-Bildschirm auch sehr edel aussah.
Zu Anfang keine große Software-AuswahlDas war's dann im Wesentlichen allerdings auch schon, denn mit einer großen Software-Auswahl konnte Apple beim Macintosh zunächst nicht punkten. Es gab MacPaint und MacWrite, aber die Glanzlichter der damaligen Zeit waren allesamt nicht verfügbar: WordStar, VisiCalc, Lotus 1-2-3 - Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von der Vielfalt an Spielen, die auf den Commodores, Sinclairs und Ataris dieser Welt liefen. Und so wandten sich die meisten Interessenten, die sich den "Neuen" von Apple angeschaut und ein wenig die Maus herumgeschubst hatten, umgehend wieder ihren gewohnten Spielzeugen zu - die außerdem deutlich günstiger zu haben waren als der Macintosh, der rund 10.000 Deutsche Mark kostete. Die Revolution war also erst einmal vertagt - aber wir wie heute wissen, sollte sie irgendwann doch noch kommen.