Was gegen die Folder sprichtFolgende Faktoren sprechen gegen einen durchschlagenden Erfolg der Smartphones mit faltbarem Display:
1. Der PreisDie ersten serienreif aussehenden Produkte von Samsung und Huawei sollen, wenn sie im Laufe dieses Jahres in den Handel kommen, in der Grundausstattung 2.000 Euro und mehr kosten. Das sind Beträge, die eine schnelle Verbreitung der Technologie äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ich zweifle nicht daran, dass sich viele Technikbegeisterte blind auf das Abenteuer einlassen werden und sich zu Betatestern machen lassen. Das ist insofern gut, weil sich dadurch echte Praxiserfahrungen ergeben. Es darf aber bezweifelt werden, dass sich damit ein schneller Verkaufs-Boom wie seinerzeit mit den ersten iPhones einstellt.
2. Rückschritte im Mobil-KomfortSicher, ein Smartphone, das sich bei Bedarf auf die Größe eines iPad Mini (oder größer) aufklappen lässt, ist verlockend. Die Industrie, allen voran Apple, hat aber Jahre damit verbracht, die Verbraucher an immer dünnere und leichtere Smartphones zu gewöhnen, die sich sogar in der Gesäßtasche von Skinny-Jeans verstauen lassen – auch wenn das nach wie vor eine dumme Idee ist. Trotzdem. Die neuen Folder sind
mindestens doppelt so dick und deutlich schwerer, als jedes aktuelle Smartphone bis hin zum iPhone XS Max. Die Frage ist, wie viele Nutzer tatsächlich bereit dazu sind, diese Kröte zu schlucken. Ganz so dick und schwer wie beispielsweise der „Urvater“ der Folding-Smartphones, der
Nokia Communicator, sind die neuen Faltphones zwar nicht, aber ein Rückschritt in Sachen Portabilität ist es allemal.
Foto: textlad, via flickr; CC BY 2.0 3. Fragliche Haltbarkeit und KratzfestigkeitIn den Kommentaren der zuletzt vorgestellten Samsung- und Huawei-Folder haben optimistische User auf Bedenken zur Haltbarkeit der Faltmechanik angemerkt, dass die Hersteller sicherlich tausende von Faltvorgängen getestet haben. Das ist auch sehr wahrscheinlich der Fall. Fragt sich nur, unter welchen Bedingungen. Normalerweise wird in solchen Fällen im Labor irgendeine robotische Bewegungsapparatur verwendet, die durch immer wieder die gleiche Bewegung beispielsweise die Scharniermechanik belastet und das Display biegt. Womöglich wurden sogar einige Prototypen in begrenzten Feldtests auf ihre Haltbarkeit untersucht. Aber wie es mit der Haltbarkeit beim Endverbraucher aussieht, bleibt eine spannende Frage.
So ist es in der Vergangenheit öfter vorgekommen, dass ein Mangel erst nach dem Marktstart offenkundig wurde. Beispielsweise mit Apples Antenna- und Bendgate, oder Samsungs Akku-Desaster, das zu einem Verkaufsstop und Rückruf des Galaxy Note 7 führte. Es ist wie im Krieg:
„Jede Strategie reicht bis zur ersten Feindberührung. Danach kommt nur noch ein System von Aushülfen.“ (Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke, 1800 - 1891)
Zum Beispiel kümmern sich viele Verbraucher nicht oder nur wenig darum, dass Schmutz (Staub, Sandkrümel, andere feste Partikel), die in den Taschen der Kleidung unvermeidlich sind, zwischen das zusammengefaltete Display kommen kann. Da stellt sich die Frage, wie kratzfest können Displays sein, die nachgiebig und flexibel sein müssen? Huawei hat beispielsweise in Interviews auf der MWC zugegeben, dass dieses Problem beim Mate X noch
nicht gelöst ist.
Man stelle sich vor, welche Auswirkungen beispielsweise Strandsand haben dürfte, der zwischen die zusammengefaltete Displayoberfläche eines Galaxy Fold gelangt (selbst wenn die Oberflächen nicht bündig aufeinander liegen). Schon leichte Verwindungen des Gehäuses sorgen dann für einen verheerenden Schmirgeleffekt. Das wird bei Foldern wie dem Huawai, deren Displayhälften anders als beim Galaxy nach außen gefaltet werden, auch nicht besser sein.
Das Huawei Mate X faltet das Display im Gegensatz zu Samsungs Konzept nach außen.
Unklar ist derzeit auch, wie die Knickstelle des Displays nach hunderten oder tausenden Faltungen aussieht. Selbst wenn das Display dann noch einwandfrei funktioniert, sind gewisse sichtbare Ermüdungserscheinungen nicht auszuschließen. Es bleibt mangels Erfahrungswerten zwar vorerst Spekulation, doch wir wissen alle, wie schnell es Verbraucherklagen wegen kleinster angeblicher Mängel gegen die Hersteller hagelt (vor allem gegen Apple). Selbst wenn das einfach nur Stand der Technik ist. Fest steht nur, dass faltbare Displays prinzipbedingt nicht aus ultra-widerstandsfähigem Gorilla Glas bestehen können, wie sie derzeit in iPhones und anderen Smartphones gang und gäbe sind.
- (Anmerkung: Theoretisch können „weiche“ Oberflächen sogar unempfindlicher gegen Kratzer sein, als selbst die härtesten Materialien, sofern diese gewisse selbstheilende Fähigkeiten haben. Derartige Forschungen gibt es schon länger. Googeln Sie mal nach „self healing plastic“.)