Anlässlich einer kleinen Diskussion in der MTN-Galerie möchten wir Ihnen hiermit einen Anwendungs- und Ergebnisvergleich zum Thema Focus Stacking präsentieren. Auslöser dafür war ein von mir per Lightroom und Photoshop erzeugtes Bild, dass ich
hier in der Galerie veröffentlicht hatte, und das hier noch mal zu sehen ist:
Hinweis: Klicken Sie auf das Bild zur Vergrößerung.
Dazu muss ich etwas ausholen. Das Foto oben war einer meiner ersten Versuche überhaupt, mit der Canon EOS R6 und den Programmen Lightroom und Photoshop ein „gestacktes“ Bild zu erzeugen. Die R6 verfügt (wie viele andere Kameras) über eine Funktion, um automatisch eine Fokusreihe zu erzeugen. Der Aufnahmevorgang nennt sich „Focus Bracketing“, das nachträgliche Zusammenfügen per Software ist „Focus Stacking“.
In der Kamera kann dazu ausgewählt werden, wie viele Aufnahmen mit jeweils leicht verschobenem Fokuspunkt nacheinander aufgenommen werden sollen. Früher musste man hierfür den Fokus manuell und per Hand in winzig kleinen Schritten justieren. Heutige Kameras mit entsprechender Funktion erledigen das vollautomatisch über den Autofokus.
Mit der Canon EOS R6 sind bis zu 999 Aufnahmen einstellbar, aber in den meisten Fällen reichen deutlich weniger. Mit ca. 100 Aufnahmen ist man oft ausreichend bedient. Die Kamera nutzt hierbei natürlich den elektronischen Verschluss und nicht den mechanischen. Aus einem mir unbekannten Grund ist dabei in der R6 die maximale Belichtungszeit pro Aufnahme auf 0,5s begrenzt. Es muss also genügend Licht vorhanden sein, um bei mittlerer Blende (siehe nächster Absatz) eine ausreichend schnelle Verschlusszeit zu erlangen. – Oder es muss über eine höhere ISO-Einstellung (höheres Rauschen) kompensiert werden.
Die Kamera sollte auf eine Blende zwischen ca. 7,1 und 11 eingestellt werden. In diesem Bereich bieten die meisten Objektive die maximale Schärfe und die Tiefenschärfe ist auch bei längeren Brennweiten und relativ nahen Motiven mit (z. B. mit 100 mm Makro Objektiv, siehe
Testbericht) nicht allzu klein. Mit kleineren Blendenwerten müssen entsprechend mehr Aufnahmen im Fokus-Bracketing-Modus erstellt werden. Größere Blendenwerte sind wegen zunehmenden Beugungseffekten nicht empfehlenswert. Wie viele Aufnahmen man genau für das jeweilige Motiv bei den jeweiligen Kameraeinstellungen benötigt, ist auch ein wenig Erfahrungssache. Als Dateiformat sollte RAW gewählt werden, da hiermit die größten Nachbearbeitungsreserven gegeben sind.
Das oben und in der Galerie gezeigte Foto erforderte von mir etwas Vor- und Nachbearbeitung. Zunächst habe ich das erste Bild der Reihenaufnahme in Lightroom „entwickelt“: Belichtung, Farbe und noch ein paar andere Parameter. Dann habe ich alle anderen Bilder der Reihe mit diesen Einstellungen synchronisiert. Danach ist das Vorgehen mit Lightroom und Photoshop wie folgt:
1. Bilder in Lightroom importieren und auswählen.
2. Im Lightroom-Menü "Foto" auf "Bearbeiten in" klicken, dann "In Photoshop als Ebenen öffnen" – warten
3. In PS alle Ebenen markieren, dann im Menü "Bearbeiten" auf "Ebenen automatisch ausrichten" klicken. – warten
4. Danach im Menü "Bearbeiten" auf "Ebenen automatisch überblenden" klicken – warten – fertig. Nun noch das Ergebnis speichern und das war's.
Was passiert beim Focus Stacking?In Programmen mit Focus-Stacking-Funktionen geschehen zwei Dinge: Erstens müssen die Bilder ausgerichtet werden. Wozu, wo doch alle Aufnahmen vom Stativ und von exakt der selben Position aufgenommen wurden? Nun, alle Objektive (auch Festbrennweiten) verändern beim Fokussieren in Abhängigkeit zur Motivdistanz ihre Brennweite. Je nach Objektiv mal mehr, mal weniger stark. Das nennt sich Fokuspumpen oder im englischen Focus Breathing. Ein Effekt, der bei Einzelbildfotografie unerheblich ist, aber beim Focus Stacking durch Ausrichtung ausgeglichen werden muss. Auch bei Videoaufnahmen spielt Fokuspumpen eine wichtige Rolle. Auf
dieser Seite wird der Effekt ganz gut beschrieben und demonstriert.
Zweitens: Die Bilder des Stapels (daher übrigens der englische Begriff „Stack“) müssen überblendet werden, so dass jeweils nur die schärfsten Bereiche der einzelnen Aufnahme zu sehen sind. Und zwar möglichst Pixelgenau.
So ging’s weiter:In meinem ersten Beispiel habe ich das daraus resultierende Bild noch ein wenig nachbearbeitet. Dazu gehörte Staub wegstempeln, aber auch das Korrigieren gewisser Stacking-Fehler. Jedoch wurden nicht alle kleinen Fehler nachbearbeitet. Einige MTN-User haben das Ergebnis bei genauer Betrachtung kritisiert und auf Alternativen hingewiesen. Darunter Affinity Photo (welches ich ebenfalls besitze, aber bis dahin noch nicht für Focus Stacking ausprobiert hatte) und Canons hauseigene Software DPP. Diese soll, wie MTN-User
FlyingSloth anmerkte, besser zum Focus Stacking geeignet sein, weil die Canon Software im Gegensatz zu Affinity und Photoshop auf die in den Metadaten der Bilder gespeicherten Entfernungsdaten zurückgreifen würde.
Lange Rede, kurzer Sinn: Nach längerem Schlagabtausch in den Kommentaren schlug MTN-User
FlyingSloth eine Art Challenge vor, um zu einem verifizierbaren und vergleichbaren Ergebnis kommen. Dafür sollte der Bearbeitungsvorgang von mir einmal im Video dokumentiert werden. Dann habe ich
FlyingSloth die von mir neu erzeugte Fokusreihe (die Original Canon RAW-Files) zur Verfügung gestellt und er hat diese dann auf die gleiche Weise bei sich mit DPP verarbeitet und das Ergebnis im Video festgehalten.
Zusätzlich habe ich noch ein Video des selben Vorgangs mit Affinity Photo erstellt. User
WollesMac hat außerdem
außer der Reihe mit den selben Aufnahmen einen Focus Stack in der Software
Zerene Stacker erzeugt. Und
FlyingSloth hat anschließend noch einen Versuch mit der bekannten Stacking-Software
Helicon Focus vorgenommen. Auch diese Ergebnisse sehen Sie weiter hinten in diesem Artikel.
Das primäre Ziel der Challenge war, den unterschied im Arbeitsaufwand mit den verschiedenen Programmen zu ermitteln, und natürlich die Qualität des Ergebnisses. Nicht direkt Bestandteil der Challenge – aber meines Erachtens genau so interessant – ist dabei die Zeit, die die jeweiligen Programme für die Erstellung des Endergebnisses brauchen. Wobei wir hier einschränken müssen, dass die Verarbeitung auf unterschiedlicher Hardware stattfand. Ich arbeite hier mit einem iMac Pro 3 GHz 10-Core Intel Xeon W, 32 GB RAM und Radeon Pro Vega 56 8 GB. Flying Sloth benutzte einen Mac mini M1 mit 8 GB RAM. Auch wenn der Mac mini keine dedizierte Grafikkarte besitzt, zeigen etliche Benchmarktests (auch
unsere eigenen), dass der Mac mini keineswegs groß im Nachteil ist – wenn überhaupt. Nichtsdestotrotz sind die reinen „Renderzeiten“ so natürlich nicht direkt vergleichbar.
Nun aber zu den Ergebnissen…