Form over Function? Kritik an Apples aktueller Design-Philosophie
In einem längeren Statement unter dem Titel „How Apple Is Giving Design A Bad Name“ äußerten sich zwei ehemalige Apple-Designer zur
Entwicklung der Grafikoberflächen der Apple-Betriebssysteme OS X und iOS. Dabei werfen sie Apple vor, in den letzten Jahren die grundlegendsten Design-Prinzipien über Bord geworfen zu haben. Stattdessen sei der Konzern nur noch darauf bedacht, ästhetisch hübsche Oberflächen zu gestalten und die Nutzbarkeit, die Intuitivität aus dem Auge zu verlieren. Besonders iOS kommt bei ihnen nicht gut weg - und Apples schlechtes Beispiel färbe inzwischen auch auf andere Software-Giganten wie Google ab.
Ehemalige Apple-DesignerBruce Tognazzini arbeitete von 1978 bis 1992 bei Apple, Don Norman von 1993 bis 1996. Beide arbeiteten am Software-Design und halten bis heute die Lanze für die damals propagierten Richtlinien für gutes Design hoch. Stück für Stück habe Apple die wichtigsten davon abgebaut, besonders im mobilen Betriebssystem iOS fehlten inzwischen die meisten. „Apple zerstört Design. Schlimmer noch: Es betreibt die Wiederbelebung des alten Glaubens, dass Design nur was damit zu tun habe, Dinge schön aussehen zu lassen.“
Dünne Systemschrift als BeispielEinen prominenten Ausdruck der Nutzerferne des aktuellen Apple-Designs sehen die Autoren den seit iOS 7 aktuellen Trend, die Schrift sehr dünn und wenig kontrastreich zu gestalten. Dabei beschreiben sie, dass eine Frau die für Sehbehinderte gedachten Bedienungshilfen aktivieren musste, um die Schrift adäquat lesen zu können. „Welche Design-Philosophie zwingt Millionen von Nutzern, sich als Behinderte auszugeben, um das Gerät nutzen zu können?“, fragen die Autoren.
Kritik an iOSDas neue Konzept, Multitouch-Display statt Tastatur und Maus, sorgte mit der Einführung des iPhone für eine ungewohnte Art der Gerätenutzung und ein neues Betriebssystem. Gestensteuerung war das Inputmittel der Wahl in iOS. Die fünf wichtigsten Design-Prinzipien sehen Tognazzini und Norman in iOS verletzt.
- 1. Discoverability: Alle möglichen Aktionen sollten auf dem Bildschirm durch Objekte repräsentiert und sichtbar sein. Symbole ohne Beschreibung erfüllten dieses Prinzip nur unzureichend. Aber die meisten Eingabeformen in iOS werden gar nicht mehr repräsentiert: Taps, Doppel-Taps, Swipes mit ein, zwei, drei Fingern… Viele Bedienungsgrundlagen müssten heutzutage auswendig gelernt werden, anstatt dass sie für jeden sichtbar bei der Nutzung wären. Und Nutzer, die damit nicht zurechtkämen, machten sich eher selbst für ihr Unwissen verantwortlich als Apples UI-Konzept.
- 2. Feedback und Feedforward: Das Design hat stets deutlich zu machen, was gerade passiert ist oder was bei einer gewissen Aktion passieren wird. Der Nutzer muss wissen, in was für einem Status sich das System oder eine Anwendung darauf befindet, wie er dorthin kam und wie es von dort weitergehen kann.
- 3. Recovery: Jede Aktion muss rückgängig zu machen sein. Der simple Widerrufen-Befehl von OS X vermisst ein vollwertiges Pendant in iOS. Zwar implementierte Apple die Möglichkeit, durch Rütteln am Gerät eine Aktion rückgängig zu machen, aber weder sei das intuitiv noch funktioniere das in jeder App. Aber ohne die Sicherheit, einen Fehler schnell ungeschehen machen zu können, ist die Probierfreudigkeit eines Nutzers für das Bedienen eines Gerätes schnell dahin. Immerhin gibt es mit dem „Zurück“-Symbol nach einem App-Wechsel inzwischen einen weiteren kleinen Schritt in die richtige Richtung.
- 4. Consistency: Die gleichen Handlungen, Befehle und Aktionen müssen systemweit immer die gleichen Auswirkungen haben. Nur diese Konsistenz erlaubt es dem Nutzer, nichtintuitive Nutzungsformen schnell in Fleisch und Blut übergehen zu lassen.
- 5. Encourage Growth: Das System muss dem Nutzer dabei helfen, kompliziertere Aufgaben anzugehen, wenn die Grundlagen verstanden wurden. Systeminternes Lernen erlaube dem Nutzer, sich zunehmend besser mit einem System auszukennen und immer neuen Mehrwert daraus zu schöpfen.
Design-Grundsätze von Dieter RamsInzwischen verletze Apple viele der von dem Deutschen Dieter Rams aufgestellten zehn Design-Grundsätze. Diese haben Steve Jobs zufolge den größten Einfluss auf den Apple-Gründer gehabt. Nur Rams’ zehntes Prinzip „Gutes Design heißt so wenig Design wie möglich“ werde noch wahrgenommen und allen anderen übergeordnet. Der minimalistische Design-Ansatz gehe aber nicht mit einer maximalen Übersicht und leichten Bedienbarkeit einher, so die Autoren.
Weiterführende Links: