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Freie Software in Deutschland nicht gemeinnützig – Mastodon zieht Konsequenzen

Ein Netzwerk ohne zentralen Server, mit chronologischer Zeitleiste, deren Inhalt Anwender selbst entscheiden, was darin erscheint – diese Vision verfolgt Mastodon seit 2016. Als prominentester Vertreter des Fediverse erlaubt es Nutzern, Texte, Bilder sowie kurze Videoschnipsel zu teilen. Die hauptberuflichen Entwickler sind in Deutschland beheimatet. Jetzt kündigte das Team an, den Unternehmensstandort zu wechseln. Der Hauptgrund: Ihre Tätigkeit wird vom Finanzamt nicht mehr als gemeinnützig anerkannt.


Der Hintergrund: Im Jahr 2021 hatte Gründer Eugen Rochko Mastodon als gemeinnützige GmbH (gGmbH) gegründet. Zu diesem Zeitpunkt akzeptierte das zuständige Finanzamt die Anmeldung; damit war es Mastodon möglich, deutlich geringere Steuern auf freiwillige finanzielle Zuwendungen zu zahlen. Im April 2024 entzogen die Behörden jedoch die Gemeinnützigkeit. Da die Entwickler das Projekt weiterhin frei vom Profitinteresse vorantreiben wollen, planen sie jetzt einen Standortwechsel: Innerhalb der nächsten sechs Monate wolle man sich strukturell neu aufstellen. Wahrscheinlich werden die Entwickler nicht einmal umziehen müssen – das vom Finanzamt zur profitorientierten GmbH umgewidmete Unternehmen bleibt bestehen, soll aber in den Besitz der zu gründenden gemeinnützigen Organisation übergehen. Dieses wird dann in einem EU-Land beheimatet sein, welches die Entwicklung quelloffener Software sowie den Betrieb nichtkommerzieller Fediverse-Instanzen als gemeinnützige Tätigkeit akzeptiere.

Bisheriger CEO konzentriert sich auf Produktstrategie
In diesem Zuge gibt Eugen Rochko den Posten des Geschäftsführers auf; in Zukunft will er sich auf die Weiterentwicklung von Mastodon konzentrieren. An den Entwicklungszielen ändert sich nichts: Die beiden Instanzen mastodon.social und mastodon.online werden vom bisherigen Entwickler-Team weiterbetrieben. Ebenso bleibe das Gründungsziel bestehen: "Werkzeuge und digitale Räume erschaffen, in denen Menschen authentische, konstruktive Gemeinschaften errichten können – frei von Werbung, Datenausbeutung, manipulativen Algorithmen und Konzernmonopolen."

Fokus auf plattformübergreifende Suche
Aktuell verzeichnet Mastodon rund 1,5 Mio. monatlich aktive Nutzer weltweit. Das Fediverse-Konzept setzt auf individuelle Server (sogenannte Instanzen), bei denen Nutzer ihre Konten unterhalten. Der dezentrale Aufbau birgt auch Nachteile: Instanzübergreifende Suchen funktionieren bisher nur unzuverlässig. Mit dem Projekt Fediscovery will Mastodon diese Hürde meistern, ohne dabei die Privatsphäre der Anwender zu riskieren. Zudem wolle man Features rund um Vertrauen und Sicherheit (Trust & Safety) vorantreiben. Das Ziel: "Wir wollen, dass sich alle, insbesondere marginalisierte Gemeinschaften, auf unserer Plattform wohlfühlen". Damit grenzt sich Mastodon von Meta ab: Der Konzern hinter den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram gab letzte Woche bekannt, bisherige Moderationsrichtlinien in einigen Bereichen aufzuheben und die Zusammenarbeit mit Faktenprüfern zu beenden.

Kommentare

kawi
kawi15.01.25 09:05
Auch wenn die Entwicklung der letzten Wochen zeigt wie wichtig und notwendig unabhängige und dezentrale Plattformen sind, Mastodon teilt essentielle Eigenschaften mit etlichen Projekten aus der Open Source Gemeinschaft: Ansporn ist oft der Beweis einer technischen Machbarkeit. Ist der einmal erbracht wird die technische Seite zwar kontinuierlich weiterentwickelt, aber Sachen wie: übersichtliches User Interfaces, einfache Bedien und Benutzbarkeit außerhalb einer TechNerd Blase fallen hinten runter und am Ende fehlt genau deswegen die Akzeptanz bei "Mainstream" Usern.
+3
dimitri.m
dimitri.m15.01.25 09:14
Auch so kann man "Meinungsfreiheit" durchaus massiv einschränken. Was bei "Musk" und "Zuckerberg" nicht mehr so klappt oder nur noch bedingt klappt, ersetzt man durch einen "unattraktiven" Finanzplatz.
Sehr schade. Ich hoffe, das war nicht das komplette Ende von Mastodon.
+3
LoCal
LoCal15.01.25 09:16
kawi
Auch wenn die Entwicklung der letzten Wochen zeigt wie wichtig und notwendig unabhängige und dezentrale Plattformen sind, Mastodon teilt essentielle Eigenschaften mit etlichen Projekten aus der Open Source Gemeinschaft: Ansporn ist oft der Beweis einer technischen Machbarkeit. Ist der einmal erbracht wird die technische Seite zwar kontinuierlich weiterentwickelt, aber Sachen wie: übersichtliches User Interfaces, einfache Bedien und Benutzbarkeit außerhalb einer TechNerd Blase fallen hinten runter und am Ende fehlt genau deswegen die Akzeptanz bei "Mainstream" Usern.

Und das ist das schöne an OpenSource, Du kannst Dich da jederzeit mit einbringen und so das Projekt voranbringen.
Ich hab zwar keine Lösung, doch ich bewundere dein Problem
+5
macuser22
macuser2215.01.25 10:00
@kawi:
Du bringst da etwas durcheinander: Mastodon ist ein Netzwerk und Teil des Fediverse. Das hat nix mit UI-Design und Bedienbarkeit zu tun. Um das Netzwerk zu bedienen, gibt es viele verschiedene Apps, die dann ggf. unterschiedliche Qualität aufweisen. Ich bin mit Ice Cubes sehr glücklich, das lässt sich auch in vielfältiger Weise konfigurieren …

@dimitri.m
Der Artikel beschreibt richtig, dass sich Mastodon neu strukturiert, um weiter steuerbefreite Spenden erhalten zu können, von denen man nun mal abhängig ist. Warum sollte das das Ende von irgendetwas sein? Sobald die Dominanz der U.S.-amerikanischen und asiatischen Plattformen größer wird und sie sich immer weiter von demokratischen Prinzipien entfernen, werden wir noch sehr froh darüber sein, so etwas wie Mastodon zu haben.

P.S.: Das dezentrale Pendant zu Instagram ist übrigens Pixelfed. Es ist auch Teil des Fediverse und kann mit Mastodon & Co. interagieren.
Erkenne dich selbst –//– Nichts im Übermaß
+8
Nebula
Nebula15.01.25 10:14
kawi
übersichtliches User Interfaces, einfache Bedien und Benutzbarkeit außerhalb einer TechNerd Blase fallen hinten runter und am Ende fehlt genau deswegen die Akzeptanz bei "Mainstream" Usern.

Das ist nur ein kleiner Teil des Problems. So schlecht bedienbar ist das Standardinterface jetzt auch nicht. Die größere Herausforderung ist jedoch, dass man das mit der Instanzen verstehen, und sich dann auch noch für eine entscheiden muss. Das ist vielen schon zu aufwendig oder sie sind schlicht überfordert. Unverständnis macht nicht-technikaffine Menschen misstrauisch. Kann ich einer Instanz überhaupt trauen? Zudem muss man Konsequenzen (oder Vorteile) bedenken, wenn man zwischen kleinen und großen Instanzen abwägt.
»Wir werden alle sterben« – Albert Einstein
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