Meinungen im Netz sind oft ziemlich digital. Heißt, es gibt nur Eins oder Null, aber Zwischenwerte werden oft nicht akzeptiert und ein plötzlicher Wechsel des eingenommenen Standpunkts ist auch eher selten. Ein gutes Beispiel dafür sind Diskussionen darüber, ob der Mac bei Nichtgebrauch eher „ausgeschaltet“ (heruntergefahren), oder doch besser in den sogenannten „Ruhezustand“ versetzt werden sollte. Dazu erst mal eine kurze Unterscheidung der beiden Möglichkeiten.
Im Apfel-Menü von macOS finden sich zwei Optionen, um sozusagen den Betrieb des Computers vorübergehend (bis er wieder gebraucht wird) einzustellen: „Ruhezustand“ und „Ausschalten“. Die Option „Ausschalten …“ (mit den drei Punkten) unterscheidet sich lediglich durch eine zusätzliche Abfrage.
Für den Nutzer haben die beiden Optionen oberflächlich betrachtet eine einfache Unterscheidung. So sorgt „Ruhezustand“ dafür, dass das gesamte System im Prinzip aktiv bleibt und bei einem Tastendruck, einer Mausbewegung oder durch Öffnen des Deckels eines MacBook sofort wieder nutzbar ist – was natürlich super praktisch ist. „Ausschalten“ hingegen sichert den aktuellen Zustand aller laufenden Programme auf dem Massenspeicher und fährt das System dann herunter. Will man den Mac dann wieder nutzen, muss erst „gebootet“ (hochgefahren) werden, was in der Regel mit eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Bei älteren Macs kann das durchaus mal eine Minute oder länger dauern, bei neuen oder taufrisch neu aufgesetzten Macs kann der Vorgang auch in 15 - 20 Sekunden inkl. Einloggen erledigt sein. Wobei das auch abhängig davon ist, wie schnell die gespeicherten Zustände der Programme wiederhergestellt werden können.
Aber das Ganze muss noch etwas genauer erläutert werden, denn es gibt Unterschiede, die erst mal nicht ganz so offensichtlich sind. Zum einen bedeutet „Ausschalten“ nicht, dass der Mac damit keinerlei Strom mehr verbraucht. Tatsächlich befindet er sich in diesem ausgeschalteten Zustand eigentlich in einer Art Standby-Modus (Bereitschaft), in dem er auf den elektronischen Befehl des Einschaltknopfes oder auf einen anderen Einschaltbefehl lauscht. Ähnlich wie ein Fernseher im Standby, der jederzeit per IR-Fernbedienung eingeschaltet werden kann. In diesem Modus verbrauchen moderne Macs in der Regel um 0,5 W. Soll der Mac bei Nichtbenutzung gar keinen Strom verbrauchen, muss er vom Strom „hart“ getrennt werden. Entweder durch Ziehen des Netzsteckers, oder beispielsweise durch eine Stromleiste mit Netzschalter,
wie dieser von Brennenstuhl.
Im praktischen Ruhezustand, der eine viel schnellere Verfügbarkeit des Systems bietet, verbraucht der Mac deutlich mehr Strom. Wie viel genau hängt von vielen Faktoren ab. Beispielsweise von der Art des Mac (ältere Intel-Mac verbrauchen deutlich mehr als Macs mit Apple Silicon) und ob und welche Peripherie angeschlossen sind. Eine leider nicht ganz zu unterdrückende Eigenart des macOS Ruhezustandes ist auch, dass das System in diesem Modus gewisse Hintergrundaufgaben erledigt. So werden etwa angeschlossene USB-Festplatten in regelmäßigen Abständen aufgeweckt, ohne dass sich ein sinnvoller Nutzen dahinter erkennen lässt. Diese „Dark Wake“ genannten Aktivitäten erhöhen ebenfalls den Stromverbrauch und können im ungünstigsten Fall sogar den Schlaf des Nutzers stören, wenn alle Naslang die Festplatten neben dem Bett hochlaufen. (Von der zusätzlichen Belastung mechanischer HDDs ganz abgesehen.)
Der StreitpunktDamit wird auch langsam klar, worum es sich im Kern der Diskussion dreht: Um den Energieverbrauch, um Nachhaltigkeit, um den Sinn und Unsinn, warum ein Gerät überhaupt Energie verbrauchen sollte, wenn es gerade nicht benutzt wird.
Bei alledem hängt das Für und Wider auch von der Art des eingesetzten Mac ab. Desktop-Macs mit ständig angeschlossener Peripherie sind eher Kandidaten für ein geordnetes Herunterfahren als MacBooks. Insbesondere, wenn es sich um Bürocomputer handelt, die etwa von 9 bis 17 Uhr genutzt werden und dann für die restlichen 16 Stunden des Tages rein gar nichts tun. Hier spricht alles dafür, das System herunterzufahren und am besten auch noch hart vom Stromnetz zu trennen.
Häufigstes Gegenargument der Fraktion Ruhezustand ist, dass der Standby-Verbrauch rein rechnerisch ja nur ein paar Euro Mehrkosten im Jahr ausmache. – Was auf Einzel-Nutzer zutreffen mag, im großen Kontext aber zu selbstbezogen gedacht ist. Nicht umsonst macht die EU immer strenger werdende Vorschriften für Standby-Verbräuche, denn wenn Millionen von Geräten (natürlich nicht nur Macs) permanent Strom verbrauchen, ohne wirklich aktiv genutzt zu werden, ist das nun mal nicht nachhaltig. Und selbst wenn wir schon flächendeckend eine 100 % klimaneutrale Stromerzeugung hätten, ändert das nichts an der Frage der Notwendigkeit für Stromverbrauch ohne Aktivität.
Doch natürlich gibt es auch gute Argumente für den Ruhezustand. Der praktische Aspekt steht ganz oben auf der Liste. Der Mac ist damit beinahe in Nullkommanix einsatzbereit. Insbesondere bei Nutzern, die ihren Mac nicht kontinuierlich innerhalb eines bestimmten Arbeitszeitraums nutzen und dann für lange Zeit nicht benötigen, sondern in eher unregelmäßigen kurzen Abschnitten, aber das über den gesamten Tag, brauchen einfach eine schnelle Verfügbarkeit. Denn niemand möchte den Mac quasi alle paar Minuten oder Stunden neu Booten.
Noch eine Anwendung für permanente Verfügbarkeit ist die Nutzung des Mac als Server. Hierbei ist selbst der Ruhezustand keine Option, denn der Mac muss wirklich laufen, um seine Serverdienste erfüllen zu können.
Außerdem werden insbesondere Macs mit Apple Silicon immer effizienter und sparsamer, wie erst jüngst der neue
Mac mini M4 im Testbericht bewiesen hat. Ihm gelingt das Kunststück, selbst mit voll laufendem Betriebssystem und Netzwerkaktivität samt aktivem WLAN und Bluetooth den Verbrauch bei 4 Watt oder weniger zu halten. Natürlich nur, solange ihm keine permanent hohe Rechenlast abgefordert wird. Ich rede hier nicht von einer Renderfarm in der Sockenschublade. In Ruhephasen sinkt der Bedarf nach meinen Messungen sogar bis auf etwa 2 W (oder knapp darunter). Voraussetzung hierfür ist aber, dass keine Peripheriegeräte per USB (etwa SSDs) angeschlossen sind. Derart sparsam sinkt der Handlungsdruck, das System regelmäßig herunterzufahren.
Der KompromissDie Beilegung des Streits liegt damit eigentlich auf der Hand. Ob man den Mac runterfährt oder nur schlafen legt, hängt in erster Linie vom persönlichen Nutzungsverhalten ab. Und ein Stück weit auch davon, wo man selbst die Grenzen bei Fragen um Nachhaltigkeit zieht. – Und nur ein gaaanz klitzekleines Bisschen davon, wo der Einschaltknopf sitzt.
*hüstel*Ich persönlich fahre nun zweigleisig. Mein Mac Studio wird täglich neu gebootet und nach getaner Arbeit heruntergefahren. Erstens, weil an ihm eine Festplatte und mehrere SSDs hängen, was den Verbrauch im Ruhezustand erhöht und weil die Datenträger sonst ständig vom System aufgeweckt werden. Zweitens, weil die Nutzung meines Mac Studio in einem bestimmten Zeitraum von vormittags bis nachmittags liegt. Danach nutze ich entweder iDevices, ein MacBook oder den Mac mini, falls erforderlich. Heißt, der Mac Studio ist viele Stunden täglich ungenutzt. Da muss er auch keinen Strom verbrauchen. Egal, wie viel oder wenig.
Der neue Mac mini hingegen bleibt 24 Stunden am Tag eingeschaltet. Erstens, weil er als Server jederzeit erreichbar sein muss und zweitens, weil seine Energieeffizienz so gut ist, dass ich mir diesen Luxus schlicht leiste. Bei einem MacBook dürften sich die meisten einig sein, dass der Ruhezustand die praktikabelste Wahl darstellt. Es sei denn, das MacBook würde über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) nicht genutzt. Dann darf auch dieser Mac gerne heruntergefahren werden. Spätestens wenn der Akku komplett leer ist und keine Stromzufuhr besteht, ist irgendwann automatisch Schluss mit Ruhezustand.
Um den Kreis zurück zur Einleitung zu schließen: Die Welt ist nun mal nicht digital, sondern voller feiner Abstufungen. Den Mac herunterzufahren oder nur schlafen zu legen ist eine Frage individueller Entscheidungen. Vermutlich gibt es die beiden Menü-Optionen genau aus diesem Grund im Mac. Weil beides sinnvoll ist.